Das letzte Abendmahl des italienische Malers, Bildhauers und Naturphilosophen Leonardo da Vinci ist geheimnisvoll und wunderbar bis zum jüngsten Tag. Das Gemälde wurde zwischen den Jahren 1494 bis 1497 im Auftrag des Mailänder Herzogs Ludovico Sforza geschaffen und gilt als Höhepunkt des malerischen Schaffens Leonardos.
(von Frank Schwede)
Der Meister hinterließ in diesem Werk der Nachwelt viele bis heute unbeantwortete Fragen in Gestalt versteckter Botschaften, die auch den US Schriftsteller Dan Brown inspirierten. Aber: hat der große Meister neben seiner zahlreichen Botschaften möglicherweise auch sich selbst verewigt?
Leonardo da Vinci war ein Genie auf nahezu allen Gebieten. Ob in der Naturphilosophie, in der Bildhauerei, als Erfinder und natürlich auch als Maler. Drei Jahre ließ sich der Meister Zeit für sein mit Abstand größtes Werk: Das letzte Abendmahl. Es ziert die Nordwand des Refektoriums des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie in Mailand.
Das Gemälde misst 422 cm x 904 cm und zeigt Jesus in der Mitte mit den zwölf Aposteln, unmittelbar nachdem dieser ihnen beim letzten gemeinsamen Essen am Vorabend seiner Kreuzigung gesagt hatte: „Einer von euch wird mich verraten.“
Leonardos Werk ist eine Momentaufnahme. Es skizziert die Reaktion der Apostel und friert sie geradezu ein. Wie auf einer Photographie. Das ist an Genialität kaum zu überbieten. Da sind zu links Bartholomäus, Jacob und Andreas. Sie stecken ihre Köpfe zusammen und sind scheinbar überrascht.
Daneben sehen wir Judas Ischariot im Schatten, – auch er fühlt sich kalt erwischt von der Offenbarung des Herrn. In der horizontalen Linie ist er der niedrigste in der Malerei. Petrus ist wütend und Johannes scheinbar ohnmächtig, wobei Johannes der geheimnisvollste der zwölf Apostel ist. Doch dazu später mehr.
Links neben Jesus steht erhobenen Zeigefingers Thomas. Was denkt er, was sagte er? Wir wissen es nicht. Es wird aber vermutet, dass er nicht an eine Auferstehung zweifelte.
Jakob der Ältere macht einen betrübten Eindruck und hebt seine Arme. Und Philippus? Der scheint von Jesu eine Erklärung zu fordern. Dann sind da noch Thaddäus und Matthäus, die sich Simon zuwenden und tuscheln.
Vielleicht versuchen sie gemeinsam herauszufinden, ob er eine Antwort weiß. Auffällig ist, dass auf dem Gemälde das wichtigste Utensil fehlt, dass eigentlich bei keinem Abendmahl in der Kirche fehlen darf: der Wein.
Ein Abendmahl ohne Wein?
Was dachte sich Leonardo dabei, dass er den Wein einfach wegließ? Geschah dies aus reiner Schludrigkeit, oder hat sich der Meister auch hierbei etwas gedacht – wieder so eine versteckte Botschaft?
Leonardo hat eine Notiz hinterlassen, in der er die unterschiedliche Haltung der Jünger genau beschreibt. Möglicherweise finden wir ja darin eine Antwort:
„Einer, der gerade trinken wollte, aber den Becher auf seinem Platz stehen ließ und den Kopf dem Erzählenden zuwandte. Ein anderer, die Finger seiner Hände verschränkend und die Stirn runzelnd, wendet sich seinem Nachbarn zu. Ein anderer, mit offenen Händen, zeigt die Handfläche, hebt die Schultern gegen die Ohren und öffnet den Mund vor Erstaunen. Ein anderer sagt seinem Nächsten etwas ins Ohr, und dieser, der lauscht, dreht sich ihm zu und schenkt ihm Gehör, in einer Hand ein Messer, in der andern das mit diesem Messer durchgeschnittene Brot.
Ein anderer, mit einem Messer in der Hand, wirft beim Umdrehen mit dieser Hand einen Becher vom Tisch um. Ein anderer legt die Hände auf dem Tisch und starrt vor sich hin. Ein anderer bläst auf seinem Bissen. Ein anderer beugt sich vor, um den Erzählenden zu sehen, und beschattet dabei mit der Hand seine Augen. Ein anderer tritt hinter den zurück, der sich vorbeugt, und schaut zwischen der Wand und dem Vorgebeugten auf den Erzählenden.“
Wenden wir uns nun der geheimnisvollsten Person dieses Werkes zu: Johannes, der Jesus zur Rechten sitzt. In der kirchlichen Tradition wird Johannes mit dem Lieblingsjünger Jesus aus dem Johannes-Evangelium identifiziert.
