Verband Fami­li­en­arbeit e. V. – Was ist das?

Elter­liche Betreu­ungs­arbeit ran­giert weit unter der soge­nannten Erwerbs­arbeit und erfährt keine Aner­kennung. Das zeigt nicht nur ein voll­kommen fal­sches Ver­ständnis von Familie, sondern ist zutiefst schädlich für Betei­ligte. Der Verband Fami­li­en­arbeit e. V. ver­tritt und stärkt die Inter­essen derer, die ihre Kinder selbst betreuen wollen.

Ein Interview mit Dr. Johannes Resch, Vor­sit­zender des Verband Fami­li­en­arbeit e. V.

Wie ist der Verein ent­standen und durch wen?

Die Gründung unseres Ver­bandes erfolgte 1979, damals unter dem Namen Deutsche Haus­frau­en­ge­werk­schaft (DHG). Die Grün­de­rinnen waren Teil­neh­me­rinnen eines Volks­hoch­schul­kurses, in dem die Frage aufkam, wer eigentlich die Inter­essen derer ver­tritt, die in Familien Kinder betreuen und Ange­hörige pflegen, da es keine den Gewerk­schaften für Arbeit­nehmer oder den Ver­bänden der Frei­be­rufler ver­gleichbare Orga­ni­sation gebe. Hin­ter­grund war der kurz zuvor erschienene Dritte Fami­li­en­be­richt, der die massive Benach­tei­ligung der elter­lichen Kin­der­be­treu­ungs­arbeit innerhalb unseres Sozi­al­systems the­ma­ti­sierte. Der Name »Gewerk­schaft« führte zu einer Aus­ein­an­der­setzung mit dem Deut­schen Gewerk­schaftsbund (DGB), der den Begriff »Gewerk­schaft« sogar auf gericht­lichem Wege als auf Arbeit­nehmer begrenzt absi­chern wollte. Von der ursprünglich beab­sich­tigten Klage gegen unseren Verband wurde dann aber abge­sehen, um der DHG nicht noch mehr Publi­zität zu verschaffen.

Leider wurden die poli­ti­schen Schwer­punkte durch den Ein­marsch der Russen in Afgha­nistan zum Jah­resende 1979 wieder völlig ver­schoben. Auf einmal waren Rüstung und Wehr­pflicht aktuelle Themen und Fami­li­en­po­litik trat wieder in den Hin­ter­grund. Trotzdem wuchs die DHG auf über tausend Mit­glieder an. Der Name wurde 2011 in Verband Fami­li­en­arbeit e. V. geändert. Damit kommt zum Aus­druck, dass sich der Verband nicht mehr nur als Ver­tretung der »Haus­frauen« betrachtet, sondern aller Eltern, da in der Regel beide Eltern die Folgen der Nicht­be­wertung der Betreu­ungs­arbeit gemeinsam tragen.

Was ist der Zweck bzw. das Ziel des Vereins?

Das wesent­liche Ziel ist die ideelle und finan­zielle Aner­kennung der in der Familie geleis­teten Betreu­ungs­arbeit an den Kindern, die ja heute – wirt­schaftlich gesehen – nicht mehr bevorzugt den Eltern zugu­te­kommt, wie das früher der Fall war. Besonders auf­grund der gesetz­lichen Ren­ten­ver­si­cherung kommt die Erziehung von Kindern heute allen Arbeit­nehmer zugute, da ihnen die heu­tigen Kinder später eine Rente zahlen müssen, wobei die Eltern in der Regel sogar geringere Renten erhalten, weil der Anspruch gegenüber den Kindern sach­widrig von deren Erziehung gelöst und an Erwerbs­arbeit gebunden wurde. Trotzdem ist nach wie vor die elter­liche Betreu­ungs­arbeit eigent­licher Beitrag für die Alters­si­cherung, weil die heu­tigen Kinder die spä­teren Renten bezahlen müssen. Die Sozi­al­bei­träge der Erwerbs­tä­tigen finan­zieren dagegen lediglich die Renten der aktu­ellen Rentner also der Eltern der Bei­trags­zah­lenden und deren Alters­genoss, tragen also zur eigenen Rente der Ein­zah­lenden in Wirk­lichkeit nichts bei.

