ZWI­SCHEN SADISMUS UND SATA­NISMUS: »In der Hölle geboren, in der Hölle gelebt«

Im Zuge meiner Recherchen zum Thema Sata­nismus und ritu­ellen Miss­brauchs bin ich auf Mona gestoßen. Ihre Lebens­ge­schichte über­steigt jede Vor­stel­lungs­kraft. Eine Lebens­ge­schichte, die geprägt ist von sadis­ti­schen Miss­hand­lungen, exzes­siver Gewalt, sexu­ellem Miss­brauch, Teu­felskult, Exor­zismus und Unglauben der Öffent­lichkeit, bis ihr schließlich Gerech­tigkeit widerfährt.

Mir liegen dazu Gerichts­do­ku­mente, ärzt­liche Atteste, Tage­buch­auf­zeich­nungen, The­ra­pie­be­richte, Anwalts­schreiben und Fotos vor.

1968 wird Mona als jüngstes von sechs Kindern geboren (in der zweiten Ehe der Eltern; zusammen mit der ersten Ehe ist sie das zwölfte Kind). Monas Vater ist Alko­ho­liker und ein Sadist wider­wär­tigster Art. Die Mutter Analpha­betin und ver­hal­tens­ge­stört. Sie leben gemeinsam in einem umge­bauten Hüh­ner­stall ohne elek­tri­sches Licht und ohne flie­ßendes Wasser. Ratten und Mäuse laufen durch die Wohnung. Die Kinder sind ver­dreckt und voller Ungeziefer.

Der Schocker

Mona erinnert sich an sexu­ellen Miss­brauch (oral, anal, vaginal) durch den Vater, seit sie acht ist, ver­mutet aber, dass dieser schon vorher statt­ge­funden hat. Sie muss ihren Vater befrie­digen, bricht oft zusammen, wird von ihm brutal geschlagen. Die Mutter verhält sich völlig passiv. Einmal hängt sie ihr Vater in der Küche auf, ver­ge­waltigt sie. Mehrmals täglich muss sie mit ihm sadis­tische Filme ansehen. Dabei stellt er ver­schiedene gewalt­tätige Szenen mit ihr nach.

Zärt­lich­keiten gibt es nie von den Eltern. Der Erzeuger schenkt ihr manchmal tote Mäuse oder Ratten, um sie zu erschrecken, sperrt sie stun­denlang in den Besen­schrank, bindet sie auf einen Stuhl fest, tötet kleine Hunde und Katzen, deren Fleisch sie roh essen und das Blut trinken muss. Oder er steckt ihr nach dem Hüh­ner­schlachten Hüh­ner­köpfe in den Mund, will sie im Plumpsklo ertränken, hält sie unter eine Kreissäge im Hof und droht sie durch­zu­sägen, wenn sie jemals etwas erzählen würde. Und er »schleift« ihr mit einem Messer die oberen Haut­partien ab. An ihrem ganzen Körper sind Narben zu sehen.

Gewalt und sexuelle Miss­handlung gehören zu Monas Alltag. Nach außen hin schweigt sie, beginnt sich aber selbst zu verletzen.

Ihr Vater ver­kauft sie für ein paar Mark und Alkohol an Sauf­kumpane und andere, die sie ver­ge­wal­tigen. Mona infor­miert irgendwann das Jugendamt darüber. Ihr wird jedoch nicht geglaubt (Anmerkung: einige damals hin­zu­ge­zogene Fach­leute und die ehe­malige Sozi­al­ar­bei­terin haben sich später bei Mona für ihre Fehl­ein­schätzung entschuldigt).

Mit vier­einhalb Jahren kommen Mona und zwei Schwestern auf­grund mas­siver Ver­nach­läs­si­gungs­er­schei­nungen in eine Pfle­ge­fa­milie. Dennoch müssen sie regel­mäßig die leib­lichen Eltern besuchen.

Mona kommt auch mit ihrer Pfle­ge­fa­milie nicht zurecht, kann wegen ihrer Ver­hal­tens­stö­rungen kein Ver­trauen auf­bauen. Sie hat Angst vor allen Men­schen und zudem, dass ihr Pfle­ge­bruder sie eben­falls miss­braucht. Wieder glaubt ihr niemand. Und so muss sie zurück zu ihren leib­lichen Eltern. Dennoch schafft sie den Hauptschulabschluss.