Johannes stand als einziger Jünger unter seinem Kreuz. Er ist mit sich im Reinen, weil er weiß, dass niemand ihn verdächtigen wird. So sitzt er still da und scheint das Geschehen zu betrauern, – oder gibt es möglicherweise noch einen ganz anderen Grund, den wir nicht kennen?
Beim genauen Betrachten des Ausschnitts fällt im Vergleich mit den anderen Jüngern bei Johannes sofort das lieblich, feine Antlitz, die anmutige Kopfhaltung und die eindeutig weiblich harmonischen Gesichtszüge und das lange gepflegte Haar auf.
Wenn man den Bildausschnitt vergrößert oder mit der Lupe betrachtet, könnte man glauben, dass sogar ein Brustansatz zu erkennen ist. Warum malte Leonardo eine Frau? Spätestens seit der US Schriftsteller Dan Brown seinen Thriller Da Vinci Code veröffentlich hat, stellt sich die ganze Welt diese Frage.
Der über vierzig Millionen Mal verkaufte Bestseller, der 2006 mit Tom Hanks in der Hauptrolle verfilmt wurde, hat zu kontroversen Diskussionen geführt. Brown behauptet nämlich: Jesus war mit Maria Magdalena verheiratet und er war sogar Vater.
Weiter schreibt der Autor, dass seine Nachkommen bis heute überlebt hätten und in Frankreich angesiedelten. Brown: „Die Ehe zwischen Jesus und Maria Magdalena ist eine historisch verbürgte Tatsache.“
Brown behauptet, dass die katholische Kirche die Familie Jesu verfolgt und verleumdet habe und dass bereits Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert „tausende Handschriften“ habe vernichten lassen, die von der Familie Jesu berichten.
In Auftrag des Kaisers seien schließlich die heute vier bekannten Evangelien geschrieben worden, die im Wesentlichen das wahre Leben und Wirken Jesus verfälschten. Nur in den Schriftrollen von Qumran und in den Schriftfunden von Nag Hammadi in Ägypten sei die Wahrheit über Jesus Familie zu finden.
Dass Maria Magdalena und Jesus ein Paar gewesen seien, habe Leonardo da Vinci laut Brown in seinem Werk „Das letzte Abendmahl“ verschlüsselt weitergegeben – daher auch der englische Originaltitel Da Vinci Code.
Demnach sitzt also nicht der Lieblingsjünger Johannes an Jesus Seite, sondern Maria, was auch die brutale Geste der neben stehenden Person in Gestalt von Petrus erklären würde, der die Kirche symbolisiert, und gewillt zu seien scheint, Maria den Kopf abzuschneiden.
Brown spricht in seinem Thriller von der größten Verschleierungsaktion in der Geschichte der Menschheit: Geheimgesellschaften hätten gemeinsam mit den fränkischen Merowingerkönigen, den Templern, den Freimaurern und dem „Prieuré de Sion“ das explosive Wissen über all die Jahrhunderte verschwiegen, das den christlichen Kirchen nach Veröffentlichung das Genick brechen würde.
Brown betont zwar, dass die Handlung frei erfunden sei, nicht aber die erwähnten religiösen Dokumente und Tatsachen. Hat Brown recht mit seinen Behauptungen? In der Tat gibt es Texte aus frühchristlicher Zeit, in denen Maria Magdalena als Gefährtin Jesu beschrieben wird.
Einige dieser Schriften wurden erst im vergangenen Jahrhundert entdeckt. Dazu gehören unter anderem dreizehn Pergamentrollen, die in einem Tonkrug im Jahr 1945 im oberägyptischen Nag Hammadi gefunden wurden.
Die Rollen enthalten bis dahin unbekannte Berichte über das Leben Jesus in koptischer Sprache. Im Philippus-Evangelium aus dem 4. Jahrhundert steht: „Die Gefährtin Christi ist Maria, die aus Magdala. Der Herr liebte Maria mehr als alle Jünger und er küsste sie häufig auf den Mund. Als die Jünger das sahen, sagten sie ihm: ‚Warum liebst du sie mehr als uns alle?“
Das passt auch zu dem Fund eines kleinen gelblich-braunen Papyrus-Fragments aus dem vierten Jahrhundert nach Christi Geburt, das gerade mal 3,8 mal 7,6 Zentimeter misst und kleiner ist als eine Visitenkarte.
Auf beiden Seiten befinden sich nur acht Zeilen, die ebenfalls in koptischer Sprache verfasst wurden. Auf der Vorderseite wurden in verblasster Tinte Teile eines Gesprächs der Jünger mit Jesus notiert, worin es um Maria und ihre Stellung im Jüngerkreis geht.
