„Rechte sind keine Rechte, wenn sie jemand entwenden kann. Es sind Privilegien.“ George Carlin
- Oktober 2021, The Rutherford Institute
Meinen Sie wirklich, Rechte zu besitzen? Denken Sie noch einmal darüber nach.
(von John W. Whitehead & Nisha Whitehead
Übersetzung©: Andreas Ungerer)
All jene Freiheiten, die wir schätzen – die in der Verfassung verankert sind, und die unsere Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, auf ein rechtsstaatliches Verfahren, auf Privatsphäre, auf körperliche Unversehrtheit, das Verbot von Beschlagnahme, Durchsuchungen und Inhaftierung ohne richterlichen Beschluss behaupten – bedeuten nichts, wenn es der Regierung und ihren Vertretern erlaubt ist, diese Verbote staatlichen Handelns nach Belieben zu missachten. Das ist die finstere Realität des Lebens im amerikanischen Polizeistaat.
Angesichts der andauernden Machtergreifung durch die Regierung sind unsere so genannten Rechte tatsächlich zu bloßen Formalitäten verkommen, zu Privilegien, die mit dem pauschalen Segen der Gerichte gewährt und wieder entzogen werden können. Man würde dies einen Tod auf Raten nennen, nur ist es die Verfassung, welche dieselbe Anstalt (die Rechtsabteilung der Regierung) unerbittlich ausbluten lässt, die sie (und uns) vor Regierungsmissbrauch schützen soll.
Rechtsexperten, die auf eine Handvoll politisch brisanter Fälle vor dem Obersten Gerichtshof fixiert sind, und diesen Begriff der Abtreibung, dem Waffenrecht und COVID 19-Verordnungen zuordnen, haben übersehen, dass der Oberste Gerichtshof – und die Gerichte im Allgemeinen – uns längst untreu geworden sind. Mit jedem Tag wird deutlicher, dass sich die Amerikaner nicht mehr darauf verlassen können, dass die Gerichte „dem Volk die Regierung von den Schultern zu nehmen“, wie es der Richter am Obersten Gerichtshof William O. Douglas ausgedrückt hat. Was tut unser derzeitiger Oberster Gerichtshof für gewöhnlich, wenn sich die Gelegenheit bietet, die Schlinge der Regierung zu lockern, die sich immer enger um den Hals des amerikanischen Volkes zieht? Er zieht den Kopf ein. Hüllt sich in Schweigen und spricht das kleinstmögliche Anliegen an. In den meisten Fällen gibt er der Regierung und ihren Sponsoren aus der Wirtschaft den Vorzug und scheint sich mehr um die Schaffung von Ordnung und den Schutz von Regierungsinteressen zu kümmern als um die Wahrung der in der Verfassung der Vereinigten Staaten verankerten Rechte des Volkes. Nur selten haben die Interessen der Öffentlichkeit Vorrang.
Gelegentlich werfen die Richter denjenigen einen Knochen zu, die befürchten, dass die Regierung ihre Verfassungstreue aufgegeben hat. Zu oft jedoch tendiert der Oberste Gerichtshof dazu, mit dem Polizeistaat im Gleichschritt zu marschieren. Infolgedessen sind Polizei und andere Regierungsbeamte generell befugt, jeden, den sie hierfür vorsehen, unter fast allen Umständen zu untersuchen, zu schlagen, zu kneifen, zu tasern, zu durchsuchen, zu beschlagnahmen, zu entkleiden und generell zu misshandeln. In den vergangenen Jahren hat der Gerichtshof beispielsweise entschieden, dass Polizeibeamte bei Verfolgungsjagden tödliche Gewalt anwenden können, ohne befürchten zu müssen, hierfür verklagt zu werden; Polizeibeamte können Autos nur aufgrund „anonymer“ Hinweise anhalten; Geheimdienstmitarbeiter müssen für ihre Handlungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, solange diese im Namen der „Sicherheit“ erfolgen; Bürger haben nur dann ein Recht zu schweigen, wenn sie es geltend machen; die Polizei kann Drogenspürhunde als „Durchsuchungsbefehle an der Leine“ einsetzen, die jede Art von Durchsuchung von am Straßenrand angehaltener Fahrzeuge rechtfertigen; die Polizei kann gewaltsam Ihre DNA entnehmen, unabhängig davon, ob Sie vorbestraft sind oder nicht; die Polizei kann Staatsbürger und Ausländer gleichermaßen anhalten, durchsuchen, befragen und Profile erstellen; die Polizei kann Amerikaner einer virtuellen Leibesvisitation unterziehen, unabhängig von deren „Vergehen“; die Polizei kann ohne Durchsuchungsbefehl in Häuser einbrechen, selbst wenn es sich um das falsche Haus handelt; und es ist ein Verbrechen, sich nicht auszuweisen, wenn ein Polizist Sie nach Ihrem Namen fragt.
