Poli­tische Säu­berung: BILD-Chef­re­dakteur Rei­chelt gefeuert – BDZV-Prä­sident Döpfner unter Druck

Ich erinnere mich noch gut. Noch vor zwanzig Jahren war ich über­zeugt: Sowas wie die DDR-Dik­tatur kann es bei uns nicht geben. Und die Lehren aus der Zeit des Dritten Reiches werden wir nie ver­gessen. Heute weiß ich, es ist alles nur eine Frage geschickter Mani­pu­lation. Die Mei­nungs­freiheit ist fast ver­loren, täglich wird die Schlinge um den Hals derer, die sich nicht den Mund ver­bieten lassen, enger. Jetzt hat es Herrn Julian Rei­chelt getroffen, den BILD-Chef­re­dakteur. War das Revol­ver­blatt früher nur gut für knallige Schlag­zeilen, Skandale, Mord und Tot­schlag, gewann das „BILD lügt“-Boulevardblatt erstaunlich an Kontur und Respekt, seit Chef­re­dakteur Rei­chelt klare Kante und echte Kritik an der Regierung zeigte. Vorbei. Er ist nun auch einer der neuen März­ge­fal­lenen. BDZV-Prä­sident Mathias Döpfner könnte das nächste Opfer sein.

Wie immer wird etwas ganz anderes als Grund genannt. Nun hat Julian Rei­chelt „sexuelle Bezie­hungen“ zu Prak­ti­kan­tinnen gehabt. Ein­ver­nehmlich, gibt man im Axel-Springer-Verlag zu, zu dem BILD gehört. Es gehe halt dennoch um das Aus­nutzen von Machtpositionen.

Mag sein, nur ist das ja Alltag in den Betrieben. Das macht die Sache nicht besser. Nur ist das nicht der Grund. Auf der Seite msn-News wird das ziemlich deutlich:

„Die Reak­tionen auf die Ent­lassung sind ver­schieden: Während in der linken Bubble die Korken knallten, dass der für seinen rei­ße­ri­schen, in den Popu­lismus gehenden Stil bekannte BILD-Chef­re­dakteur gefeuert wurde, kam aus dem Umfeld der BILD viel Lob und Dank für den nun ehe­ma­ligen Chefredakteur.“

Es passt ja nicht wirklich zu einem, seine Macht rück­sichtslos aus­nut­zenden, Prak­ti­kan­tinnen ver­schlei­ßenden Chef, dass er von seinen Mit­ar­beitern und dem Umfeld so gefeiert wird. Die Kritik an Herrn Rei­chelts Raus­schmiss kommt nicht nur aus seinem Umfeld.

Der­jenige, der Julian Rei­chelt ans Messer geliefert hat und ihn aus­ge­forscht (hat lassen), ist Herr Dirk Ippen. Er ist der Ver­leger einer Zei­tungs­gruppe, zu der auch der Münchner Merkur und die Frank­furter Rund­schau gehört. Und zum Recher­chieren hatte er das „Ippen Investigativ“-Team. Dar­unter ein Redakteur, Herr Ben Schmith, der nun für die New York Times schreibt. Er arbeitete in dem Team von Ippen Inves­ti­gativ zur Aus­for­schung von Julian Rei­chelt mit. Und er ver­öf­fent­lichte vieles davon danach in der New York Times. All diese Zei­tungen sind stramm auf Sys­temkurs und hatten wenig Sym­pa­thien für einen Quer­treiber, wie den BILD-Chef­re­dakteru, der die wahllose Mas­sen­ein­wan­derung kri­ti­sierte, Frau Merkels Ener­gie­wende angriff und die Corona-Politik zerriss. Man wollte den Mann loswerden.

