(Die Doppeldeutigkeit von “hit” in der Überschrift ist beabsichtigt)
Teil 1: Sprache und Stil einer links-ideologischen Wissenschaftsmimikry
Verschwörungstheorien und Listen sind bei linken Ideologen sehr beliebt. Warum ist das so? Vermutlich deshalb, weil sie im Rahmen der Propaganda von autoritären Regimen wichtige Aufgaben erfüllen:
Verschwörungstheorien oder besser: ‑erzählungen können nach Giry und Gürpınar also die Funktion eines Propaganda-Mittels in der Hand von Regimen erfüllen, die einen konstruierten Gegner – eine “Die-versus-wir-Erzählung” – benötigen, um ihre Macht zu erhalten, ihre Fehler herunterzuspielen und ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen oder zu diskreditieren. Gleichzeitig präsentieren sie sich als unverzichtbar insofern nur sie den angeblich massenhaft vorhandenen Verschwörern „da draußen“ die Stirn bieten können und jeden in ihrer Darstellung Rechtgläubigen vor den vermeintlichen Verschwörern schützen können, vielleicht auch mit Gewalt. Einen solches Bedrohungsszenario durch einen imaginieren „Groß“-Gegner aufzubauen, ist nicht einfach, und deshalb muss die Verschwörungserzählung all die Menschen, die ein Regime, das Macht um jeden Preis erringen oder behalten will, seine Kritiker allesamt als „Regimefeinde“ konstruieren, sozusagen in eine einzige Schublade hineinzwängen.
Die Schublade, in die das derzeitige bundesrepublikanische Regime, aber nicht nur es, sondern alle linksextremen Regime mit autoritären Neigungen, seine Kritiker hineinzuzwängen versucht, trägt bekanntermaßen die Aufschrift „rechts“ oder „rechtsgerichtet“ oder – in der Folge der Abnutzung dieser Begriffe – „rechtsextrem“ und neuerdings „rechtspopulisitscher Verschwörungsdiskurs“ („right-wing populist conspiracy discourse“; Puschmann et al. 2022: 1). Und wer ließe sich besser für die Aufgabe der Konstruktion eines omnipräsenten „rechten“ Gegners, der angeblich darauf abzielt, „… to undermine political institutions …“ (Puschmann et al. 2022: 2) instrumentalisieren als diejenigen, die der Niedergang einst wissenschaftlicher Einrichtungen hervorgebracht oder in Brot und Arbeit gebracht hat?! Sie bemerken vermutlich nicht einmal, dass sie in den Dienst dessen gestellt werden, was linksextreme Regime als „Wissenschaft“ ausgeben wollen, sei es „Marxismus/Leninismus“ oder „Gender Studies“ o.ä., d.h. eines Propaganda-Mittels, von dem sich Ideologen – angesichts des Vertrauens, dem sich Wissenschaft(ler) früher einmal erfreute(n) – unhinterfragte Folgsamkeit des naiven Teils der Bevölkerung versprechen.
Und dies, obwohl sich inzwischen herumgesprochen hat, dass die anhaltende Beschwörung eines „rechten“ Gegeners, der heimlich den Systemumsturz oder sonst etwas die Macht des Regimes Bedrohendes plant, keine nennenswerte Wirkung (mehr?) hat, und dass das Vertrauen in Leute, die eine Anstellung an einer Universität haben, sehr weit geschwunden ist, teilweise in Mißtrauen umgeschlagen ist! Aber propagandistische Mittel gibt es nicht viele, deshalb können Regime, die Propaganda der demokratischen Diskussion auf der Basis von Argumenten und Fakten vorziehen, nicht wählerisch sein und müssen mangels Alternativen auf längst Überholtes zurückgreifen.
Und so sieht sich die lesende Öffentlichkeit konfrontiert mit einer neuen Liste, die Arten von Rede aufzählt, die in ihren Autoren Assoziationen von irgendwie Rechtem und Populistischem und Verschwörerischem weckt:
Puschmann, Cornelius, Karakurt, Hevin, Amlinger, Carolin, Gess, Nicola, & Nachtwey, Oliver, 2022: RPC-Lex: A Dictionary to Measure German Right-wing Populist Conspiracy Discourse Online. Convergence 0(0): 1–28. Der Text kann unter der Rubrik “Online First” (und hoffentlich auch zuletzt) unter der Adresse https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/13548565221109440?af=R&ai=1gvoi&mi=3ricys gelesen und heruntergeladen werden.
Nein, das ist nicht ganz richtig: die Liste wurde aufgrund der Vorarbeit durch die Studenten der Autoren in einem diesbezüglich einschlägigen Seminar aus dem Jahr 2019 bestückt (Puschmann et al. 2022: 10). Die Studenten in diesem Seminar wurden aufgefordert
„… to compile word lists on the basis of theoretical texts [also unter Ausschluss empirischer Forschung!] …, individual international and German-language case studies … and research on (media) events occurring in the period of time our corpora cover (i.e. the ‘refugee crisis’ or the ‘Cologne New Year’s Eve, 2015/2016’)” (Puschmann et al. 2022: 10).
„… hybrid deductive-inductive design process for populating the categories … ” (Puschmann et al. 2022: 2)
zu bezeichnen.
Was die Liste enthält, sind diesmal jedenfalls keine Namen unliebsamer Kritiker, wie die Hass-Listen, die z.B. bei Agentin.org erstellt und gepflegt wurden und auf die Namen unliebsamer Kritiker gesetzt wurden (und die unter der Hand weitergepflegt und –verteilt werden, zuletzt an Paypal Europe, was belegbar ist, weil Paypal Europe dabei ein Fehler unterlaufen ist; aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr).
