In den Städten der Türkei sieht man plötzlich Polizeistreifen, die in Läden, kleinen Betrieben und auf den Plätzen gezielt nach Syrern suchen und deren Aufenthaltsstatus überprüfen. Sind sie nicht als anerkannte Flüchtlinge registriert, werden sie aufgegriffen, in Busse verfrachtet und über die türkisch-syrische Grenze geschafft. Das war schon seit zwei Jahren so, nur wenden sich jetzt auch noch die türkischen Bürger gegen die syrischen Einwanderer. Was ist passiert?
Es waren erst nur Unfreundlichkeiten und Anpatzereien, aber nun bilden sich ganze Banden Hunderter türkischer Bürger, die direkt die Häuser und Geschäfte der Syrer angreifen, die Läden plündern und bei den Wohnhäusern Scheiben einwerfen. Es spielen sich schlimme Szenen ab.
Es gab 76 Festnahmen bei einem Polizeieinsatz. Ein türkischer Teenager wurde ermordet, die Täter sind syrisch, sie sind in Polizeigewahrsam. Der Tod des jungen Türken und ein weiterer verwundeter Türke brachten das Fass zum Überlaufen, der achtzehnjährige Türke wurde in einem Streit zwischen Türken und Einwanderern erstochen, der andere schwer verletzt. Was hier in Europa hingenommen wird und sich immer wieder wiederholt, war in der Türkei der Zündfunke für die gewalttätigen Übergriffe der türkischen Männer gegen Syrer und andere Zuwanderer:
Die Polizei schritt zwar ein und zerstreute die wütende Menge, aber am nächsten Tag formierte sich eine noch größere Menschenmasse, die dann durch die Stadt zog und die Häuser und Geschäfte der Einwanderer attackierte. Woher also diese plötzliche Wut?
Es gibt nicht nur diesen einen Auslöser. Rund 3,6 Millionen Syrer leben in der Türkei. Sie sind als Flüchtlinge gekommen, als die USA beschlossen, den syrischen Präsidenten Assad zum neuen Super-Bösewicht zu machen, ihm alle möglichen Untaten anzudichten und Syrien ins Chaos zu stürzen. Viele Syrer flohen aus den umkämpften Gebieten, in denen die von den USA herangezogene FSA (Free Syrian Army) und der ebenfalls von der CIA bestens ausgestattete IS wütete, den die Amerikaner angeblich auch – in Syrien natürlich — bekämpften.
Die Türken nahmen die Syrer freundlich auf. Doch das war damals. Da ging es den Türken noch gut und man konnte sich Toleranz leisten. Aber schon 2019 kam es zu den eingangs erwähnten Szenen und die Türken fanden genervt, dass es nun mehr als genug Syrer in der Türkei gebe. Aber seit 2019 sind es nicht weniger geworden. Fast an jeder Kreuzung in Istanbul betteln syrische Flüchtlingskinder, und nun kommen durch den Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan noch Scharen von afghanischen Flüchtlingen dazu.
Als Kontrapunkt fallen arabische Familien in die glanzvolle, alte Stadt am Bosporus ein. Sie sind keine Flüchtlinge, sondern auf Shopping Tour und machen Kurzurlaub. Dagegen hätte kaum ein Türke etwas, aber die Gäste benehmen sich sehr raumgreifend und selbstherrlich: Sie sind laut, die türkischste aller Städte hallt wider von arabischem Gesangsgetöse, die Araber füllen die Einkaufsstraßen, man höre kaum noch Türkisch dort, schimpfen die Bürger. Die Stimmung kippt gerade komplett.
Es ist eigentlich schon wurscht, woher die Fremdlinge alle kommen und welche Gründe sie haben. Die Türken sehen ihre Türkei überrannt. Reiche Leute, Iraner, Iraker und die saudische Mittelschicht aus dem östlichen Mittelmeerraum holen sich die schönsten Häuser und obendrauf gibt‘s auch gleich die türkische Staatsbürgerschaft dazu, wenn mehr als eine Viertelmillion US-Dollar auf den Tisch gelegt wird. Das ist den Türken langsam zu viel.
