Der britische Historiker Keith Lowe erklärt: „In den Jahren nach dem Krieg wurden die Bemühungen des (einstigen/d.A.) NS-Regimes fortgesetzt, die verschiedenen ethnischen Gruppen zu kategorisieren und voneinander zu trennen. In den Jahren 1945 bis 1947 wurden mehrere Millionen Menschen aus ihren Heimatländern vertrieben. Diese ethnischen Säuberungen zählen zu den größten der Geschichte. Darüber sprechen die Bewunderer des ‚europäischen Wunders‘ nur selten, was vor allem daran liegt, dass die wenigsten von ihnen verstehen, was damals wirklich geschah.“
Und: „Aber kein Exodus einer ethnischen Gruppe war so dramatisch wie jener von mehreren Millionen Deutschen, die im Jahr 1945 vor der anrückenden Roten Armee aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern flüchteten und leere Landstriche und Geisterstädte hinterließen.“ Tausende wurden wie „Vieh“ in den Grenzgebieten hin- und hergetrieben, da niemand bereit war, sie aufzunehmen.
(Quelle: Keith Lowe: „Der wilde Kontinent – Europa in den Jahren der Anarchie 1943–1950“, Stuttgart 2014, S. 14, 41, 295).
Tatsächlich wurde noch nie eine so große Zahl von Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Vertreibung der Deutschen stellt somit wohl die größte Volksvertreibung der Weltgeschichte dar!
Offiziell heißt es, dass etwa 14 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Doch diese Zahlen sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten. Manche Statistiken sprechen von über 16,5 Millionen Deutsche, die in und aus Ostdeutschland, Ost- und Südeuropa (ohne die Sowjetunion in den Grenzen von 1937) vertrieben oder deportiert wurden. Davon sollen für das Reichsgebiet von 1937 9,29 Millionen Menschen entfallen, auf Danzig, Memel, Sudetenland und die anderen Regionen rund 7,25 Millionen. Eine Schätzung des Schweizerischen Roten Kreuzes spricht gar von insgesamt 18,1 Millionen Vertriebenen.
Bei diesen Zahlen handelt es sich um die alteingesessenen Bewohner der vorgenannten Gebiete, vermindert um die Kriegsverluste (gefallene Soldaten, Bombenopfer etc.). Dabei fehlen die nach 1939 Zugezogenen (z.B. Böhmen und Mähren rund 400.000 Reichsdeutsche, Sudetenland über 200.000 und Danzig und den polnisch besetzten Gebieten 460.000 bis 590.000, insgesamt rund 1 bis 1,5 Millionen) und Luftkriegsevakuierten (über eine Million) sowie die Russlanddeutschen (1,5 bis zwei Millionen). Hinzu kommen noch etwa 1 bis 1,5 Millionen Reichsdeutsche, die für zahlreiche Industriebetriebe, die nach Osten verlegt wurden, in Wirtschaft und Verwaltung der Vertreibungsgebiete arbeiteten (inklusive Familienangehörige). So kommt man auf rund 20 Millionen deutsche Aufenthaltsbevölkerung in den Vertreibungs- und Deportationsgebieten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs! Andere Historiker wiederum bestritten diese Zahl. Über zwei Millionen Vertriebene starben.
Das Statistische Bundesamt kam zu folgender „Sterbestatistik“ (nachdem alle Kriegsverluste (gefallene Soldaten, Bombenkriegsopfer etc.) aus den Bevölkerungsbilanzen eliminiert wurden, um die eigentlichen Vertreibungstoten (Vertreibungsverluste) zu ermitteln:
(Quelle Screenshot/Bildzitat: Heinz Nawratil: „Schwarzbuch der Vertreibung 1945 bis 1948 – Das letzte Kapitel unbewältigter Vergangenheit“, Wien 2013, S 73)
Dieser Statistik nach kommt man auf eine Summe der Todesopfer unter den Vertriebenen von 2,23 Millionen Menschen!
Allerdings stellen auch diese eine Mindestzahl dar. So sind beispielsweise die Opfer der Massenerschießungen durch slowakische Partisanen und jene des Prager Pogroms nicht darin enthalten. Ebenso wenig die Verluste der verschleppten Russlanddeutschen, die auf rund 350.000 (oder mehr) geschätzt werden (insgesamt wurden rund 900.000 Russlanddeutsche in den asiatischen Teil der Sowjetunion während des Krieges verschleppt). Auch die Zivilverluste bei Erdkämpfen in Ostpreußen und Brandenburg konnten nicht herausgelöst werden.