Unser Verband will heute auch nicht mehr nur eine Inter­es­sen­ver­tretung der Eltern sein, sondern ver­steht sich als Ver­fechter einer gesell­schafts­po­li­ti­schen Nach­hal­tigkeit, da der Fort­be­stand einer leis­tungs­fä­higen Gesell­schaft nicht allein durch Hono­rierung der her­kömm­lichen Erwerbs­arbeit zu sichern ist, sondern auch die elter­liche Betreu­ungs­arbeit unver­zichtbar ist. Wichtig erscheint uns dabei, dass die Kin­der­be­treuung den Eltern nicht einfach durch den Staat abge­nommen werden darf, wie es heute z. B. durch die Finan­zierung von Kin­der­krippen erfolgt. Das für die Kin­der­be­treuung erfor­der­liche Geld ist vielmehr den Eltern selbst aus­zu­hän­digen, damit diese selbst ent­scheiden können, ob sie damit die Eigen­be­treuung oder eine Fremd­be­treuung ihrer Wahl finan­zieren. Die Rück­führung der Kin­der­er­ziehung in die Hände der Eltern betrachten wir eben­falls – gemäß einem aktu­ellen Buch­titel – als »Rena­tu­rierung der Kindheit«.

Die gegen­wärtige »Gleich­stel­lungs­po­litik« unter dem Mantra »Ver­ein­barkeit von Familie und Beruf« betrachten wir dagegen als einen Holzweg, der nicht wei­ter­führt, weil er vor allem die Erwerbs­arbeit zum Maßstab nimmt und die elter­liche Betreu­ungs­arbeit igno­riert. Elter­liche Betreu­ungs­arbeit und Erwerbs­arbeit sind zwar nicht gleich, aber gleich­wertig und daher auch gleich­wertig zu hono­rieren, wenn der Gewinn aus der Kin­der­er­ziehung ver­ge­sell­schaftet wird, wie es in unserem Sozi­al­system geschehen ist. Eine Gleich­be­rech­tigung der Geschlechter und der Eltern wird erst dann möglich werden, wenn elter­liche Erzie­hungs­arbeit und Erwerbs­arbeit »gleich­ge­stellt«, also auch ver­gleichbar finan­ziell hono­riert werden.

Wir halten es für ein Unding und auch für ver­fas­sungs­widrig, wenn die Abgabe eines Klein­kindes in Fremd­be­treuung heute durch Garantie eines Krip­pen­platzes mit ca. 1.200 Euro/Monat sub­ven­tio­niert wird, während die Eltern keinen Cent erhalten, wenn sie ihr Kind selbst betreuen.

Wie erreichen Sie diesen?

Eine sach­ge­rechte Bewertung der Kin­der­be­treuung innerhalb des Sozi­al­systems ist eine poli­tische Aufgabe und kann somit nur auf poli­ti­scher Ebene erreicht werden. Familien sind da schon von vorn­herein im Nachteil, weil die Kinder, die ja eben­falls Staats­bürger sind, bei Wahlen nicht berück­sichtigt werden. Schon deshalb gehört zu unseren For­de­rungen, dass die poli­tische Teilhabe für Kinder dadurch erreicht wird, dass bei Wahlen die Eltern oder andere Sor­ge­be­rech­tigte deren Inter­essen ver­treten können, indem sie ein Stimm­recht für ihre Kinder erhalten. Sie müssen auch in anderen Fragen für ihre Kinder ent­scheiden. Die Eltern sind tat­sächlich in aller Regel bessere Garanten der Kin­der­rechte als der Staat, der ja gerade ein Sozi­al­system geschaffen hat, das die Inter­essen von Kindern und Eltern sehr stief­müt­terlich behandelt.

Freilich können wir nicht auf eine Reform des Wahl­rechts warten. Zunächst ist es unsere Aufgabe, das poli­tische Bewusstsein der Eltern­schaft zu stärken bzw. erst zu wecken. So gibt es in unserer Gesell­schaft z. B. ein Bewusstsein der Arbeit­nehmer und der Frei­be­rufler, aber kein wirk­liches Eltern­be­wusstsein, obwohl die Eltern durch Erziehung ihrer Kinder eine ver­gleichbar wichtige Arbeit leisten wie Erwerbs­tätige. Dazu betreiben wir Öffent­lich­keits­arbeit, soweit uns das möglich ist. In den letzten Jahren haben wir vor allen Bundes- und Land­tags­wahlen an die poli­ti­schen Par­teien Wahl­prüf­steine ver­sandt, deren Ant­worten wir dann ver­breitet haben.

Was haben Sie bis jetzt erreichen können? Gibt es Meilensteine?