In diesem Beitrag wird Herr Rei­chelt als Frau­en­be­läs­tiger gezeichnet, der junge Frauen am Arbeits­platz in Affären drängte. Es sei eine Mixtur aus Jour­na­lismus, Sex und Betriebs­kosten unter Rei­chelt gewesen, die er in der BILD-Redaktion erlebt habe, schrieb der Under­cover-Mit­ar­beiter in bester Wallraff-Tradition.

Das mag alles stimmen. Nur hat es ein G’schmäckle, wie der Schwabe so lie­bens­würdig sagt. BILD ist ein Alphatier auf dem Zei­tungs­markt und nach dem jah­re­langen Nie­dergang der Ver­kaufs­zahlen war eine dau­er­hafte Wende in Sicht, weil Chef­re­dakteur Rei­chelt der Zeitung ein ein­ma­liges, neues Profil gab, was die Leute ansprach, ihnen aus der Seele sprach und ihre Pro­bleme adres­sierte. Eben das, was ihm als „Popu­lismus“ vor­ge­worfen wurde. Popu­lismus ist an sich ja nicht Fal­sches. Nur weil es die Meinung des Volkes wie­dergibt. Und Unpo­pu­läres ist nicht des­wegen richtig und weise, nur weil es gegen die Inter­essen und den Willen der Bevöl­kerung gerichtet ist.

Nun stand die ganze Skan­dal­ge­schichte also in der NYT. Und, oh Wunder, die Sys­tem­presse der Ippen-Gruppe (Münchner Merkur, Frank­furter Rund­schau und Buzzfeed Deutschland) hechelte schon danach, Julian Rei­chelt auch in der deut­schen Medi­en­land­schaft als erste in der Luft zer­fetzen zu dürfen.

Aber … das durften sie nicht. Herr Dirk Ippen, der große Chef, ver­hin­derte das. Verrrrbott!!! Aber warum? Das wäre doch ein finaler Ent­haup­tungs­schlag gegen  Herrn Rei­chelt gewesen? Genau darum. Es war ja schon ziemlich offen­sichtlich, dass man Herrn Rei­chelt nicht wegen seiner Regie­rungs­kritik raus­treten konnte. Es musste also „was gefunden werden“. Wie schon weiland Alt-Bun­des­kanzler Konrad Ade­nauer sagte, wenn er jemanden hin­ter­rücks absägen wollte: „Watt haben wer denn jejen den?“ (Was haben wir gegen den in der Hand?).

Also unter­sagte Herr Ippen die Ver­öf­fent­li­chung der saf­tigen Geschichte in Deutschland, um „nicht den Anschein (zu) erwecken, anderen Wett­be­werbern schaden zu wollen“. Was aber genau einer der beiden Gründe ist, die Aus­schnüf­felung in die Wege zu leiten. Und natürlich, einen Unbot­mä­ßigen elegant abzu­ser­vieren. Das sollte hallt nur nicht so offen erkennbar werden.

Elegant war’s aller­dings nicht, sondern eher holz­ham­mer­artig, denn natürlich erhob sich das Geheul der Jagd­meute. Die Aus­späher von „Ippen Inves­ti­gativ“ hängten es an die große Glocke. Sie schrieben an die Ver­lags­leitung, dass man scho­ckiert sei wegen dieser Ent­scheidung, und das wider­spreche den Grund­sätzen der unab­hän­gigen Bericht­erstattung. Ein Angriff auf die Pres­se­freiheit! Da hatten sie ein mediales Großwild erlegt und durften nicht um die Leiche tanzen?

Oh. Mein. Gott. Unab­hängige Bericht­erstattung. Wun­derbar. Wo gibt es die denn heute noch? Wo leben denn die Herr­schaften? Nur in den freien Medien noch, bei den Alu­hüten, den Covidioten, den dre­ckigen Ungeimpften.

