Bundesarchiv, Bild 183-R83900 / CC-BY-SA 3.0,https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

8. Mai 1945/US-Direktive 1067 belegt: „Deutschland nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als besiegter Feind­staat!“ — Teil 4

In ver­schie­denen euro­päi­schen Ländern wird der 8. Mai als der „Tag der Befreiung“ vom Natio­nal­so­zia­lismus, der bedin­gungs­losen Kapi­tu­lation der deut­schen Wehr­macht und damit das Ende des Zweiten Welt­krieges gedacht. Der deutsche His­to­riker Hubertus Knabe schrieb  hin­sichtlich dieser „Befreiung“:

„(…). die Deut­schen waren weit davon ent­fernt, den alli­ierten Streit­kräften jubelnd ent­ge­gen­zu­laufen. Dazu trug nicht nur das scho­ckie­rende Ver­halten der Rot­ar­misten gegenüber der Zivil­be­völ­kerung bei. Vielmehr iden­ti­fi­zierte sich die Bevöl­kerung bis zum bit­teren Ende mehr­heitlich mit dem Regime der Natio­nal­so­zia­listen. Im Unter­schied zu vielen anderen Ländern kam es in Deutschland weder zur Bildung von Par­ti­sa­nen­ein­heiten noch zu lokalen Auf­ständen. Auch der Wider­stand blieb marginal.“

Weiter: „Als die Deut­schen endlich nie­der­ge­rungen waren, dachten die Alli­ierten fol­ge­richtig nicht daran, ihnen nun die Freiheit zu schenken. Bedin­gungslose Kapi­tu­lation bedeutete vielmehr, dass Deutschland jedes Recht ver­loren hatte, über seine Zukunft selbst zu befinden. Aus­län­dische Truppen besetzten sein gesamtes Ter­ri­torium. In der Ber­liner Erklärung vom 5. Juni 1945 legten die vier Alli­ierten fest, dass sämt­liche Regie­rungs­gewalt bis hin­unter zu den Kom­munen bei den Besat­zungs­mächten lag. Jede – auch anti-nazis­tische – poli­tische Betä­tigung musste von ihnen genehmigt werden. Die Situation im Mai 1945 ähnelte mehr einer Mili­tär­dik­tatur als einem demo­kra­ti­schen Neubeginn.“

Und: „Für Mil­lionen Deutsche bedeutete das Kriegsende sogar das Gegenteil von Befreiung. Durch die Kapi­tu­lation der Wehr­macht gerieten die meisten deut­schen Sol­daten in Gefan­gen­schaft, am Ende waren es elf Mil­lionen. Mehr als zwölf Mil­lionen Deutsche wurden zudem aus ihrer Heimat in den Ost­ge­bieten und in Ost­mit­tel­europa ver­trieben. Auch in den vier Besat­zungs­zonen wurden Hun­dert­tau­sende Zivi­listen ver­haftet. Die Sowjet­union instal­lierte in ihrer Zone bruchlos eine neue Dik­tatur, die bis 1989 fortbestand.“

Quelle: https://hubertus-knabe.de/75-jahre-kriegsende/

In der Tat war das Kriegsende eine „Befreiung“ für die Häft­linge in den deut­schen Kon­zen­tra­ti­ons­lagern, den aus­län­di­schen Kriegs­ge­fan­genen und Zwangs­ar­beitern, ebenso wie für die inner­deut­schen Gegner des Nazi-Regimes.

Der bri­tische Premier Winston Chur­chill schrieb in einem Brief an seinen Außen­mi­nister Anthony Eden vom 11. Juli 1944 zum Genozid an den Juden:

„Es besteht kein Zweifel, dass es sich hier um das wahr­scheinlich größte und schreck­lichste Ver­brechen der ganzen Welt­ge­schichte handelt, das von angeblich zivi­li­sierten Men­schen im Namen eines großen Staates und eines füh­renden Volkes Europas mit wis­sen­schaft­lichen Mitteln verübt wird.“

Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/8‑mai-70-jahrestag-des-endes-des-zweiten-weltkrieges-in-europa-gedenkstunde-im-plenarsaal-des-deutschen-bundestages-ansprache-von-professor-dr-heinrich-august-winkler–805330

Das gilt bis heute!

Dennoch ist der 7./8. Mai 1945 für die Deut­schen im engen Sinne zwar ein Tag der Befreiung vom NS-Regime, aber ansonsten der Tag der bedin­gungs­losen Kapi­tu­lation, der Besetzung eines Feind­staates durch die Alli­ierten, ganz abge­sehen vom Leid von 14 Mil­lionen (bis 20 Mil­lionen) Ver­trie­benen und einer anschlie­ßenden Militärdiktatur.

Und nicht zu ver­gessen: Diese „Befreiung“ brachte für die Ost­deut­schen für viele Jahr­zehnte eine neue Dik­tatur, nämlich die unter der SED!

Die Direktive an den Ober­be­fehls­haber der US-Besat­zungs­truppen in Deutschland (JCS 1067) (April 1945) belegt dies eindeutig!

Wie der Begriff „Befreiung“ über­haupt in die bun­des­deut­schen Köpfe kam, beschreibt His­to­riker Knabe:

„In der Bun­des­re­publik setzte die Umdeutung des Kriegs­endes erst sehr viel später ein. Eine Zäsur bildete dabei die Rede des christ­de­mo­kra­ti­schen Bun­des­prä­si­denten Richard von Weiz­säcker von 1985. Bei einer Gedenk­stunde zum vier­zigsten Jah­restag der Kapi­tu­lation erklärte er im Deut­schen Bun­destag: ‚Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem men­schen­ver­ach­tenden System der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewaltherrschaft.‘“

Und: „Diese Fest­stellung war umso bemer­kens­werter, als von Weiz­sä­ckers Vater bei den Nürn­berger Kriegs­ver­bre­cher­pro­zessen wegen Ver­brechen gegen die Mensch­lichkeit zu sieben Jahren Haft ver­ur­teilt worden war und er selbst ihn damals mit ver­teidigt hatte (…)Nach von Weiz­sä­ckers Rede wurde die Fiktion eines anti­fa­schis­ti­schen Deutschland, das von den Alli­ierten befreit worden sei, auch in West­deutschland begierig auf­ge­griffen. Nach und nach avan­cierte sie fast zu einer Art Staats­räson der Bundesrepublik.“ 

Quelle: https://hubertus-knabe.de/75-jahre-kriegsende/


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de