Dann aber wird es interessant: in einer weiteren Zeile steht: „Jesus sagte zu ihnen: ‚meine Frau‘.“ Der Papyrus wurde erstmals 2012 in Rom der Öffentlichkeit präsentiert. Die US amerikanische Historikerin Karen King geht davon aus, dass das Schriftstück echt ist und hält es deshalb für möglich, dass Jesus tatsächlich mit Maria Magdalena verheiratet war.
Ein Museum in den USA hat fünf Fragmente der berühmten Schriftrollen vom Toten Meer aus seiner Ausstellung entfernt. Die Fragmente seien gefälscht, teilte das Bibelmuseum in Washington am Montag mit.
Das Museum hatte die deutsche Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung (BAM) um eine Untersuchung gebeten. Die deutschen Experten kamen zu dem Schluss, dass die Fragmente nicht alt genug sind. Die 900 zwischen 1947 und 1956 in den Höhlen von Qumran am Toten Meer entdeckten Manuskripte beinhalten einige der ältesten bekannten Bibeltexte in hebräischer Sprache. Die ältesten Dokumente werden auf das dritte Jahrhundert vor Christus datiert, die jüngsten auf das erste Jahrhundert nach Christus.
Das Bibelmuseum in Washington hatte die fünf Fragmente, die sich nun als Fälschungen herausstellten, seit seiner Eröffnung im November 2017 ausgestellt. Sie waren allerdings mit einem Hinweise auf die noch laufende Echtheitsprüfung versehen.
Frühere Studien hatten die Echtheit angezweifelt. Der Forscher Kipp Davis von der Trinity-Western-Universität in Kanada erklärte etwa, mindestens sieben der ausgestellten Fragmente seien „moderne Fälschungen“. Das Museum schickte die fünf Fragmente schließlich für eine Überprüfung an das BAM in Berlin.
Auch Dan Brown zog in seinem Roman den Schluss, dass Maria die Ehefrau Jesus war, – und: dass das Paar Kinder hatte, weil es sich damals so gehört hat, dass ein Mann um die 30 in einer jüdischen Gemeinde verheiratet war und Nachwuchs hatte.
In gleich mehreren Schriften wird Maria als hervorragende Gesprächspartnerin und rechte Hand Jesus beschrieben, weil sie die meisten Fragen stellt und von Jesus vor all den anderen gelobt wird und weil sie nach seinem Tod die Missionsgebiete unter den Jüngern verteilt. Brown glaubt darin zu erkennen: „Jesu war sozusagen der erste Feminist.“.
Jetzt verstehen wir auch die von Leonardo geschickt in Szene gesetzte aufbrausende Wut Petrus, der Maria offenbar mit dem Messer an die Gurgel will. Denn laut der Evangelien hat Jesus nicht Petrus zum Verwalter seiner Kirche eingesetzt, sondern Maria. Das brachte Petrus natürlich in Rage.
Im Thomasevangelium wird in Vers 114 überliefert, dass Petrus „Mariham“, also Maria Magdalena, aus der Mitte der Jünger fortschicken wollte mit der
Begründung“ Frauen sind des Lebens nicht würdig“.
Darauf soll Jesus geantwortet haben: „Seht, ich werde sie ziehen, um sie männlich zu machen“, Jede Frau, die sich männlich macht, wird in das Himmelreich gelangen.“
Gemäß der offiziellen Version der Kirche ist Petrus jener Jünger, mit dem Jesus seine Kirche gründen wollte. In Wahrheit aber war es Maria. Leonardo wusste das und setzte Maria ganz bewusst zur Rechten des Herrn. Brown schreibt dazu:
„Zur Abwehr der nachhaltigen Bedrohung stellte die Kirche Maria Magdalena beharrlich als Dirne dar und vernichtete sämtliche Dokumente, die sie als Gattin Christi ausweisen konnte.“
War Maria wirklich mehr als nur eine Gefährtin? Ein klares Ja wird es nicht geben können, denn im Aramäischen bedeutet „Gefährtin“ nicht automatisch „Ehefrau“. Gefährtin kann hier auch auf rein geistlicher Ebene zu verstehen sein.
Wenn Maria tatsächlich nur eine spirituelle Gefährtin Jesus war, hätte der Kuss keine erotische, sondern eher eine rein spirituelle Bedeutung gehabt, denn im Philippus-Evangelium steht der Kuss stellvertretend für die Weitergabe spirituellen Wissens.
Die Rolle der Frau in der Kirche
Es ist davon auszugehen, dass Leonardo da Vinci die ganze Wahrheit kannte und es ist sogar mehr als Wahrscheinlich, dass die Person an Jesus Seite tatsächlich Maria Magdalena ist.