Die Liste von Puschmann et al. enthält statt dessen eine bunte Mischung von allerlei unerwünschter Rede, die auf Konstrukte von höchst zweifelhafter Validität („Scandalization“ bzw. „Skandalisierung“) bezogen wird, auf Lieblingsthemen linksextremer Ideologen und Regime, nämlich „Anti-immigration/Islamophobia“ und „Anti-gender/Anti-feminism“ sowie – negativ gewendet – „Nationalismus“, auf „Suspicion“, d.h. auf Kritik am Regime, die als von vornherein negativ eben als „suspicion“, d.h. „Verdacht“ oder „Verdächtigung“ gerahmt wird. Die unerwünschte Rede auf der Liste enthält außerdem „Markers of distance“, d.h. sprachlichen Wendungen wie „so-called“ bzw. „so genannt“, und Anführungszeichen „around concepts that are rejected“, d.h. Anführungszeichen vor und nach „Konstrukten, die man nicht mag“.
Natürlich setzt man in der Wissenschaft Namen für Konstrukte nicht deshalb in Anführungszeichen, weil man die Konstrukte oder ihren Namen nicht mag, sondern zu dem Zweck, ihren Status eben als Konstrukt, deutlich zu machen, als etwas, was kein real existierendes Ding bezeichnet, sondern eine sprachliche Klammer um beobachtbare Phänomene, von der man meint, dass sie hilfreich sei, quasi ein sinnvoller Teil einer Taxonomie. „Anti-Elitismus“ z.B. ist ein Namen für ein Konstrukt, etwas, das nicht wirklich existiert. Deshalb setzt man den Begriff in Anführungszeichen. Wird er nicht in Anführungszeichen gesetzt, dann kann es sein, dass dies deshalb unterbleibt, weil ein Autor eines wissenschaftlichen Textes den Begriff in seinem Text bereits eingeführt und definiert hat, aber in der Regel ist es ein guter Hinweis darauf, dass der Begriff laienhaft bzw. ideologisch benutzt wird, weil jemand, der nichts von Wissenschaft versteht, den Begriff einfach mag, ihn irgendwie zutreffend findet, er an das so bezeichnete Konstrukt einfach glauben möchte.
In der Wissenschaft erweisen sich viele probeweise vorgeschlagene Konstrukte nicht als hilfreich, besonders dann nicht, wenn sie nicht neutral, sondern sprachlich wertend benannt sind, und wenn sie lediglich Aspekte anderer Konstrukte „doppeln“, die besser geeignet sind, ein Phänomen deskriptiv und sprachlich neutral zu fassen, oder wenn sich das Konstrukt als unfähig erweist, die beobachtbaren Verhaltensweisen, die es unter seine „Klammer“ fassen will – „Klammer“ steht in Anführungszeichen, um die Metapher im Gegensatz zum realen Ding anzuzeigen; alles klar?! –, auch tatsächlich unter seine Klammer zu fassen. Um dies zu prüfen, haben sich Wissenschaftler/Statistiker eine Reihe von statistischen Verfahren ausgedacht, die Kennwerte für die, wenn man so sagen will: Treffsicherheit des Konstruktes, mit dem man auf die Realität „schießt“ – wieder Achtung: Metapher! –, liefern.
Dies alles scheint Puschmann et al., den Auflistern alles „Rechten“, „Populistischen“ und angeblich Verschwörerischen, weitgehend oder gänzlich unbekannt zu sein. Das ist aber nicht das Peinlichste mit Bezug auf das gestörte Verhältnis, das Puschmann et al. zu Anführungszeichen in Texten haben, die den Anspruch vorbringen, fachwissenschaftliche Texte zu sein. Das Peinlichste ist vielmehr, dass sich Puschmann et al. diesbezüglich klar als Opfer einer Freud’schen Projektion erweisen, wie sie im übrigen häufig unter Linksextremen zu beobachten ist: sie projizieren ihre eigenen Praktiken auf die des von ihnen konstruierten Strohmannes, den sie mit der Aufschrift „Gegner“ versehen und an dem sie sich dann abarbeiten. Und es ist einigermaßen widerlich, dabei zusehen zu müssen, z.B. dann, wenn Puschmann et al. alles in Anführungszeichen setzen, was sie nicht mögen oder als falsch oder verfehlt markieren wollen, u.a. „‘refugee crisis‘“ und „‘Cologne New Year’s Eve, 2015/2016‘“ auf Seite 10 des Textes und „‘demonstration walks‘“, „‘Great Replacement‘“ auf Seite 8 (und Letzteres auch auf Seite 7) und – pikanterweise auch – „‘the people‘“, ebenfalls auf Seite 8 sowie auf Seite 6. Dies alles, während sich Puschmann et al., ohne es überhaupt nur zu bemerken, selbst in die „Verschwörungserzähler“-Ecke hineinbehaupten, wenn sie schreiben:
„Third, an accumulation of Markers of Distance (i.e. qualification through adjectives such as ‘so-called’, or the use of quotation marks around concepts that are rejected) is considered indicative of conspiracy discourse” (Puschmann et al. 2022: 4).
So geht es einem, dessen psychologische Befindlichkeit seine intellektuelle Kapazität bei Weitem dominiert. Und so kommt es, dass Puschmann et al. sich selbst als Anti-Demokraten identifizieren. „[T]he people“, die Leute, das Volk, wie auch immer man es übersetzen mag, scheinen Puschmann et al. ein besonderer Dorn im Auge zu sein, finden die Anführungszeichen um „the people“ sich doch nicht nur auf Seite 8, also sozusagen im Schwange der Erregung über das, was andere Leute aus den Autoren unverständlichen Gründen in Anführungszeichen setzen, sondern auch an zentraler Stelle in der Liste selbst, die in Tabelle 1 auf Seite 5 des Textes steht. Wer so großen Wert darauf legt, durch Anführungszeichen-Setzung Distanz von „the people“ zu schaffen, der dürfte große Probleme mit der Demokratie und denen ihr zugrundeliegenden Werten haben.
