Latein­ame­ri­ka­ni­sches Öl und Gas als Instru­mente der Politik

Der aktuelle Stand und die Ent­wick­lungs­per­spek­tiven des Erdöl- und Erd­gas­kom­plexes der latein­ame­ri­ka­ni­schen Länder, die Politik Vene­zuelas zur Nutzung des Erd­öl­reichtums als Instrument zur Stärkung seines Ein­flusses in der Region sind heut­zutage wegen der Sank­tionen gegen Russland in aller Munde.

Die Mög­lich­keiten, Öl als Instrument in den Bezie­hungen zu anderen Ländern der Region zu nutzen, sowie vom Ölhandel mit Öl Profit zu pro­fi­tieren, werden immer größer. Mit Aus­nahme von Zen­tral­amerika und der Karibik ist Latein­amerika eine ener­gie­reiche Region. Es verfügt über 10 Prozent der welt­weiten Ölre­serven, ver­glichen mit 2,5 Prozent in Nord­amerika (ohne Mexiko), 9,3 Prozent in Afrika, 8 Prozent in Ost­europa, 4 Prozent in Asien und 1,6 Prozent in West­europa. Beim Gas sieht es nicht so gut aus, denn die Region verfügt nur über 4 % der weltweit nach­ge­wie­senen Reserven, aber ihr Anteil am Ver­brauch liegt darunter.

Nach­frage und Angebot von Öl und Gas in der Region vari­ieren von Land zu Land erheblich. Obwohl Vene­zuela unter den latein­ame­ri­ka­ni­schen Ländern über die reichsten Res­sourcen verfügt, sind auch Mexiko, Kolumbien, Ecuador und Tri­nidad und Tobago Ölex­por­teure, während Argen­tinien, Bolivien und Bra­silien aus­rei­chende Mengen pro­du­zieren, um den Bedarf ihres hei­mi­schen Marktes zu decken. Peru ist auf dem Weg zur Aut­arkie. Die Liste der Net­to­im­por­teure von Erdöl umfasst Paraguay und Uruguay in Süd­amerika sowie alle mit­tel­ame­ri­ka­ni­schen und kari­bi­schen Länder mit Aus­nahme von Tri­nidad und Tobago und Belize. Auch Kuba, Gua­temala und Bar­bados pro­du­zieren Öl, aller­dings in Mengen, die den hei­mi­schen Bedarf nicht decken.

Ecuador verfügt über 0,4 % der welt­weiten Erd­öl­re­serven. Erdöl ist für die Wirt­schaft des Landes von ent­schei­dender Bedeutung und macht mehr als 30 % seiner Aus­fuhren aus. Mit Aus­nahme Vene­zuelas gibt es keine andere Volks­wirt­schaft in der Region, in der Öl einen so großen Teil der Export­basis aus­macht. Es stimmt, dass das staat­liche Unter­nehmen Pet­roecuador (die größte Erd­öl­ge­sell­schaft des Landes) immer wieder für seine nied­rigen Preise kri­ti­siert wurde.

Kolumbien ist ein Net­to­ex­porteur von Ener­gie­res­sourcen und führt erheb­liche Mengen an Erdöl aus. Die reich­hal­tigen Gas­re­serven reichen aus, um den Westen Vene­zuelas sieben Jahre lang zu ver­sorgen. Kolumbien verfügt über riesige Reserven an hoch­wer­tiger Kohle und ist reich an Was­ser­kraft­res­sourcen, die es dem Land zusammen mit Gas ermög­lichen, ein wich­tiger Akteur im Ener­gie­sektor zu werden, ins­be­sondere in Mit­tel­amerika und Mexiko.

Die kolum­bia­nische Ölin­dustrie zeigt jedoch besorg­nis­er­re­gende Anzeichen des Nie­der­gangs. Die Pro­duktion, die im Jahr 2000 bei 820.000 Barrel pro Tag lag, ging zwi­schen 2004 und 2008 dras­tisch auf rund 520.000 Barrel pro Tag zurück. Es wird befürchtet, dass das Land ab etwa 2025 nicht mehr in der Lage sein wird, ein Net­to­ex­porteur von Erdöl zu sein. Dies ist insofern von Bedeutung, als zwi­schen 1996 und 2007 25,6 % der gesamten kolum­bia­ni­schen Aus­fuhren auf Rohöl entfielen.

Mexiko verfügt zusammen mit Vene­zuela über die größten Reserven unter den latein­ame­ri­ka­ni­schen Ländern. Das Land verfügt über 1,4 % der welt­weiten Reserven und nutzt die Res­source inten­siver (5 % des welt­weiten Angebots), so dass sein Anteil an den Aus­fuhren höher ist als der an den Reserven.

Auf Vene­zuela ent­fallen dagegen nur 3,9 % der Welt­pro­duktion, während es 6,8 % der Reserven besitzt. Da der Inlands­ver­brauch Mexikos sehr hoch ist, ist der Anteil der Roh­öl­ex­porte am Gesamt­ver­brauch gering: nur 9,5 %. Argen­tinien und — mit gewissen Ein­schrän­kungen — Bolivien sind bei der Ölpro­duktion autark. Auch Bra­silien steht seit 2006 auf dieser Liste.

Argen­tinien verfügt über 0,3 % der welt­weiten Erd­öl­re­serven. Streng genommen war das Land ein Net­to­ex­porteur von Öl. Von 1995 bis 2008 betrug der Anteil der argen­ti­ni­schen Roh­öl­ex­porte 11,5 % des Gesamt­vo­lumens des Landes. Dennoch deckt jetzt die argen­ti­nische Ölpro­duktion nicht die wach­sende Inlands­nach­frage, so dass der Beitrag des Öls zur Han­dels­bilanz weiter sinken wird.