Sicher ist es schwer zu beur­teilen, inwieweit diese Öffent­lich­keits­arbeit Erfolg hatte. Aber wenn Eltern gar nicht erst ver­suchen, ihre Anliegen und Rechte zu ver­treten, wären die Aus­sichten noch hoff­nungs­loser. Im Übrigen werden Folgen der fami­li­en­feind­lichen Politik, wie Gebur­ten­schwund mit fol­gendem Arbeits­kräf­te­mangel, Desta­bi­li­sierung des Sozi­al­systems und der Familien immer deut­licher. So ist es möglich, dass die Hin­ter­gründe sehr plötzlich wieder bewusster werden, und dann der Boden für echte Reformen besser bereitet ist.

Wie viele Mit­glieder hat der Verein?

Der Verein hat heute etwa 340 Mit­glieder. Wir ver­schweigen nicht, dass es nach 2000 bis etwa 2010 auch wegen Fehlern und Streit in der Ver­bands­führung zu einem deut­lichen Rückgang der Mit­glie­derzahl kam, der aber dann abflachte und in den letzten Jahren wieder eine leichte Auf­wärts­be­wegung zeigt. Vor diesem Hin­ter­grund ist es aller­dings nicht erstaunlich, dass sich bei den noch ver­blie­benen Grün­de­rinnen zum Teil eine Resi­gnation bemerkbar macht, weil die anfäng­lichen Ziel­vor­stel­lungen nicht erreicht werden konnten. Die Zukunft des Ver­bandes wird davon abhängen, ob es gelingt, neue Mit­glieder zu gewinnen, die dem Verband wieder mit neuen Ideen neuen Lebensmut ein­hauchen können.

Auf der poli­ti­schen Bühne wird der Verband heute oft als »überholt« und »von gestern« dar­ge­stellt und damit der begrenzte Erfolg erklärt. Ande­rer­seits sind ver­gleichbare Ver­bände anderer Arbeits­be­reiche, z. B. für Arbeit­nehmer oder Selbst­ständige, in der Ver­tretung ihrer Inter­essen sehr wirksam und erfolg­reich, sodass dieses Argument nicht wirklich stich­haltig ist. Der Haken liegt eher am man­gelnden poli­ti­schen Bewusstsein der Eltern­schaft. Es ist Aufgabe unseres Ver­bandes, ein solches Bewusstsein zu stärken bzw. erst zu schaffen. Das Argument, den Eltern fehle ein Arbeit­geber, gegenüber dem For­de­rungen gestellt werden könnten, ist falsch. Schließlich hat der Gesetz­geber das bestehende fami­li­en­feind­liche Sozi­al­system geschaffen, das die Eltern prak­tisch ent­eignet hat. Deshalb können von ihm auch Kor­rek­turen ver­langt werden.

Dr. Johannes Resch

Wie können Inter­es­sierte, neben einer Mit­glied­schaft, Sie unterstützen?

Sicher ist die beste Unter­stützung unseres Ver­bandes eine Mit­glied­schaft. Aller­dings spielt hier eine Rolle, dass namentlich junge Eltern durch die Dop­pel­be­lastung von Erwerbs- und Betreu­ungs­arbeit wenig freie Zeit und Geld haben, um sich zu enga­gieren. Wir sind daher auch dankbar für jedes »inaktive« Mit­glied, das dann die Ver­eins­arbeit älteren Eltern mit grö­ßerem Spielraum über­lässt. So sprechen wir auch gezielt Groß­eltern an, die im Interesse ihrer Kinder und Enkel im Verband aktiv werden wollen. Das kann besonders durch Unter­stützung in der Öffent­lich­keits­arbeit geschehen.

Im Übrigen ist unser Verband als gemein­nützig aner­kannt, sodass Spenden steu­er­ab­zugs­fähig sind.

Welche Frage würden Sie gern gestellt bekommen und beantworten?

Das Kern­problem, dem wir gegen­über­stehen, liegt in unserem Sozi­al­system. Es hat den wirt­schaft­lichen Nutzen von Kindern über gesetz­liche Ver­si­che­rungen nach dem Umla­ge­ver­fahren ver­ge­sell­schaftet, aber die Kosten der Kinder ganz über­wiegend bei den Eltern belassen. Das Ergebnis war zwangs­läufig, dass Kinder immer mehr zu einem »Kenn­zeichen der Armut« geworden sind und damit »Familie« an Attrak­ti­vität ver­loren hat. Die Folgen in Form von Gebur­ten­schwund mit fol­gendem Arbeits­kräf­te­mangel und Desta­bi­li­sierung der Sozi­al­systeme unter­graben immer mehr die Zukunfts­fä­higkeit unserer Gesell­schaft. Es genügt also nicht, in der Umwelt­po­litik mehr Nach­hal­tigkeit zu fordern. Wir brauchen auch Nach­hal­tigkeit in der Gesellschaftspolitik.