Auch die „‘mainstream media‘“ setzen Puschmann et al. in Anführungszeichen, wobei unklar bleibt, ob sie sich dadurch selbst von den sogenannten mainstream-Medien distanzieren wollen – immerhin sind sie ja tatsächlich keine Mehrheitsmedien mehr – oder ob sie sich dadurch von denen distanzieren wollen, die von „mainstream-Medien“ sprechen. Distanz durch die Setzung von Anführungszeichen schaffen zu wollen, ist halt prinzipiell mit der Gefahr von Mißverständnissen verbunden, und in wissenschaftlichen Texten werden deshalb Anführungszeichen auch nicht zur Schaffung von Distanz gesetzt, sondern wie gesagt zum Zweck des Zitierens oder zur Kennzeichnung von Konstrukten.
Aber im Text von Puschmann et al. (2022) geht es nicht um Wissenschaft, sondern darum, Ideologen oder Multiplikatoren der Anliegen des Regimes jeder Art ein vermutlich ihren Fähigkeiten angemessenes niedrig-schwelliges Angebot zu machen, das ihnen helfen soll, neue Kandidaten für die Konstruktion der Regime-Gegnerschaft zu konstruieren.
Und hier ist sie nun endlich – die Liste, die ihnen Aufschluss darüber gibt, was Sie für eine/r sind, die Liste, geschaffen von Menschen, die damit „Sytem Justification“ (Marques 2021) betreiben und im Zuge dessen andere Menschen anhand ihrer Rede als „Regime-Gegner“ [Anführungszeichen stehen, weil es ein Konstrukt ist!] – konstruieren wollen; die Liste – ein Denkmal einer in bemerkenswertem Umfang degenerierten Diskussionskultur:
Wie Sie sehen können, ist die Liste unterteilt in angeblich von „rechtspopulistischen Verschwörungserzählern“ gepflegten „Stil“-Elemente, in angebliche Feindbilder „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“ und in „Topoi“, sagen wir: Motive, die angeblich (nur?) in der Rede von „rechtspopulistischen Verschwörungserzählern“ vorkommen. Die Unterscheidung ist fragwürdig, anscheinend willkürlich getroffen worden und insofern von keinem heuristischen Wert: Warum z.B. taucht „Nationalismus“ als „Topoi“ bzw. Thema oder Motiv auf, während, sagen wir: „Globalismus“ nicht unter den „Antagonists“, den „Gegnern“ aufgezählt wird? Oder warum taucht „Antisemitism“ als „Antagonist“ auf, statt z.B. eine „jüdische Weltverschwörung“ in die „Topoi“ aufzunehmen?
Und was haben „Antagonists“ und „Topoi“ überhaupt in einer Liste zu suchen, die angeblich das Ergebnis eines Interesses an
„… communicative practices and linguistic forms pertinent to conspiracy theories“ (Puschmann et al. 2022: 4)
ist. Oder ist sie das eben doch nicht? Immerhin geben Puschmann et al. an anderer Stelle selbst eine andere Zielsetzung an:
“Our objective was to create a resource that distinguishes different styles, themes and antagonistic relationships within RPC discourse, rather than reliably determine whether a piece of content should be classified as RPC or not” (Puschmann et al. 2022: 20).
Es scheint, die Autoren können oder wollen nicht angeben, was genau sie denn nun eigentlich mit ihrer Liste wollen, außer dass sie eine „Ressource“ darstellen soll, für wen oder zu welchem Zweck mögen oder können sie nicht angeben.
Wenn es ihnen nach eigener Aussage nicht darum geht, zu entscheiden, ob ein bestimmter Inhalt als „rechtspopulistische Verschwörungserzählung“ gelten sollte oder nicht, wie und warum haben sie dann gerade die Inhalte, die sie ausgewählt haben, als Inhalte „rechtspopulistischer Verschwörungserzählungen“ ausgewählt und gewertet? Weil sie darin vorkommen, so die Autoren (s. Zitat oben)! Aha. Aber wenn sie zwar darin vorkommen und vielleicht gar nicht als Elemente „rechtspopulistische Verschwörungserzählung“ gelten sollten, warum sollte es dann irgendjemanden interessieren, ob „rechtspopulistische Verschwörungserzähler“ gerade z.B. davon sprechen, dass der Supervulkan im Yellostone Park ausbrechen könnte (das würde Punkt 10 in der Liste entsprechen, oder!?), oder davon, dass man bei Bäcker Hansen bessere Brötchen bekommt als bei Bäcker Schmidt? (Sofern keiner der Bäcker schwul, ein Trans, ein Jude oder ein Muslim ist, denn dann ließe sich die Rede über Bäckers Brötchen gemäß der Punkte 5,7 oder 8 in eine „rechtspopulistische Verschwörungserzählung“ wenden.
Und wer weiß: Man könnte doch auch eine „Skandalisierung“ (Punkt 1) daraus machen, wenn jemand meint, er habe einmal die Brötchen von Bäcker Hansen gekauft und würde das nie wieder tun und könnte die Leute nicht verstehen, die ihre Brötchen bei Hansen und nicht bei Schmidt kaufen. Betont das nicht „Konflikt“ und zielt darauf ab, Leute dazu zu bewegen, ihre Brötchen bei Bäcker Schmidt statt bei Bäcker Hansen zu kaufen?
Dem Wahnsinn sind keine Grenzen gesetzt, so scheint es.