Außerdem entschied der Oberste Gerichtshof einstimmig, dass Polizeibeamte bei routinemäßigen Verkehrskontrollen Drogenspürhunde zur Durchsuchung von Autos ohne Durchsuchungsbefehl einsetzen dürfen. Derselbe Gerichtshof gab der Polizei grünes Licht dafür, wehrlose Autofahrer zu tasern, gewaltlose Verdächtige, die wegen geringfügiger Vorfälle festgenommen wurden, Leibesvisitationen zu unterziehen und die Haustüren von Menschen aufzubrechen, ohne dass diese sich etwas zu Schulden kommen ließen.
Die Fälle, die der Oberste Gerichtshof nicht zur Entscheidung annimmt und die Urteile der unteren Instanzen aufrecht erhält, sind fast ebenso besorgniserregend wie jene, über die er entscheidet. Einige dieser Fälle haben den in der Verfassung verankerten Rechten verheerenden Schaden zugefügt. Durch sein Schweigen hat das Gericht bestätigt, dass der legale Besitz einer Schusswaffe ausreicht, um eine plötzliche Razzia ohne Durchsuchungsbefehl durch die Polizei zu rechtfertigen, es legal ist, amerikanische Staatsbürger durch das Militär festnehmen und inhaftieren zu lassen, Schüler willkürlichen Lockdowns und Massendurchsuchungen in der Schule zu unterwerfen, dass Polizeibeamte, die unwissentlich gegen das Gesetz verstoßen, unschuldig sind, Schwierigkeiten, polizeiliche Anordnungen zu verstehen, Widerstand bedeutet, der die Anwendung übermäßiger Gewalt rechtfertigt und dass die Bereiche, die unmittelbar an die eigene Wohnung angrenzen, ohne Durchsuchungsbefehl von der Polizei überwacht werden können und dortige Verhaftungen gerechtfertigt sind.
Machen Sie sich nichts vor: Wenn solche Fälle von Missbrauch ständig von einem Justizsystem bestätigt werden, das vor jeder polizeilichen Forderung kuscht, egal wie ungerecht sie ist und wie sehr sie der Verfassung widerspricht, lässt dies nur den Schluss zu, dass dieses System manipuliert ist. Durch seine Weigerung, auch nur einen von etwa acht ihm im vergangenen Jahr vorgelegten Fällen bedingter Immunität anzunehmen, in denen es darum ging, die Polizei für behördliches Fehlverhalten zur Rechenschaft zu ziehen, erinnerte der Oberste Gerichtshof in erschreckender Weise daran, dass „wir, das Volk“ im amerikanischen Polizeistaat der Gnade von Strafverfolgungsbeamten ausgeliefert sind, die über einen nahezu grenzenlosen Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber verfügen, wer eine Bedrohung darstellt, was Widerstand bedeutet und wie hart sie mit den Bürgern umgehen können, denen „zu dienen und zu schützen“ sie berufen wurden. So hält die bedingte Immunität den Polizeistaat an der Macht.