Monas Vater ist Mit­glied natio­nal­so­zia­lis­tisch geprägter Sata­nisten. Diese treffen sich an bestimmten Tagen auf dem Friedhof und anderen Orten, um Rituale abzu­halten. Dabei werden auch Men­schen gefoltert. Schlimmer noch – getötet, die Organe ver­speist und das Blut getrunken. Als Kind und Jugend­liche wird Mona in diesen unvor­stell­baren Teu­fels­reigen ein­ge­bunden, rituell miss­braucht und gefoltert und muss später selbst foltern und weitaus Abscheu­li­cheres. Schwan­ger­schaften werden gewaltsam her­bei­ge­führt und dann abge­brochen. Die Föten rituell geopfert. Mona weist zahl­reiche Narben im Geni­tal­be­reich auf.

Mit sechs fängt Mona das Rauchen an, erkrankt an Mager­sucht. Mit acht trinkt sie erstmals Alkohol. Zu Hause gibt es nur Schnaps, Bier, Kaffee und Lei­tungs­wasser. Mit fünfzehn hat sie Kontakt zur lokalen Dro­gen­szene. Hier lernt sie auch ihren ersten Freund kennen, der später bei einem Ver­kehrs­unfall ums Leben kommt. Mona kifft, nimmt Tabletten, inha­liert Lösungs­mittel und trinkt Alkohol. Mit sechzehn begeht sie ihren ersten Selbst­mord­versuch, der jedoch misslingt.

Einer von Monas Brüdern ist genauso sadis­tisch ver­anlagt wie der Vater. Er hat große Freude daran, seine Schwester zu quälen. Er beteiligt sich auch an ihrem Miss­brauch, ver­ge­waltigt sie zwi­schen ihrem zehnten und acht­zehnten Lebensjahr immer wieder. Mona wird gesagt, dass sie ohnehin nicht »gewollt« gewesen sei. Sie bleibt das »Schwarze Schaf« der Familie.

Schließlich gerät sie in ihrer Aus­weg­lo­sigkeit in die Fänge einer evan­ge­likal aus­ge­rich­teten Sekte. Hier wird ihr erklärt, dass sie vom Satan besessen sei und sich einer »christ­lichen The­rapie«, sprich einem Exor­zismus, unter­ziehen müsse. Die Teu­fels­aus­treibung gipfelt darin, dass der Ehe­gatte der Sek­ten­chefin sie miss­braucht, will damit als »Hei­liger Mann« den Teufel aus ihren Kör­per­öff­nungen aus­treiben, in der er durch ihren Vater ein­ge­drungen wäre. Flucht­artig ver­lässt Mona die Sekte, wird aber wei­terhin bedrängt.

Auf­grund von Monas Sucht­ver­halten (Alkohol, Drogen etc.) folgen diverse Auf­ent­halte in ver­schie­denen Psych­ia­trien. Mit siebzehn – nach der Ent­lassung aus einer Suchtstation – nehmen die leib­lichen Eltern sie erneut bei sich zu Hause auf.

Dann wird Mona von ihrem eigenen Vater schwanger! Er weiß jedoch nichts davon. Als er seine Tochter wieder einmal zusam­men­tritt, ver­liert sie an Sil­vester 1985 das Inzest-Kind. Erneute Ein­wei­sungen in diverse Kran­ken­häuser folgen. Mona ver­letzt sich erneut selbst, benutzt den kör­per­lichen Schmerz, um den see­li­schen zu ver­gessen. Zwi­schen den Kran­ken­haus­auf­ent­halten wohnt sie zeit­weise bei den Eltern oder in Wohn­ge­mein­schaften. Ihr Vater droht sie zu töten, wenn sie etwas über den sexu­ellen Miss­brauch erzählen würde. Mona selbst will ihn eines Tages mit einem Küchen­messer umbringen, schafft es aber nicht.

Dann lernt sie zwei Männer kennen, die mit ihr eine Beziehung ein­gehen wollen. Doch daraus wird nichts, weil sie denkt, dass diese genauso gewalt­tätig wie ihr Vater wären. Als Schutz trägt sie immer ein Messer bei sich.

Mit vier­und­zwanzig wird bei Mona das erste Mal eine Bor­derline-Störung dia­gnos­ti­ziert. Taub­heits­ge­fühle in den Unter­schenkeln treten auf, die Schwäche nimmt zu – psy­chogene Läh­mungen. Mona ist von nun an einen Roll­stuhl gefesselt, bekommt einen Katheter auf­grund einer Blasenfunktionsstörung.