Wenn solche Rede über Brötchen und Bäcker aber nicht als „rechtspopulistisches Verschwörungserzählungs“-Gut gelten sollen, warum dann z.B. die Rede über die gestiegenen Zahlen von Asylbewerbern? Beides kann in der „rechts-populistischen Verschwörungserzählung“ vorkommen. Warum sollte man in das eine eine Bedeutung hineingeheimnissen, in das andere nicht? Das ausschlaggebende Kriterium hierfür ist offensichtlich, dass linksextreme Ideologen auf den einen Punkt empfindlich reagieren, weil sie ihn im Sinn ihrer Ideologie interpretieren, auf den anderen nicht, weil sie in ihrer Ideologie keine Verwendung dafür haben.
Jedenfalls finde ich es schwierig, diese allgemeine Verwirrung darüber, was nun eigentlich das genaue Interesse ist, das die Autoren mit der Liste verbinden, auf etwas anderes zurückzuführen als die Tatsache, dass die Autoren mit der Liste eben einfach ein sehr niedrig-schwelliges Inventar des vom linksextremen Gläubigen Abzulehnenden und zu Bekämpfenden (immerhin ist „Antagonists“ in ihrem Vokabular vorhanden!) in der Tradition z.B. der Listen von „Regime-Feinden“ in totalitären Systemen wie z.B. in der DDR bereitstellen wollten.
Nicht schwierig nachzuvollziehen ist dagegen, dass solche Verwirrung (oder Verheimlichung) hinsichtlich der tatsächlichen Zielsetzung der Listenerstellung alle möglichen weiteren Verwirrungen und Widersprüche produziert. So führen Puschmann et al. z.B. in der Liste unter „Topoi“ „Conspiracy“ bzw. „Verschwörung“ als ein Element von „rechtspopulistischen Verschwörungserzählungen“, was bedeutet, dass man eine „Verschwörung“ bzw. eine „Verschwörungserzählung“ an der Verschwörung erkennen kann! Solche logischen Tolpatschigkeiten sind nicht mehr lustig, wenn sie mit wissenschaftlichem Anspruch daherkommen. In der Wissenschaft ist eine Tautologie eine Kardinalsünde. Und wenn man schon meint, ein Konstrukt durch sich selbst operationalisieren zu können, warum stehen in der Liste dann nicht einfach die drei Elemente „Conspiracy“ („Verschwörung“), „Right-wing“ („rechtsgerichtet“) und „Populism“ („Populismus“). Erkennt man „rechtspopulistische Verschwörungserzählungen“ nicht hinreichend daran, dass sie „rechts“ und „populistisch“ sind und eine Erzählung über eine „Verschwörung“ beinhalten?!
In der Wissenschaft ist es natürlich nicht so einfach. In der sozialpsychologischen Forschung hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass es unabdingbar ist, „Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien“ deutlich enger zu fassen als das in der Sozialpsychologie und besonders in der Politologie und in der öffentlichen Diskussion vorher üblich war (Stojanov & Halberstadt 2019: 215) und außerhalb der Wissenschaft immer noch getan wird, und dass insbesondere unabdingbar ist, Kritik oder Skeptizismus klar von einer allgemeinen Bereitschaft, Verschwörungstheorien zu vertrauen, zu unterscheiden. Das ist nicht nur so, weil sich die grundsätzliche Frage stellt:
„Who are psychologists to judge what is plausible or rational to believe? … the plausibility of a particular claim is also an empirical matter, and can be quantified as a claim’s acceptance in the population. That acceptance may well change over time as evidence accumulates or social attitudes shift, and if they do, some conspiracy theories will no longer qualify as such, and new, perhaps contradictory conspiracy theories will emerge. (Today, someone who denies government surveillance has a better claim to the title of ‘conspiracy theorist’)” (Stojanov & Halberstadt 2019: 228; Hervorhebung d.d.A.).
Das ist auch deshalb notwendig, weil sich „conspiracy theory ideation“ und „skepticism” anhand empirischer Daten als zwei unterschiedliche Konstrukte erwiesen haben:
„In Study 1 we explored the factor structure of the initial item pool, generated by 210 MTurk participants who gave their definition of a conspiracy theory, and discovered two factors, which we termed conspiracy theory ideation and skepticism. After maximizing the information value of each dimension, we settled on an 11-item scale, which subsequently showed good test–retest reliability, as well as convergent, divergent, and predictive validity. In particular, conspiracy theory ideation correlated positively with paranoia, paranormal beliefs, and marginally negatively with trust, and, equally important, did not correlate with emotional intelligence, death anxiety, extraversion, consciousness, or emotional stability. Skepticism, meanwhile, correlated with advertisement skepticism. Further, once the shared variance was accounted for, both dimensions predicted different types of conspiracies. Finally, in Study 4 we demonstrated construct validity in two other national contexts. We argue that these two dimensions represent two sides of the conspiracy mentality construct (the general tendency to believe in any conspiracy) – the “rational” and the “irrational,” which become especially evident once their shared variance is controlled” (Stojanov & Halberstadt 2019: 228).
Deshalb empfehlen die Autoren für zukünftige Forschung
„… the use of the skepticism dimension as a control variable in situations where researchers wish to establish the unique relationship between conspiracy theory ideation and a construct of interest, in order to distinguish such ideation from general skepticism that is not specific to conspiracy theory beliefs … failure to control for skepticism in these cases would lead to spurious conclusions” (Stojanov & Halberstadt 2019: 228).
Zu meinen, man könne als politisch „rechts“ stehend Behauptetes oder „Populismus“ von vornherein mit „Verschwörungserzählungen“ in Verbindung zu bringen, wie Puschmann et al. das geradezu programmatisch tun, ist also ein Irrtum bzw. konzeptionell und empirisch unsinnig.