Anwälte neigen dazu, eine Menge komplizierter, verworrener Erklärungen für die Doktrin der qualifizierten Immunität anzubieten, die Regierungsbeamte vor leichtfertigen Klagen schützen sollte, aber der eigentliche Zweck der qualifizierten Immunität besteht darin, das System zu manipulieren und sicherzustellen, dass missbräuchlich handelnde Regierungsbeamte fast immer straffrei ausgehen und die Opfer von Regierungsmissbrauch quasi immer verlieren.
Wie sonst lässt sich eine Doktrin erklären, die von Opfern polizeilicher Gewalt verlangt, zu beweisen, dass ihre Täter wussten, dass ihr Verhalten illegal war, weil es in einem fast identischen Fall zu einem früheren Zeitpunkt als illegal befunden worden war? Sie ist eine Brutstätte für Fehlentscheidungen.
Ein Blick auf bedenkliche Gerichtsurteile der letzten Jahrzehnte, einschließlich der Urteile, in denen der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten den Schutz der qualifizierten Immunität für Regierungsbeamte bestätigt hat, zeigt einen erschreckenden und stetigen Trend hin zu Urteilen zugunsten des Polizeistaats durch eine Institution, die mehr damit beschäftigt ist, durch den Schutz der herrschenden Klasse und Regierungsbeamter vor Anklagen wegen Fehlverhaltens Ordnung zu schaffen, als mit der Wahrung der in der Verfassung verankerten Rechte.
Tatsächlich ist die qualifizierte Immunität, wie Reuters berichtet, „zu einem nahezu unfehlbaren Werkzeug für den Erhalt der Straffreiheit von Polizeibrutalität und für die Verweigerung der verfassungsmäßigen Rechte für deren Opfer“ geworden. Schlimmer noch, hat, laut Reuters Schlussfolgerung, „der Oberste Gerichtshof die qualifizierte Immunität zu einer oft unüberwindbaren polizeilichen Verteidigung ausgebaut, indem er in diesen Fällen meist zu Gunsten der Polizei intervenierte“.
All jenen, die eine Erinnerung daran brauchen, auf welche Weise der Oberste Gerichtshof uns zum Spielball der Gnade des amerikanischen Polizeistaats gemacht hat, will ich Folgendes anbieten.
Infolge der Gerichtsentscheidungen der letzten Jahre kann die Polizei bei Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl qualifizierte Immunität geltend machen. Die Polizei kann sich auf qualifizierte Immunität für Verhaftungen ohne Durchsuchungsbefehl aufgrund eines bloßen Verdachts berufen. Die Polizei kann sich bei übermäßiger Gewaltanwendung gegen Demonstranten auf qualifizierte Immunität berufen. Die Polizei kann sich auf qualifizierte Immunität berufen, wenn sie einem Verdächtigen auf der Flucht in den Rücken schießt. Die Polizei kann sich auf qualifizierte Immunität berufen, wenn sie auf eine geistig behinderte Person schießt. Polizeibeamte können bei Verfolgungsjagden tödliche Gewalt anwenden, ohne Klagen befürchten zu müssen. Die Polizei kann Bürger ohne begründeten Verdacht oder wahrscheinlichen Grund anhalten, festnehmen und durchsuchen. Polizeibeamte können Autos aufgrund „anonymer“ Hinweise oder wegen „verdächtigen“ Verhaltens anhalten, z. B. wegen eines umgeklappten Autositzes oder weil sie übervorsichtig fahren. Die Polizei kann Ihnen zwangsweise Ihre DNA abnehmen, unabhängig davon, ob Sie vorbestraft sind oder nicht. Die Polizei kann die Begründung „Gefahr im Verzug“ als Entschuldigung für das Erschießen unbewaffneter Personen verwenden [VPN erforderlich]. Die Polizei hat freie Hand, Drogenspürhunde als „Durchsuchungsbefehle an der Leine“ einzusetzen. Die Polizei ist nicht nur weitgehend durch qualifizierte Immunität geschützt, sondern auch die Polizeihunde sind aus dem Schneider, wenn es um deren Fehlverhalten geht.
