Vom Weltraum aus beobachtet, ist die Erde eine wunderschöne, blaue Kugel. Dieses Aussehen verdankt sie dem Wasser, das sich in Jahrmilliarden angesammelt hat. Das Problem für die Menschen – nicht für die Meeresfische – es ist Salzwasser. Nur ein kleiner Teil des Wassers dieses Planeten ist Süßwasser. Aber auf dem Land brauchen es alle: Pflanzen, Tiere Menschen. Und je mehr davon gebraucht wird, desto mehr wird darum gekämpft. Trinkwasser und Wasser für die Felder sind ein großer Teil des Verbrauches der vorhandenen Süßwassermenge. Gerade bei grenzüberschreitenden Flüssen kann der Verbrauch zum Zankapfel werden.
Zurzeit ist in Afrika das relativ arme Äthiopien in der Rolle des unkollegialen Bösewichtes. Der größte Staudamm Afrikas ist dort entstanden und soll Ende bis 2022 fertiggestellt werden. Er war von Anfang an bei den Nachbarländern umstritten. Der äthiopische Wasserminister Seleshi Bekele erklärte feierlich die zweite Auffüllphase des Reservoirs für abgeschlossen. Der nun erreichte Wasserstand liefert genügend Wasserdruck, dass die erste, stromerzeugende Turbine ihre Arbeit aufnimmt.
Das, was Äthiopien zum Auffüllen des Staubeckens an Wasser brauchte, fehlt dem nördlichen Nachbarn Ägypten. Ägyptens Präsident Al Sisi ist gereizt. Das ist nicht weiter verwunderlich. Schon in der Antike, als die Pharaonen regierten und ein riesiges Reich mit unglaublichen zivilisatorischen Errungenschaften erfolgreich verwalteten und ausbauten, beruhte dieser ungeheure Vorteil Ägyptens auf dem Nil, der das Niltal flutete und den fruchtbaren Nilschlamm auf die Felder brachte. Die Ernten waren üppig und vermochten all die Arbeitskräfte mitzuernähren, die die beeindruckenden Tempel, Städte und Pyramiden bauten. Nur ein Volk, das genügend Ressourcen hat und gut ernährt ist, kann sich so etwas leisten.
Der Nil ist der Herzschlag Ägyptens. 90 Prozent seines Wasserbedarfs kann er decken. Heute wie früher liegen fast alle bedeutenden Städte, Industrie und Landwirtschaft am Ufer des Nils. Seine beeindruckende Masse speist sich aus zwei Hauptzuflüssen. Einer davon – und der wichtigste — ist der „blaue Nil“ – der durch Äthiopien zum großen Strom hinfließt. In einem etwas abgelegenen Tal in der west-äthiopischen Region Benishangul-Gumuz und etwa 10 Kilometer östlich der sudanesischen Grenze ist nun ein Stausee entstanden, der in seinen Ausmaßen Respekt einflößt. Mit 63 Milliarden Kubikmetern Wasser ist sie um ein Dreihundertfaches größer, als die größte deutsche Talsperre „Bleiloch“ mit 212,9 Millionen Kubikmetern Wasser. Die Haupt-Gewichtsstaumauer ist 145 Meter hoch, das ist fast so hoch, wie der Kölner Dom.
Die Baumaßnahmen werden nächstes Jahr fertiggestellt sein, und das Wasserkraftwerk soll letztendlich eine Leistung von 6.000 Megawatt erbringen. Schon dieses Jahr reicht die angestaute Wassermenge zum Betrieb der ersten Turbine. Das soll das recht arme Äthiopien in die Neuzeit katapultieren, denn bisher hat der Großteil der Äthiopier keinen Strom. Nicht nur, dass Äthiopien seine Bürger endlich mit Strom und damit einem Lebensstandard versorgen könnte, der das Land, seine Wirtschaft und den Konsum immens nach vorne bringen kann. Und mehr noch: Äthiopien könnte der größte Stromexporteur Afrikas werden.
Sudan, das direkte Nachbarland nordwestlich von Äthiopien liegt noch vor Ägypten. Es würde zwar von preiswerten Stromlieferungen profitieren, scheint jedoch mehr und mehr die Sorgen Ägyptens zu teilen, dass in trockenen Jahren die Wasserversorgung zu knapp ausfallen könnte, weil Äthiopien sein Wasserkraftwerk füttern muss. Umgekehrt befürchtet der Sudan eine katastrophale Überflutung, sollte der Damm dieses Riesenreservoirs an Wasser einmal brechen.
Beide Länder nilabwärts verlangen seit Jahren in Gesprächen, dass sich Äthiopien auf Mindestmengen an Wasserdurchlass verpflichtet. Das ist bisher aber nicht geschehen. Selbst eine Einladung des Kongo als Gastgeber dieser Gespräche scheiterte.
Nun werden die Töne schriller. Ägyptens Präsident, Herr Abdel Fattah Al Sisi wurde in den letzten Monaten nicht müde, größtes Gewicht auf eine Verhandlungslösung zu legen. Doch nun wechselt er die Tonart und bringt sogar einen militärischen Konflikt ins Spiel. Er punktet dabei natürlich vor seinen Landsleuten, wenn er pathetische Töne anschlägt. Tatsächlich ist die Vorstellung, der Nil könne trockenfallen, für die Ägypter ein Sakrileg und der sichere Tod. Deshalb stehen sie auch geschlossen hinter Präsident Al Sisi, wenn der fast unverhohlen droht: „Das Wasser Ägyptens ist für uns unantastbar und stellt eine rote Linie dar. Wird sie überschritten, beeinflusst das die Stabilität der gesamten Region.“ Wie um ein Ausrufezeichen hinter sein Statement zu setzen, führten nur wenige Tage später Ägypten und der Sudan eine gemeinsame Militärübung durch. Das ist schon mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl für Äthiopien.
Und genauso schallt es zurück:
„Äthiopien wird keinen Schritt tolerieren, der darauf abzielt, den Füllprozess, den Betrieb oder das Wasserfreisetzungssystem zu stören”, heißt es in der jüngsten Mitteilung aus Addis Abeba. Staatliche Medien berichteten, der Bau des Staudamms sei zu 80 Prozent abgeschlossen. Äthiopien braucht den Strom aus dem Wasserkraftwerk dringend für die wirtschaftliche Entwicklung.“
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