Darüber hinaus ist keineswegs klar, warum man eine „Empfänglichkeit für Verschwörungstheorien” pauschal negativ bewerten sollte. Aus der Philosophie kommt die Erkenntnis, dass Verschwörungstheorien weder „prima facie unlikely“ (Dentith 2016: 5; s. hierzu auch Hagen 2022) sind noch insgesamt epistemologisch problematisch sind (Hagen 2022a). Basham (2003) hat festgehalten, dass sie nützlich sein können, indem sie eine kritische Haltung fördern – manche Leute meinen, eine kritische Haltung sei ein positiver Wert! –, und Bjerg & Presskorn-Thygsen (2017) halten sie für einen wichtigen Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Keine dieser neueren und progressiven, die Diskussion um „Verschwörungstheorien“ transformierenden, Arbeiten finden Beachtung durch Puschmann et al. Ihre Definition von „Verschwörungstheorie(/n“ – ja, was ist ihre Definition?
Diese Frage kann nicht beantwortet werden, denn es gibt keinen Teil im Text, in dem die benutzten Konstrukte klar definiert würden, geschweige denn die Definition von der Operationalisierung unterschieden würde, weder in einem methodischen Teil noch in einem Theorieteil. Bei Puschmann et al. findet man lediglich von Butter und Knight (2020: 3–4) in ihrem Vorwort zum von ihnen herausgegebenen Sammelband „Routledge Handbook of Conspiracy Theories“ (2020) abgeschriebene Gründe dafür, warum eine Definition schwierig ist. Immerhin sind der diesbezüglichen Ausführung von Puschmann et al. die Namen von Butter und Knight in einer Klammer angefügt worden, allerdings auf eine Weise, bei der suggeriert wird, nur den Inhalt des letzten diesbezüglichen Satzes (bzw. des dritten Grundes) hätten Puschmann et al. von Butter und Knight übernommen. Tatsächlich haben sie aber alle drei Gründe von Butter und Knight übernommen, und hübsch in derselben Reihenfolge. Dann folgt bei Puschmann et al. eine ekklektizistische Aufzählung dessen, was sie für „Elements of conspiracy discourse“ (Puschmann et al. 2022: 3) halten, wobei sie die Aufzählung der
„… three basic characteristics of most conspiracy theories, as they have been coined by Michael Barkun …” (Puschmann et al. 2022: 3)
anscheinend und ohne weitere Diskussion oder Begründung akzeptieren und als Ersatz für eine Definition ansehen oder – schlimmer – die Aufzählung dieser drei Elemente (oder irgendwelcher sonstigen Elemente) für eine Definition halten. Darauf folgt eine redundante Darstellung (auf derselben Seite) darüber, warum die Autoren es vorziehen, über „conspiracy discourse“ zu schreiben als über „conspiracy theory“. Auf den Punkt gebracht: „conspiracy theory“ wird nicht definiert, aber „discourse“ ist das Wort, das Leute benutzen, die „text-as-data“ behandeln wollen, also benutzen Puschmann et al. dieses Wort: Durch die Wahl des Wortes „discourse“ bzw. „Diskurs“
„… we stress our interest in studying communicative practices and linguistic forms pertinent to conspiracy theories, …“ (Puschmann et al. 2022: 3).
Wenn das tatsächlich das Interesse ist, dann ist es allerdings eine schwerwiegende Unterlassungssünde, wenn Puschmann et al. 2022 „linkspopulistische“ oder „linksgerichtete Verschwörungstheorien“ komplett unbeachtet lassen, denn dann sind keine generalisierbaren Aussagen über die kommunikativen Praktiken und sprachlichen Formen, die in Verschwörungstheorien „pertinent“ sind, d.h. „relevant“ oder „einschlägig“ sind, möglich.
Dass Puschmann et al. ihre Liste als Propaganda-Instrument ansehen und nicht als Beitrag zu irgendeiner wissenschaftlichen Diskussion wird an der Sorglosigkeit erkennbar, mit der sie starke Behauptungen formulieren, ohne sich darum zu scheren, dass man starke Behauptungen so stark wie möglich begründen muss. Z.B. bemerken sie lapidar, dass jemand namens Mackert geschrieben habe, dass es heute keine Bedrohung der westlichen Demokratie gebe, die mit dem „rise of right-wing populism“ vergleichbar sei (Puschmann et al. 2022: 8) und stellen diese starke Behauptung aus irgendwelchen Gründen, die sich mir nicht erschließen, ohne jede weitere Diskussion, ohne jeden empirischen Beleg, einer Darstellung der “Construction”, der “Konstruktion” ihrer Liste voran. Wäre die Liste als ein wissenschaftlicher Beitrag zur Klärung des Konstruktes „Verschwörungstheorie“ (in sprachlicher oder sonst irgendeiner Hinsicht) gedacht, dann wäre es vollkommen egal, was Mackert oder Puschmann et al. oder sonst jemand heute oder früher oder in Zukunft für eine große oder kleine oder gar keine Bedrohung für die westliche Demokratie hält, gehalten hat oder halten wird.
Übrigens wimmelt es im Text von Puschmann et al. nur so von vollmundigen Behauptungen und Übergeneralisierungen, die ohne irgendeine Form des Belegs – jenseits des Belegs, dass das schon mal jemand anderes behauptet hat – bleiben. So heißt es gleich im ersten Satz des Textes
„Conspiracy theories are frequently deployed by fringe political actors that aim to undermine political institutions and boost their own claims to legitimacy“ (Puschmann et al. 2022: 2).
So, jetzt wissen Sie’s. Oder vielmehr: jetzt wissen Sie, was die Autoren meinen oder vielleicht sogar zu wissen meinen. Leider geben die Autoren aber keinerlei Hinweis darauf, woher sie all dies zu wissen glauben: wie oft Verschwörungstheorien mit dem Motiv der „Unterminierung politischer Institutionen“ von welchen „politischen Akteuren“, darunter von „randständigen“ Akteuren („fringe“) aufgestellt werden; sie können an dieser Stelle nicht einmal einen Autorennamen angeben, d.h. auf irgend jemanden verweisen, der solch Vollmundiges auch schon behauptet hätte, geschweige denn auf empirische Daten.