Später spricht einer der Experten davon, dass bei Mona auch eine Dis­so­ziative Störung vor­liegen würde, also eine Per­sön­lich­keits­spaltung, eine Mul­tiple Per­sön­lichkeit. Die ein­zelnen Per­sön­lich­keits­an­teile äußern sich als mehrere geschä­digte Kinder: eine erwachsene Gewalt­tätige, eine traurige Erwachsene und eine hand­lungs­fähige und kom­pe­tente Erwachsene. Ver­schiedene The­rapien folgen. Doch wei­terhin werden die Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­würfe gegen den Vater nicht geglaubt und Wahn­vor­stel­lungen zuge­ordnet. Mona schafft es dennoch Kraft eigenen Willens, die Läh­mungs­er­schei­nungen in ihren Beinen zu über­winden. Dann zieht sie in eine Wohnung, in der sie mobil betreut wird.

Endlich zeigt Mona ihren Erzeuger an, nimmt dafür ihre ganze Kraft zusammen. Ihr eins­tiges Elternhaus wird durch­sucht, der Vater vor­über­gehend fest­ge­nommen und zwei Gut­achter befragt. Ein Psy­cho­lo­gie­pro­fessor befindet Monas Aus­sagen für glaub­würdig, hält sie aber nicht für trag­fähig genug. Der andere Psych­iater dia­gnos­ti­ziert Wahn­vor­stel­lungen (Bor­derline-Syndrom). Die Klage gegen ihren Vater wird abgewiesen.

Einige Zeit später wird Mona von einem Bekannten, der langsam ihr Ver­trauen gewonnen hat, in ihrer Wohnung ver­ge­waltigt. Die Art ent­spricht in Details dem Vor­gehen des Vaters, so dass sie ver­mutet, dieser hätte den Mann dazu ange­stiftet. Mona lässt sich sofort gynä­ko­lo­gisch unter­suchen und erstattet Anzeige. Der Gut­achter, der ihr einst Wahn­vor­stel­lungen attes­tierte, wird als befangen abge­lehnt. Ein anderer Gut­achter erstellt die Expertise. Er findet Monas Aus­sagen glaubhaft. Die Unter­su­chungen bestä­tigen dieses Ergebnis, der Ver­ge­wal­tiger wird ver­ur­teilt! Das erste Mal tri­um­phiert Mona in ihrem Schmerz. Endlich, nach so vielen Jahren, wurde ihr geglaubt!

Kör­perlich geht es Mona etwas besser. Sie baut ihre Aggres­sionen im Roll­stuhl nun am Sandsack ab. Und sie ver­sucht sich immer mehr, von ihrer älteren Schwester zu distan­zieren, die wei­terhin Kontakt zu ihren Eltern hat.

Mona lernt einen ein­fühl­samen Mann kennen. 2001 hei­raten sie und sie möchte ein Kind. Aber sie ist unfruchtbar. Eine künst­liche Befruchtung miss­lingt. Erneut bricht Mona zusammen, muss sta­tionär in einer Trauma-Station behandelt werden. Obwohl der Kin­der­wunsch da ist, gibt ihr Ehemann zu bedenken, dass ein Kind bei ihnen viel­leicht gar nicht sicher wäre (vor den Sata­nisten). Mona stellt dar­aufhin den Kin­der­wunsch zurück. Während des Auf­ent­halts im Lan­des­kran­kenhaus erinnert sie sich an mehrere Schwan­ger­schaften, brutale Schwan­ger­schafts­ab­brüche durch die Sata­nisten und Opfe­rungen von Föten. Mona kann nun kaum mehr sprechen, hat wieder Schwie­rig­keiten mit ihrer Motorik und auch ihre Bla­sen­pro­bleme nehmen erneut zu. Die Psych­iater haben alle Hände voll zu tun ihr zu helfen. Aber sie kämpft tapfer, erholt sich.

Mona ist von einem schwer trau­ma­ti­sierten, ver­ängs­tigten Opfer zu einer reifen Frau geworden, die eigene Ent­schei­dungen fällen kann. Zusammen mit ihrem Mann kauft sie ein Haus, um nicht immer wieder »davon­zu­laufen.« Jetzt hat sie ihr Leben endlich im Griff. Trotzdem muss sie noch Tabletten nehmen und sich regel­mäßig in Behandlung begeben. Sie hofft auf das Glück, das ihr so lange versagt geblieben ist. Doch die Erin­ne­rungen bleiben. Und die Angst.

Dennoch ist ihr das Schicksal nicht wohl­ge­sonnen. Früh, viel zu früh ver­stirbt sie schließlich im Jahr 2011.

Den größten Teil ihres irdi­schen Daseins führte sie ein Leben zwi­schen Sadismus und Sata­nismus, zwi­schen Glauben und Unglauben.


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de