Die Polizei kann Amerikaner, unabhängig von deren „Vergehen“, einer Leibesvisitation unterziehen. Die Polizei kann ohne Durchsuchungsbefehl in Wohnungen einbrechen, selbst wenn es die falsche Wohnung ist. Die Polizei kann Klopf- und Redetaktiken anwenden, um den Vierten Verfassungszusatz auszuhebeln. Die Polizei kann Razzien ohne Durchsuchungsbefehl durchführen, wenn sie glaubt, dass es gefährlich wäre, sich anzukündigen. Die Polizei kann rücksichtslos das Feuer auf jeden eröffnen, der „bewaffnet“ sein könnte. Die Polizei kann ein Haus während der Razzia eines Sondereinsatzkommandos zerstören, selbst wenn der Eigentümer sein Einverständnis zum Betreten und Durchsuchen des Hauses gegeben hat. Die Polizei kann einen Menschen absichtlich oder versehentlich ersticken, um sie zu überwältigen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir es mit einer landesweiten Epidemie von gerichtlich sanktionierter Polizeigewalt zu tun haben, die ungestraft gegen Personen ausgeübt wird, die keine oder nur eine geringe Gefahr darstellen.
Was bedeutet das nun für uns?
Für diejenigen, die sich der Illusion hingeben zu glauben, dass sie den amerikanischen Traum leben – in dem die Regierung das Volk vertritt, in dem die Menschen vor dem Gesetz gleich sind, die Gerichte Schiedsrichter der Gerechtigkeit sind, die Polizei den Frieden bewahrt und in dem das Gesetz gleichermaßen als Mittel zum Schutz der Rechte der Allgemeinheit angewandt wird – ist es endlich Zeit, aufzuwachen.
Wir haben längst keine repräsentative Regierung mehr oder gar einen Rechtsstaat. Freiheiten sind dem Legalismus gewichen, die Freiheit dem Faschismus. Die Justiz ist abgestumpft, verbittert und schlichtweg zu Unrecht geworden. Und für zu viele hat sich, wie ich in meinem Buch Battlefield America: The War on the American People und in seinem fiktiven Gegenstück The Erik Blair Diaries darlege, der amerikanische Traum von Freiheit und Gerechtigkeit aller in einen lebendigen Alptraum verwandelt.
Angesichts der Turbulenzen unserer Zeit, die durch staatliche Übergriffe, Militärmanöver auf amerikanischem Boden, Inlandsüberwachung, Razzien durch Sondereinsatzkommandos, Beschlagnahmung von Vermögenswerten, ungerechtfertigte Verurteilungen, profitorientierte Privatgefängnisse, Korruption in Unternehmen, COVID-Verordnungen und Städte umfassenden Lockdowns geprägt ist, war die Notwendigkeit eines Hüters der Rechte aller nie größer als heute.
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Der Verfassungsrechtler und Autor, John W. Whitehead, ist Gründer und Vorsitzender des Rutherford Instituts. Seine Bücher, Battlefield America: The War on the American People und A Government of Wolves: The Emerging American Police State, sind bei www.amazon.com erhältlich. Er ist unter johnw [at] rutherford.com erreichbar. Nisha Whitehead ist die Geschäftsführerin des Rutherford Instituts. Informationen über The Rutherford Institute sind unter www.rutherford.org erhältlich.
[Anmerkung des Übersetzers: Dieser Beitrag über einen noch ausstehenden Strafprozess gegen den Autor dieser Zeilen mag den Lesern verdeutlichen, wie weit unser Rechtsstaat deutscher Prägung von den Verhältnissen beim „Großen Bruder“ entfernt ist. :andreas.]
Quelle: https://www.rutherford.org/…
Quelle der Übersetzung: https://wp.me/pbtLuz-boGW
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