Die ent­schei­dende Frage, die sich unser Verband stellt, lautet:

Wie kann das ursprünglich unter natür­lichen Bedin­gungen vor­handene Gleich­ge­wicht zwi­schen Inves­tition in Kinder und Gewinn durch Kinder wieder her­ge­stellt werden?

Nun ver­kennen wir nicht, dass auch eine ver­si­che­rungs­recht­liche Absi­cherung von Alter und Krankheit erheb­liche Vor­teile hat. Die frühere Absi­cherung durch Kinder oder Kapital war zwar gerechter, aber eben auch mit erheb­lichen Risiken ver­bunden. So konnten Kinder vor­zeitig sterben oder erkranken und so als Alters­si­cherung aus­fallen. Auch gespartes Kapital oder Ver­mögen konnte durch miss­liche Umstände ver­loren gehen.

Die gestellte Aufgabe ist also genauer zu fassen:

Wie kann ein Gleich­ge­wicht zwi­schen Kosten und wirt­schaft­lichem Nutzen der Kinder wie­der­her­ge­stellt werden, ohne ver­si­che­rungs­recht­liche Rege­lungen aufzugeben?

Die letzten Jahr­zehnte haben gezeigt, dass eine Alters­si­cherung nach dem Umla­ge­ver­fahren (Prinzip: Die aktu­ellen Arbeit­nehmer bezahlen die Renten der frü­heren Arbeit­nehmer) über ein bis zwei Gene­ra­tionen hinweg durchaus funk­tio­nieren kann, aller­dings mit der Folge einer fort­schrei­tenden Zer­störung der Familien. Das führt dann aber auch wieder zur Zer­störung dieses Systems, wie es zunehmend deutlich wird. Eine Lösung kann nur darin bestehen, das Umla­ge­ver­fahren zugunsten der Alten zu ergänzen durch ein gleich­wer­tiges Umla­ge­ver­fahren zugunsten der Kinder bzw. der Kin­der­er­ziehung (Prinzip: Alle Erwerbs­tä­tigen finan­zieren die Kosten der Kinder). Ein solches Gleich­ge­wicht zwi­schen Jugend- und Alters­si­cherung war bereits vom »Vater des Umla­ge­ver­fahrens« Wilfrid Schreiber im Jahr 1955 vor­ge­schlagen worden. Das wurde dann aber von Ade­nauer in den Wind geschlagen. Für ihn galt nur der kurz­fristige Wähler-Erfolg bei den durch die fol­gende Ren­ten­reform 1957 begüns­tigten Rentner.

Als kurz­fris­tiges Ziel kann z. B. eine Reform des Eltern­geldes und der Betreuung von U3-Kindern ange­strebt werden. Es ist schlichtweg ein Unding und auch ver­fas­sungs­widrig, dass heute die Abgabe eines Klein­kindes in Fremd­be­treuung durch staat­liche Finan­zierung eines Krip­pen­platzes mit ca. 1.200 Euro/Monat sub­ven­tio­niert wird, während selbst betreuende Eltern keinen Cent erhalten. Kin­der­ge­recht wäre es, den Eltern diese 1.200 Euro aus­zu­hän­digen, sodass sie selbst ent­scheiden könnten, wie sie die Betreuung ihrer Kinder regeln. Eltern wissen in der Regel eher als der Staat, was für ihre Kinder das Beste ist.

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Verband Fami­li­en­arbeit e.V.

Grün­dungsjahr: 1979 – unter dem Namen Deutsche Haus­frau­en­ge­werk­schaft (DHG)

Sitz: Grün­stadt, Rheinland-Pfalz

Akti­onsraum: deutschlandweit

Mit­glie­derzahl: 340

Vor­stand: Dr. Johannes Resch, Jen­niffer Ehry-Gissel, Ute Stein­heber, Gertrud Martin, Dr. Dorothea Böhm, Beri Fahrbach-Gansky, Maria Schmid

Dr. Johannes Resch Bür­ger­meister-Stöcklein-Str. 9 76855 Ann­weiler Tel.: 063469890628 Johannes.Resch@t‑online.de

familienarbeit-heute.de


Quelle: unerzogen-magazin.de