“Alteingesessene Istanbuler berichten, dass sie sich wie Fremde in der eigenen Stadt fühlen – wegen der Touristen, der vielen Wasserpfeifen-Cafés, und weil es in einigen Stadtteilen mehr arabische Ladenschilder gibt als türkische. Schätzungsweise zwei Millionen Araber, davon etwa eine Million Syrer, leben laut lokalen Medienberichten in der 16-Millionen-Metropole.“
Manche dieser Neuankömmlinge verhalten sich in der Türkei genauso wie in Westeuropa. Junge Mädchen von 14 Jahren sollen zur Prostitution gezwungen werden. Man benimmt sich breitspurig und aggressiv und führt sich als Herrenrasse auf. An der türkisch-syrischen Grenze leben mittlerweile deutlich mehr Syrer als Türken auf türkischem Territorium. Sie halten sich für die neuen Herren. In der türkischen Provinz Hatay haben sie schon das Sagen und fordern offen die Türken auf, sich aus der Gegend zurückzuziehen, heißt es. Kein Wunder, dass sich Überfremdungsängste breitmachen. Unter dem Hashtag #GitmeVaktinizGeldi (Zeit, dass ihr abhaut) machen die Türken auf Twitter ihrer Wut Luft.
Anders als „im Westen“ wird allerdings nicht alles wegzensiert, und die Bürger werden nicht wegen Hassrede abgestraft und vor Gericht gezerrt. Im Gegenteil: türkische Politiker und Medien, die den Einwanderern das Wort reden und von schneller Einbürgerung und Integration reden, werden öffentlich und in den Sozialen Medien beschimpft und beleidigt. Fremdenfeindlichkeit ist salonfähig geworden und die politische Opposition zieht daraus Vorteile. Die Flüchtlingswelle aus Afghanistan wird zur „Schicksalsfrage der Türkei“. Stadtverwaltungen versuchen, mit Sonderabgaben die Zuwanderer zu vergrällen. Sie bekommen keine Hilfeleistungen mehr und dürfen keine Gewerbe mehr anmelden.
Oppositionspolitiker Kilicdaroglu ätzte schon offen gegen Präsident Erdogan, er möge doch seinen Präsidentenpalast mit den 1000 Zimmern den Afghanen als Unterkunft anbieten, wenn er sie willkommen heißen möchte. Die Stimmung schlägt auch gegen Präsident Erdogan um, der immer von den „syrischen Gästen“ sprach, aber weder den Zustrom eindämmte, noch für Rückführungen sorgte.
Dazu kommt nun auch noch die türkische Wirtschaftskrise. Ein altbekanntes Phänomen, das der türkische Präsident anscheinend zu lange ignoriert hat. Solange es den Leuten richtig gut geht, können sie sehr tolerant sein und haben kein Problem damit, dass die Flüchtlinge und Einwanderer staatliche Hilfen bekommen. Doch wenn es immer mehr und die Mittel knapp werden und dann noch eine Wirtschaftskrise die Lebensbedingungen für das eigene Volk deutlich verschlechtert, ist Schluss mit der Toleranz. Zu dieser gereizten Stimmung kommt jetzt noch eine unabsehbare Zahl neuer Einwanderer?
Genau das passiert jetzt zu allem Überfluss auch noch durch den Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan. Sogar die linke „taz“ bringt Verständnis dafür auf:
„Ich will nicht, dass diese Afghanen jetzt alle in die Türkei kommen. Wir haben schon genug islamistische Syrer hier, da brauchen wir nicht auch noch afghanische Mullahs“. Die Frau, die sich furchtbar aufregt, als sich das Gespräch der Situation an der iranisch-türkischen Grenze zuwendet, will nicht namentlich genannt werden. Aber ihre Botschaft ist glasklar: ‚Keine weiteren Flüchtlinge mehr, schon gar nicht aus dem Taliban-Land‘.“
Auch der Einwand, dass die Menschen doch gerade vor den islamistischen Taliban fliehen würden, zieht nicht. Sie habe Bilder der Flüchtlinge im Fernsehen gesehen, die an der Grenze von der Gendarmerie aufgegriffen worden sind. ‚Das sind alles junge Männer, keine städtischen Familien mit einem Koffer in der Hand‘.“
Kommt uns das nicht bekannt vor?
Ach ja, und nun versucht die EU, mit Geld die Türkei dazu zu bringen, die afghanischen Flüchtlinge da zu behalten, damit die nicht auch noch in die EU und nach Deutschland kommen. Die EU schachert mit Präsident Erdogan und bietet weitere drei Milliarden Euro. „Damit will die EU ihre ‚schmutzige Flüchtlingspolitik‘ gegenüber der Türkei fortsetzen“, kommentierte die türkische Zeitung Cumhuriyet. Und Österreichs Wunderwutzi, Kanzler Sebastian Kurz, macht auch keinen Hehl daraus. Er will keine afghanischen Flüchtlinge in Europa, sagt er. Die Türkei sei „definitiv der richtige Ort“ für sie.
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