An verschiedenen Stellen bemühen Puschmann et al. „Kernelemente“ oder „Kernkategorien“, womit sie so tun, als handle es sich bei ihrer Sammlung von dem, was sie für Elemente „rechtspopulisitischer Verschwörungserzählung“ halten (oder vielleicht auch nicht; sie kommen halt in diesen Erzählugnen vor, oder auch nicht), um ein anhand statistischer Verfahren etabliertes Konstrukt, für das benannt werden könne, was „Kern-“ und was „Rand“-elemente oder –kategorien sind, z.B. im Satz:
„… we focus on certain core categories (presented throughout the paper in small caps) that …” (Puschmann et al. 2022: 4).
Die Kategoriennamen, die in “small caps” abgedruckt sind, sind diejenigen, die sich Puschmann et al. und ihre Studenten im Seminar ausgedacht haben. Ob sie überhaupt Elemente eines statistisch sinnvoll entworfenen Konstruktes sind, bleibt vollkommen ungeprüft, geschweige denn, dass eine Prüfung darüber vorläge, ob diese Elemente „Kern“-Elemente von irgendetwas sind.
Es macht ohnehin keinen Sinn, sie „Kern“-Elemente zu nennen, weil das Konstrukt des „rechtspopulistischen Verschwörungserzählers“ aus just den Kategorien „in small caps“ besteht und aus sonst nichts. Wenn diese Kategorien die „Kern“-Kategorien des Konstruktes bezeichnen sollen, dann besteht das gesamte Konstrukt ausschließlich aus „Kern“-Kategorien. Wie ist das möglich? Es ist nicht möglich. Es ist blühender Unsinn, denn einen Kern kann es nur geben, wenn es etwas gibt, was ihm umgibt!
Unbelegte Behauptungen werden von Puschmann et al. ihren Lesern auch in Form von Einschüben, gepaart mit den in diesem Text notorischen unbelegten Behauptungen, untergeschoben, wie z.B. in
„… in order to emphasize the communicative nature of conspiracy theories, the fact [!] that, online in particular, conspirational ideas are to to be spread and developed, …” (Puschmann et al. 2022: 2; Hervorhebung d.d.A.).
Der behauptet “Fakt” kann faktisch anscheinend nicht belegt werden; jedenfalls bringen die Autoren keinerlei Beleg vor oder weisen auch nur durch Zitation auf jemanden hin, der vielleicht einen Beleg hierfür geliefert hätte.
Dasselbe gilt für
„Closely linked to this anti-elitist dimension … are several categories” (Puschmann et al. 2022: 4; Hervorhebung d.d.A.).
Die Autoren zählen dann diese Kategorien auf und geben ihnen Autorennamen bei, die über die Dinge, die für Puschmann et al. Kategorien abgeben, aber den Nachweis der Behauptung einer „engen Verbindung“ („closely linked“) zwischen Kategorien, die hier wieder in Nachäffung der Sprache, die Wissenschaftler mit Bezug auf statistisch meßbare mehrdimensionale Meßskalen benutzen, zu „Dimensionen“ mutiert sind, führen die Autoren nicht.
Der gesamte Text ist eine einzige Aneinanderreihung von Behauptungen, und zwar bestenfalls solcher, die jemand anders auch schon einmal vorgebracht hat, mehr nicht.
Aber zurück zu den fehlenden Definitionen im Text von Puschmann et al.:
Wenn es schon keine Definition von „Verschwörungsdiskurs“ – von „rechts“ und „populistisch“ ganz zu schweigen – gibt, sind dann die Kategorien in der oben abgebildeten Tabelle 1 wenigstens irgendwie intuitiv plausibel als Operationalisierungen für „rechtspopulistischen Verschörungsdiskurs“? Nehmen wir probeweise etwas vor, was man frei nach den Autoren „Validierung“ nennen könnte. Bar jeden Verständnisses des Begriffs „Validierung“ wollen Puschmann et al. ihre Aufzählung in Tabelle 1 dadurch „validieren“, dass sie betrachten, ob sie das, was sie aufzählen und für Elemente eines „rechtspopulistischen Verschwörungsdiskurses“ erklären, in Texten oder dem Austausch von Botschaften in Medien wiederfinden, die den Autoren „rechtspopulistisch“ und vermutlich auch „verschwörerisch“ vorkommen, nämlich in einem
„… full text corpus of news items from nine alternative news outlets discussed in the research literature on alternative news and conspiracy theories“ (Puschmann et al. 2022: 15),
wobei die Autoren vollständig darauf verzichten, in einer Klammer anzufügen, welche Literatur sie hier zugrundegelegt haben. Sie ergänzen lediglich:
„Our understanding of alternative news outlets is based on the typology of Holt et al. … who describe online news sources that exhibit a politically radical editorial policy [???] and frequently circumvent journalistic norms [???]” (Puschmann et al. 2022: 15).
Holt et al. behaupten also irgendetwas über „politisch radikale Herausgeberpraxis“, was immer das auch sein mag, und behaupten, dass sie wissen, welches alternative Medium wie häufig „journalistische Normen“, was auch immer diese sein mögen, umgeht, und Puschmann et al. scheinen das für eine hinreichende Grundlage zu halten, auf die sie ihr Urteil – oder viemmehr: nicht Urteil – über „rechtspolulistische Verschwörungs-“nähe gründen. Das ist m.E. eine bemerkenswerte Umgehung sowohl journalistischer als auch wissenschaftlicher Normen. Das Ganze gleicht dem Spielchen, das man als „Flaschenpost“ bezeichnet; Einer wispert einem Anderen etwas zu, der erzählt weiter, was er gehört hat oder meint, verstanden zu haben, und der es einem Dritten erzählt, und irgendwann ist die Kette so lang, dass das, was der vorerst Letzte in der Reihe an Noch-erinnertem und wahrscheinlich Missverstandenen von sich gibt, von Leuten, die „Flaschenpost“ mit Wissenschaft verwechseln, als Stand der Forschung präsentiert wird.