Insgesamt ergibt sich so also eine Zahl von Vertreibungs- und Deportationsverluste der deutschen Zivilbevölkerung im Osten von rund 2,8 Millionen Menschen. Manche seriösen Schätzungen gehen von 3 Millionen und „mehr“ aus (z.B. „Gemeinsame … Historikerkommission: Konfliktgemeinschaft, Katastrophe, Entspannung“, München 1996, S. 69 (siehe Nawratil, S. 76).
Rechnet man nun noch die direkten und indirekten Hungeropfer (z.B. erhöhte Säuglingssterblichkeit, hungerbedingte Krankheiten etc.) in den späteren vier Besatzungszonen Deutschlands von schätzungsweise zwei Millionen (der kanadische Journalist James Bacque kommt sogar auf über 5 Millionen (Quelle: James Bacque: „Verschwiegene Schuld – Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945“ (Vorwort von Alfred de Zayas), Selent 2002, S. 10, 11) hinzu, so ergibt dies eine unfassbare Zahl von 6 bis 10 Millionen deutscher Zivilopfer alleine durch Vertreibung und Hunger!
Der damalige Präsident des Parlamentarischen Rates und spätere erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, erklärte am 23. März 1949 in seiner Rede vor der Interparlamentarischen Union in Bern hinsichtlich der Vertriebenen-Verluste u.a.:
Quelle: https://www.konrad-adenauer.de/seite/23-maerz-1949/
Es sind aus den östlichen Teilen Deutschlands, aus Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn usw. nach den von amerikanischer Seite getroffenen Feststellungen insgesamt 13,3 Millionen Deutsche vertrieben worden. 7,3 Millionen sind in der Ostzone und in der Hauptsache in den drei Westzonen angekommen.
6 Millionen Deutsche sind vom Erdboden verschwunden. Sie sind gestorben, verdorben.
Von den 7,3 Millionen, die am Leben geblieben sind, ist der größte Teil Frauen, Kinder und alte Leute. Ein großer Teil der arbeitsfähigen Männer und Frauen sind[sic] nach Sowjetrußland in Zwangsarbeit verschleppt worden.
Die Austreibung dieser 13 bis 14 Millionen aus ihrer Heimat, die ihre Vorfahren zum Teil schon seit Hunderten von Jahren bewohnt haben, hat unendliches Elend mit sich gebracht. Es sind Untaten verübt worden, die sich den von den deutschen Nationalsozialisten verübten Untaten würdig an die Seite stellen.
Die Austreibung beruht auf dem Potsdamer Abkommen vom 2.August 1945. Ich bin überzeugt, daß die Weltgeschichte über dieses Dokument ein sehr hartes Urteil dereinst fällen wird. Infolge dieser Austreibung sind insbesondere in der britischen und amerikanischen Zone große Menschenmengen auf engstem Raum zusammengedrängt. Die Wohnungsnot ist zum Teil durch die Zerstörungen des Krieges, zum Teil durch das Hineinpressen der 7,3 Millionen Flüchtlinge in diese bereits unter Wohnungsnot leidenden Gebiete unerträglich. Es kommen im Durchschnitt auf jeden Wohnraum 2 Personen.
Quelle: https://www.konrad-adenauer.de/seite/23-maerz-1949/
Noch einmal: Der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer erklärte öffentlich, dass von 13 bis 14 Millionen Vertriebenen nur 7,3 Millionen überlebt haben!
6 Millionen Deutsche seien vom Erdboden verschwunden. Sie seien gestorben, verdorben.
Die hiesige, offizielle Geschichtsschreibung geht jedoch von „nur“ 1,7 bis 2 Millionen deutschen Vertriebenen aus.
Glaubt man Konrad Adenauer, der ganz gewiss nicht irgendwelche Fake-Zahlen in den Raum warf, dann ist wohl die Zahl der toten deutschen Vertriebenen im Nachhinein nach „unten“ korrigiert worden.
Demnach wurden ca. 4 Millionen deutsche Todesopfer unter den Vertriebenen „verheimlicht.“
Wer das bezweifelt, der muss von nun an den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer als „Lügner“ bezeichnen!
Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de
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