Wenn die Theorie stimmt, dann haben wir es hier mit einer bewusst falschen Interpretation des Gemäldes zu tun, die auf das Konto der katholische Kirche gehen könnte – und das aus gutem Grund.
Frauen dürfen bis heute in der katholischen Kirche keine Rolle spielen. Die maskuline Dominanz bis hin zum Zölibat für Priester und Mönche verbietet das nämlich, – ganz anders ist das in gnostischen Gemeinden, wo sehr wohl die Frau tragende Rollen übernehmen darf.
In Anbetracht dieser Tatsache hat also eine Frau auf Leonardo da Vincis Gemälde nichts verloren. Und so wurde eben aus Maria Johannes. Wäre Petrus auch Johannes ans „Leder“ gegangen? Wohl kaum.
Paulus hat Jesus Lieblingsjüngerin und vielleicht Ehefrau schlicht ignoriert. Die Frau, die ihm bis zu seinem bitteren Ende am Kreuz die Treue hielt. Doch trotz aller erdrückender Beweise wird die Antwort auf die Frage, ob tatsächlich eine Frau zur Rechten Jesus sitzt, wohl für immer ein Geheimnis bleiben und der Phantasie des Betrachters überlassen bleiben..
Wo wir gerade beim Thema Phantasie sind: beim genauen Betrachten des Werkes fällt noch etwas auf, – nämlich bei der Dreiergruppe ganz rechts am Tisch.
Was ist da los?
Hat sich der Meister da etwa selbst ein Denkmal gesetzt? Man könnte fast auf die dumme Idee kommen, dass sich Leonardo in Gestalt des Apostel Thaddäus als Jünger hinein gemalt hat.
Er wendet Jesus den Rücken zu und diskutiert munter mit der in weiß gehüllten Person in Gestalt von Simon Zelotes am Tischrand, welche auf den ersten Blick kein Geringerer als der griechische Philosoph Platon zu sein scheint.
Am rechten Bildrand gibt es aber noch mehr zu entdecken, eine weitere mögliche versteckte Botschaft von Leonardo: Der Knoten am Ende des weißen Lackens. Auf Italienisch übersetzt heißt Knoten Nodo, was in Italien eine enge Verbindung zur Familie bedeutet. Was will Leonardo damit zum Ausdruck bringen?
Ist das vielleicht eine Anspielung auf die Familie Jesus oder betrachtet er lediglich die illustre Runde der Jünger am Tisch als eine große Familie? Auch das wissen wir nicht. Apropos Familie: Es gibt sogar Beobachter, die glauben, dass Leonardo in Judas geschickt das gemeinsame Kind von Maria und Jesus versteckt hat, was zugegeben ebenfalls sehr viel Phantasie erfordert.
Ein weiteres nicht ganz unwichtiges Detail, das ebenfalls viel Interpretationsspielraum bietet, ist die Farbe der Kleider der beiden Hauptfiguren Maria Magdalena und Jesus. Beide sind ganz in blau und rot gekleidet, was ein weiterer Hinweis sein kann, dass sie mehr als nur eine platonische Beziehung auf geistiger Ebene pflegten.
Zu dem Gemälde gibt es auch eine interessante Bemerkung der Restauratorin Pinin Brambilla Barcilon, die das Originalfresko in Mailand bearbeitet hat. Auf der Kopie des Abendmahls, das in der Abtei Tongelo bei Westerlo in der Provinz Antwerpen in Belgien zu sehen ist, fand sie heraus, dass neunzig Prozent des Gemäldes nicht von da Vinci selbst, sondern von seinen Schülern gefertigt wurden.
Allerdings gibt es laut Barcilon zwei Figuren, die vom Meister höchst persönlich in Szene gesetzt wurden: Jesus und der Apostel Johannes. Hieran erkennen wir, wichtig da Vinci diese beiden Figuren waren.
Dass heißt auch, dass da Vinci aufgrund der vielen kleinen Details die apokryphen Evangelien genau kannte, dass er wusste, dass sie von der Kirche verworfen und von der Geschichte gelöscht wurden – so, als ob es sie nie gegeben hätte.
Leonardo da Vinci war in der Tat das größte Genie der Renaissance. Ob seine Werke „Mona Lisa“, die „Madonna mit der Nelke“ oder die Proportionsstudie „Der vitruvianische Mensch“, die die Rückseite der italienischen Ein-Euro-Münze ziert – sie alle zeigen auf geradezu eindrucksvolle Weise , dass der Meistro nahezu übernatürliche Begabungen hatte, die noch ganze Generationen ins Staunen versetzen werden.
Quelle: pravda-tv.com