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Wenn der Rus­sische Bär aus dem Winterschlaf …

30 NATO-Schafe wundern sich, warum jetzt der Bär los ist — Wo ist der Dompteur, der ihn in seine Höhle zurück­bringt? — Jetzt ist wohl auch die EU-Per­spektive der Ukraine dahin

(von Albrecht Künstle)

Der „Rus­sische Bär“ ist nicht nur eine Schmet­ter­lingsart. Neben „Müt­terchen Russland“ ist diese Titu­lierung eine nationale Per­so­ni­fi­kation Russ­lands, die in West­europa oft während des Kalten Krieges ver­wendet wurde. Meist wurde dabei auf die geo­gra­fische Größe Russ­lands ange­spielt. Seit dem 20. Jahr­hundert wird das Symbol auch von den Russen selbst ver­wendet, z.B. als Mas­kottchen für die Olym­pi­schen Som­mer­spiele 1980 in Moskau. Der Bär findet sich auch im Logo der Partei Einiges Russland wieder. Und er war bis vor Kurzem auch beliebt als Zirkustier.

In freier Wildbahn ist der Bär relativ unge­fährlich – solange er genügend Lebensraum hat und man ihm nicht zu nah kommt oder ihn gar angreift. Manche Bären sind auch geduldig und merken erst spät, wenn ihnen jemand auf den Pelz rückt. Und je nachdem wie der Wind steht, kann man Glück haben, ihm sehr nahe kommen zu können, bevor er Wit­terung auf­nimmt und – sich ent­weder davon­trollt, wenn er satt ist – oder zum Angriff übergeht. Wenn man Pech hat greift er auch dann an, wenn er satt ist. Aber eigentlich will er nur seine Ruhe haben. Der Bär ist ein Raubtier, das ihn von uns Men­schen so unter­scheidet: Raub­tiere sind fast zahm solange sie satt sind. Aber Men­schen­rudel werden für andere oft auch dann gefährlich, wenn sie satt sein sollten.

30 Jahre lang hat sich der rus­sische Bär gefallen lassen, dass man sein Tier­gehege ver­kleinert. Es ging ihm noch nicht wirklich ans Leder, bzw. an den Pelz. Und als man sich als NATO dem Bären­gehege bis auf Sicht­weite näherte, brummte der Bär zwar, aber das war‘s dann erst einmal. Einmal wurde er aber „Krimmig“ und holte sich ein Stück Beute zurück, das zuvor ein Art­ge­nosse im Über­schwang an Groß­zü­gigkeit anderen über­lassen hatte. Irgendwie scheint der rus­sische Bär sich nicht mehr wohl­zu­fühlen. Obwohl die immer zahl­rei­cheren Kon­kur­renten im Westen, Süden und auch östlich (jen­seits der Bering­straße ist Alaska/USA keine 100 km ent­fernt) trotz ihrer Arsenale eher als Herde von 30 „fried­fer­tigen“ Schafen gilt. Aber ein Bär hat eine gute Nase und der rus­sische glaubt, 29 Wölfe im Schafspelz zu wittern (alleine das deutsche Schaf kann kein Wolf sein, es hat keine Zähne).

Jetzt plötzlich fängt dieser rus­sische Bär an zu beißen, nachdem die 30 NATO-Schafe glaubten, der rus­sische Bär habe lange genug Zeit gehabt, sich an ihr Nähe zu gewöhnen. Warum aber auch zieht er sich nicht in seine Höhle zurück? Viel­leicht weil die Bären­höhle keinen Ausgang hat, aus dem er fliehen kann? Aber auch wenn, er wäre doch in seiner Höhle nicht ver­hungert; die Roh­schinken bzw. die Roh­stoffe die er uns überließ haben wir ihm sogar bezahlt. Was will dieses Viech mehr? Aber nein, jetzt ran­da­liert der Bär und reißt den Zaun seines Geheges nieder.

Nun brauchen wir einen Dompteur, der den Bären wieder beru­higen kann. Gäbe es einen Bären­dol­met­scher, müsste dieser über­setzen: Zieh du Bär deine Tatzen mit den scharfen Krallen wieder zurück, und wir 30 Schafe über­legen uns nochmal, ob unsere Herde nicht groß genug ist, dir und deinen Mit-Bären schlaflose Nächte zu bereiten. Über­haupt sollte dem Rus­si­schen Bären gesagt werden, dass ein guter Bär eine Win­terruhe ein­zu­halten hat, will er nicht als Pro­blembär ange­sehen werden.

Zum Schluss einige noch ernst­haftere Sätze: Der Ukraine steht es wie anderen Völkern und Ländern zu, Bünd­nissen ange­hören zu wollen. Das gilt für Wirt­schafts­bünd­nisse wie die EU, auch Mili­tär­bünd­nissen wie die NATO. Aber diese Bünd­nisse müssen eben­falls das Recht haben, Bei­tritts­wünsche dankend abzu­lehnen solange sie begründet sind. So hatte und hat die EU das Recht, die Auf­nahme der (asia­ti­schen) Türkei abzu­lehnen. Und Deutschland hat das Recht, die For­derung der Ukraine nach Waf­fen­lie­fe­rungen abzu­lehnen – es bekam Mil­li­arden von uns, mit denen sich die Regierung auch mit solchen eindeckte.

Genauso muss die NATO das Recht haben, die Ukraine als 31. Mit­glied abzu­lehnen. Hätte die NATO das getan, hätte Putins Russland kaum in der Ukraine inter­ve­niert. Und nun ver­hindert, dass deren Regierung wei­terhin der NATO bei­treten will. Jetzt ist nicht nur Selen­skyis Traum als NATO-Player dahin; jetzt hat dieser gelernte Schau­spieler wahr­scheinlich auch die Per­spektive ver­eitelt, einmal der EU anzugehören.

Das euro­päische Wirt­schafts­bündnis wäre für das Ukrai­nische Volk besser gewesen als die trans­at­lan­tische NATO-Zuge­hö­rigkeit. Bleibt nur hoffen, dass der offene Krieg schnellstens zu Ende geht, bei dem es keine Sieger geben wird.

Der nächste Artikel gilt dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Völker, dem Donbass und ähn­lichen Regionen in Europa und auf dem Globus.

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