Und jetzt? Jetzt winden sich irgendwie alle herum. Ääääähmmm … jetzt ist es doch alles ruchbar geworden. Die Leitung der Zei­tungs­gruppe Ippen schreibt eilig Recht­fer­ti­gungen zusammen:

„Der Ippen-Medi­en­konzern betont, es sei keine leichte oder schnelle Ent­scheidung gewesen und es habe eine intensive Dis­kussion beider Seiten im Haus gegeben. Am Ende sei es aber klar das Recht eines Ver­legers, Richt­linien für seine Medien vor­zu­geben. Zudem hieß es: ‚Wir stehen als Medi­en­gruppe Ippen ganz klar dazu, dass Redak­tionen frei und unab­hängig arbeiten können und arbeiten müssen. Gleich­zeitig hat ein Ver­leger immer das Recht, Leit­linien fest­zu­legen, und es ist auch normal, bei großen Recherchen die Rechts­ri­siken gemeinsam abzu­wägen.‘ Die Arbeit mit den Inves­ti­ga­ti­v­jour­na­listen wolle man “natürlich weiter fort­setzen”.“ 

Es drängt sich schon der Ein­druck auf, dass die Inves­ti­gativ-Gruppe einfach nur die Munition für den Abschuss liefern sollte, man das aber nicht allzu sehr an die große Glocke hängen wollte, da auch irgendwie recht durch­sichtig. Und die Inves­ti­gativ-Gruppe hat’s nicht geschnallt. Nun hat der Spiegel einiges aus der Recherche gegen Herrn Julian Rei­chelt ver­öf­fent­licht. Dreimal darf man raten, woher der Spiegel – außer aus der New York Times – diese Unter­lagen erhalten hat.

Und nun hat man schon den nächsten im Visier. Herr Mathias Döpfner, bisher ein unan­ge­foch­tener Sech­zehn­ender an der Springer-Spitze, ein Platz­hirsch der Medi­en­branche. Die Seite DWDL.de (Was das Kürzel heißt, ist nicht bekannt, es ist ein TV-Bran­chen­dienst, der Herrn Thomas Lückerath gehört, und der möchte den Sinn des Kürzels nicht nennen) nimmt Herrn Döpfner aufs Korn: „Der Rauswurf Rei­chelts darf nicht ablenken von dem, was für die ‚New York Times‘ der eigent­liche Grund für ihre Bericht­erstattung gewesen sein dürfte: Das zwie­lichtige Bild, das Mathias Döpfner an der Springer-Spitze abgibt.“

Warum? Weil er Julian Rei­chelt gewähren ließ, schreibt Herr Lückerath. Dabei geht es, wie er klar zum Aus­druck bringt, gar nicht um die Affairchen mit den Prak­ti­kan­tinnen. Die Hühner da inter­es­sieren gar nicht und die Auf­de­ckungen haben also offenbar ganz andere Hin­ter­gründe. Sondern es geht um den poli­ti­schen Rückhalt, den Herr Julian Rei­chelt offen­sichtlich von Herrn Mathias Döpfner erhielt – und darum wird auch Herr Döpfner bald abgeschossen:

„Demnach schrieb der Vor­stands­vor­sit­zende von Axel Springer über seinen “Bild”-Chefredakteur wörtlich (wie Smith am Montag auf deutsch noch nach­ge­reicht hat): ‚Er ist halt wirklich der letzte und einzige Jour­nalist in Deutschland der noch mutig gegen den neuen DDR Obrig­keits­staat auf­be­gehrt. Fast alle anderen sind zu Pro­pa­ganda Assis­tenten geworden.‘ Julian Rei­chelt, der letzte Kämpfer gegen einen neuen auto­ri­tären DDR-Staat? Wissend darum, wie oft diese Tona­lität sich dann in den fol­genden Monaten in der Bericht­erstattung von ‚Bild‘ nie­der­schlug, war das kein zufäl­liger Gag, sondern Kurs des Hauses.“ 

Na, also. Nennen wir doch das Kind beim Namen. Es geht bei der ganzen Sache um eine poli­tische Säu­be­rungs­aktion, wie das nun mal in einem DDR-Obrig­keits­staat ist.