Machen wir also unsere eigene – auszugsweise – Schnell-„Validierung“ des „ganzen Text-Corpus“, wie der uns in Tabelle 1 entgegentritt:
Haben Sie schon einmal gedacht, dass Konstruktionen von „Gender“ negative Folgen für die Erziehung von Kindern haben könnten? Finden Sie solche Konstruktionen nicht „progressiv“, sondern regressiv? Falls ja: Sie sind ein „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“ – bis auf Weiteres nur in Gedanken, aber bestimmt werden Sie demnächst auch einer der Tat, wenn Sie sich erdreisten, Ihren Gedanken hörbar zu formulieren! (Punkt 8)
Kommt es Ihnen angesichts der Werbung im Fernsehen, die Ihnen gerade präsentiert wird, manchmal so vor, als wären Sie versehentlich in einen Fensehsender geraten, der in Nigeria produziert wird und beheimatet ist und für ein nigerianisches Publikum bestimmt ist? Ja? Dann bringen Sie gleich mehfache Voraussetzungen dafür mit, ein „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“ zu sein – und Sie werden einer, wenn Sie meinen, Sie dürften sich verbal über die Werbung wundern –, denn dass Sie sich wundern bzw. Ihrer Verwunderung Ausdruck verleihen, könnte man mit etwas ideologischer Hingabe unter die Punkte 2, 7 und 9 packen. Wow, Sie sind starker „rechtspopulistischer Verschwörungs“-Tobak!
Haben Sie schon einmal bemerkt, dass in den mainstream-Medien Falsches behauptet wurde oder relevante Sachverhalte, der Kontext auf einschlägige Weise weggelassen wurde? Haben Sie am Ende bemerkt, dass das regelmäßig der Fall ist, weshalb Sie das Konstrukt „Lügenpresse“ in den Mund genommen haben? Nun, das ist ein Konstrukt, dass Puschmann et al. nicht mögen und vor allem: das Ihren Mangel an unhinterfragtem Glauben an die Unfehlbarkeit der mainstream-Medien erweist, sind doch die Wege der mainstream-Medien unergründlich. Also sind Sie ein „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“ (gemäß Punkt 6).
Sie halten es für möglich, dass die Pharma-Industrie vor allem eines erzielen möchte, nämlich Gewinne, und Teile der Pharma-Industrie zu diesem Zweck über die physische Integrität von Menschen (und Tieren sowieso!) hinweggehen? Oder dass es Ärzte gibt, die ihren hippokratischen Eid vergessen, wenn sie z.B. an einer Impfkampagne finanziell beteiligt werden? Vertrauen Sie sich „naiverweise“ (s. Tabelle!), nicht vorbehaltlos der konventionellen Medizin an? Halten Sie es für möglich, dass es Phänomene gibt, die die Gesundheit und das Wohlergehen von Menschen betreffen, sich aber außerhalb der konvenzionellen Medizin bewegen? Dann sind Sie gemäß Punkt 13 – und wieder gemäß des unvermeidlichen Punktes 6 – ein „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“!
Sie glauben, dass die Erde aufgrund menschengemachten Klimawandels in einer Apokalypse aus Feuer vergehen wird und mit ihr die gesamte Menschheit? Dann sind Sie gemäß Punkt 10 ein „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“, der ….
Halt!
Nein.
Hier stimmt etwas nicht. Das ist Stoff aus dem linksextremen Katechismus, oder? Ist Puschmann et al. hier ein Fehler unterlaufen? Haben sie etwa auch eine Liste der „linkspopulistischen Veschwörungserzählungen“ in Vorbereitung, und der Punkt ist ihnen in die falsche Liste geraten? Immerhin ist es ja so mit Listen: oft genug findet sich Falsches, finden sich die Falschen, auf ideologischen Kriegslisten – falls es überhaupt möglich ist, dass sich Richtige/s auf solchen Listen ob ihrer primitiven Radikalreduktion komplexer Themen auf angeblich allein Richtiges oder allein Verwerfliches, finden/findet. Eine Liste wie die von Puschmann et al. aufzustellen und gleichzeitig in der Liste selbst als ein Stilmerkmal “rechtspopulistischer Verschwörungserzählungen” die “Polemisierung komplexer Themen” zu nennen, kann schwerlich anders betrachtet werden als unglaublich dreist oder unglaublich dumm.
Aber zurück zu Ihnen, Sie “rechtspopulistischer Verschwörungserzähler”! Sie meinen, dass Sie vielleicht nur eines oder zwei der genannten „Vergehen“ bezichtigt werden können, also quasi nur ein ganz klein bisschen von einem “rechtspopulistischen Verschwörungserzähler” sind? Machen Sie sich keine Hoffnungen! Die Liste stellt ja keine Meß-Skala dar, auf der man eine höhere oder niedrigere Ausprägung haben könnte; die Liste ist eine Zusammenstellung von aus linksextremer Perspektive formulierten „thought crimes“, von Gedankenverbrechen, die als „rechtspopulistisch verschwörungserzählend“ gelabelt werden, in der Hoffnung, die dümmliche Propaganda könnte auf diese Weise irgendwie an eine sozialwissenschaftliche Forschungstradition angebunden werden, was auf Szientismus und Autoritätsgläubigkeit unter Linksextremen verweist. Die Liste ist also ein Propaganda-Mittel im eingang im Zitat von Giri und Gürpınar beschriebenen Sinn. Wenn Sie eines der Gedankenverbrechen begehen, die auf der Liste stehen, dann sind Sie “so einer”, und das schlägt dann auf ihren sozialen Kredit durch, sofern Deutschland demnächst die Gaben des wunderbaren chinesischen Kommunismus noch mehr als bisher übernimmt, zum Musterschüler wird.
Dies wirft ein deutliches Licht auf die Geister, die sich an Listen wie diesen abarbeiten. Aber Unsinns-Listen wie diese, die “Kernelemente” “rechtspopulistischer Verschwörungserzählungen” aneinanderreihen wollen, werden, schwerlich Eindruck bei Leuten machen, die sich nicht darum scheren, wie jemand, der sich als „Systemrechtfertiger“ (in Entsprechung zur „system justification“; s. oben) verdingt, ihre Wahrnehmungen, Eindrücke, Auffassungen oder Interpretationen zu bezeichnen beliebt.
Und warum sollten sie das auch tun? In Anlehnung an Stojanov und Halberstadt (2019: 228) kann man nämlich fragen:
Wer sind Puschmann et al., dass sie meinen, entscheiden zu können, was jemand plausibler- oder vernünftigerweise glauben kann oder sollte?
Aber wenn man diese Frage stellt – Stojanov, Halberstadt, Sie oder ich –, dann wird man gemäß der Liste von Puschmann et al. als ein „Anti-Elitist“ gelabelt bzw. als ein „rechtspopulistischer Verschwörungserzähler“. Es gibt kein Entkommen, für niemandem, außer dem strammen Linksextremen. Kein Wunder, dass es Puschmann et al. so vorkommt, als wäre der von ihnen konstruierte Gegner, der „rechtspopulistische Verschwörungserzähler“ immer überall!
Das alles ist sehr traurig. Im zweiten Teil unserer Beschäftigung mit Puschmann et al.’s Werk wollen wir aber etwas Spaß haben und konstruktiv sein und die Autoren dadurch ehren, dass wir (in Anlehnung an ihre Methode) in der Sciencefiles-Redaktion eine Durchsicht von „Literatur“ vornehmen werden, um „basierend auf einer theoretischen Grundlage wie oben illustriert“ (Puschmann et al. 2022: 10; Übersetzung d.d.A.), was immer das auch bedeuten mag, Wortlisten zusammenzustellen, die als „Indikatoren für theoretische Konzepte verstanden werden können, die sie messen sollen“ (Puschmann et al. 2022: 10, Übersetzung d.d.A.). Kling gut, was!?
Und was sie messen sollen, wird das Konstrukt des „linkspopulistischen Verschwörungsdiskurses“ sein. Wir werden die Elemente dieses Konstruktes in Form einer handlichen Liste gemäß dem Vorbild, das Puschmann et al. abgeben, zusammenstellen, äh, nein, auf „hybride“ Weise „deduktiv-induktiv“ oder so gewinnen und am „vollen Textkorpus“ „validieren“, mit dem uns Puschmann et al. (2022) mit ihrem Text versorgt haben. Auf diese Weise liefern wir die LPC-Lex, auf die zu liefern Puschmann et al. bedauerliche gänzlich verzichtet haben.
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Literatur
Basham, Lee, 2003: Malevolent Global Conspiracies. Journal of Social Philosophy 34(1): 91–103.
Bjerg, Ole, & Presskorn-Thygesen, Thomas, 2017: Conspiracy Theory: Truth Claim or Language Game? Theory, Culture & Society 34(1): 137–159.
Dentith, Matthew R. X., 2016: When Inferring to a Conspiracy Might Be the Best Explanantion. Social Epistemology 3(5–6): 572–591.
Giry, Julien & Gürpınar, Doğan, 2020: Functions and Uses of Conspiracy Theories in Authoritarian Regimes, S. 317–329 in: Routledge Handbook of Conspiracy Theories in Authoritarian Regimes, S. 317–329 in: Butter, Michael, & Knight, Peter (Hrsg.): Routledge Handbook of Conspiracy Theories. London: Routledge. Dieser Artikel ist auch les- und herunterladbar unter der Adresse https://www.semanticscholar.org/paper/Functions-and-Uses-of-Conspiracy-Theories-in-Giry‑G%C3%BCrp%C4%B1nar/d38af45455d36fa4081099f9a22f928d102365ac
Hagen, Kurtis, 2022: Are ‘Conspiracy Theories’ So Unlikely to Be True? A Critique of Quassim Cassam’s Concept of ‘Conspiracy Theories’. Social Epistemology 36(3): 329–343.
Hagen, Kurtis, 2022a: Is Conspiracy Theorizing Really Epistemologically Problematic? Episteme 19(2): 197–219.
Marques, André, 2021: The Role of System Justification and Leader Legitimacy in Explaining Group Reactions Towards Controversial Leadership. Doctor of Philosophy (PhD) thesis, University of Kent. doi:10.22024/UniKent/01.02.87030
Puschmann, Cornelius, Karakurt, Hevin, Amlinger, Carolin, Gess, Nicola, & Nachtwey, Oliver, 2022: RPC-Lex: A Dictionary to Measure German Right-wing Populist Conspiracy Discourse Online. Convergence 0(0): 1–28. Der Text kann unter der Rubrik “Online First” (und hoffentlich auch zuletzt) unter der Adresse https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/13548565221109440?af=R&ai=1gvoi&mi=3ricys gelesen und heruntergeladen werden.
Stojanov, Ana, & Halberstadt, Jamin, 2019: The Conspiracy Mentality Scale. Distinguishing Between Irrational and Rational Suspicion. Social Psychology 50(4): 215–232.
Quelle: sciencefiles.org
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