Unsere Gesellschaft ist zu einer Gesellschaft geworden, in der es uns leichter fällt, Produkte zu ersetzen, anstatt sie zu reparieren. Ein T‑Shirt für 3 Euro, eine Jeans für 9 Euro, Blusen um fünf Euro und Sneakers um drei Euro – mit dieser Schnäppchen-Strategie haben die Billiganbieter enormen Erfolg. Davon profitieren auch Aldi und Konkurrent Lidl. Mit der „Aktionsware“ Textilien setzen sie Millionen Euro pro Jahr um. Und müsste man die Kleidung von H&M beschreiben, würde der Satz lauten: „Sieht gut aus und kostet fast nichts.“ „Bekleidungsfirmen sind Nomaden“, sagt ein auf das Gewerbe spezialisierter Berater, „sie gehen dorthin, wo es für sie am billigsten ist. Steigen Löhne und Nebenkosten in Ländern wie Bangladesch zu stark, zieht die Karawane weiter.“ Es geht noch billiger – also zieht die Karawane weiter – nach der Verlagerung der Textilindustrie von Europa nach Asien wird zunehmend Afrika als Standort erschlossen. Aber es geht noch billiger, die Textilindustrie hat ein Land für sich entdeckt, in dem zur Zeit die schlimmste Dürre seit 30 Jahren herrscht: Äthiopien und genau dort lässt H&M die T‑Shirts für Deutschland nähen. Praktisch, denn war Ihnen bekannt, dass die Baumwollbauern in Äthiopien aus Deutschland „gezwungen“ wurden, genmanipulierte Baumwolle anzubauen?
Der Rohstoff soll die heimische Textil- und Bekleidungsindustrie beflügeln, Profiteur BayerMonsanto. Und nicht nur die Nahrung ist mit Glyphosat verseucht, auch die Kleidung aus Baumwolle. Aber billig soll es sein. Namhafte internationale Textil- und Lederfirmen geben sich in der äthiopischen Hauptstadt die Klinke in die Hand. Äthiopien erhält die Maschinen, Apparate und Geräte für die Textil- und Lederindustrie sowie Teile davon größtenteils aus der Türkei, denn nicht nur China lässt in Äthiopien produzieren, sondern auch die Türkei. Die Bekleidungs- und Textilindustrie produziert jährlich mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke. Und nicht nur die etwa 3.000 verschiedenen Chemikalien, die für die Herstellung von Kleidung eingesetzt werden, hinterlassen grausame Spuren. Da recyceln zu teuer ist, schickt man die gebrauchten Textilien wieder zurück nach Afrika und sorgen dort für ein schreckliches Umweltdesaster. Der Import gebrauchter Kleidung hat die regionale Bekleidungsindustrie in Afrika zugrunde gerichtet und die Regionen zu abhängig vom Westen gemacht. Und als die Länder in Afrika die gebrauchte Kleidung nicht länger haben wollten, drohten die Industriestaaten sogar mit Sanktionen. Und da viele Länder in Afrika sich weigerten, hat die Textilindustrie Lateinamerika für sich entdeckt. Bis zu 20 Tonnen Textilien werden täglich illegal in der Atacama-Wüste entsorgt. Mode ist einer der größten Umweltverschmutzer der Welt. Diese Textilien verursachen sogar mehr Plastikmüll als Plastikflaschen oder andere Plastikartikel.
Wie wir zur Wegwerfgesellschaft wurden
Der Textildiscounter Primark hat es vorgemacht: Waschen lohnt sich nicht mehr, lieber kauft man neu: Ein T‑Shirt für 3 Euro, eine Jeans für 9 Euro, Blusen um fünf Euro und Sneakers um drei Euro – mit dieser Schnäppchen-Strategie hat der Billiganbieter enormen Erfolg.
„Benutze niemals das Wort ‚billig’. Heute kann jeder in preiswerter Kleidung schick aussehen.“ Karl Lagerfeld
Während früher jeder das schätzte, was er hatte, kümmert sich heute die Mehrheit der Weltbevölkerung nur darum, so viel Zeug wie möglich anzuhäufen; fälschlicherweise denken, es würde sie glücklicher machen. Und das Schlimmste ist, dass diese schlechten Konsumgewohnheiten einen enormen Einfluss auf die Welt haben.
Es ist wie mit Plastikflaschen, denn in unserer Gesellschaft fällt es uns leichter, eine weitere Wasserflasche zu kaufen, anstatt die bereits vorhandene wieder aufzufüllen. Und wir finden es bequemer, immer wieder neue Klamotten zu kaufen, statt sie abzutragen.
Brachte die Textilindustrie früher nur eine Frühjahr-/Sommer- und eine Herbst-/Winter-Kollektion heraus, sind es jetzt sogar bis zu 24 Unterkollektionen. Ihre Ware produzieren sie dabei möglichst billig, damit der Kunde auch billig und häufig einkaufen kann. Und damit die Konzerne trotzdem noch etwas daran verdienen, sparen sie in der der Qualität und produzieren billige Fast Fashion, zum Beispiel in Äthiopien. Hauptsache: Billig, billig, billig!
Der Planet leidet aufgrund unserer Unwissenheit und weil wir „Bequemlichkeit“ dem vorziehen, was besser für den Planeten ist. Nach Angaben der Vereinten Nationen verursacht die Modeindustrie etwa 10 % der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als der Luft- und Schiffs-verkehr zusammen und nur an zweiter Stelle nach der Ölindustrie.
Fast Fashion – wohin mit dem Textilmüll?
Viele unserer Altkleider, die an Wohltätigkeitsorganisationen gespendet werden, landen in verrottenden Textilbergen in Westafrika und verursachte dort eine Umweltkatastrophe.
Die Bekleidungs- und Textilindustrie produziert jährlich mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke oder etwa 13 Kleidungsstücke pro Person und Jahr. Eine noch verheerendere Statistik zeigt jedoch, dass nur etwa 1 % (1 Milliarde) dieser Kleidungsstücke für die Wiederverwertung produziert werden. Das bedeutet, dass Materialien im Wert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar direkt auf der Mülldeponie landen. Und weil man den Müll nicht im eigenen Land haben möchte, wird dieser nach Ghana gebracht und zerstört dort die Umwelt.
Wir Netzfrauen hatten bereits 2018 berichtet, dass die USA mit Sanktionen drohen, sollten Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda ihr Verbot von Altkleiderimporten nicht rückgängig machen. Wenn ein Land in Afrika Exporte aus den westlichen Ländern verweigert, weil sie der eigenen Wirtschaft schaden und somit auch Arbeitsplätze verloren gehen, droht man dem jeweiligen Land wie die USA oder man nimmt als Waffe ein Freihandelsabkommen wie die EU. Der Import gebrauchter Kleidung hat die regionale Bekleidungsindustrie in Afrika zugrunde gerichtet und die Regionen abhängig vom Westen gemacht. Etliche Länder Ostafrikas haben es gründlich satt, mit Second-Hand-Waren von westlichen Hilfsorganisationen und Großhändlern überschwemmt zu werden. Sie haben solche Importe verboten und in den letzten Jahren ihre Textilindustrie ausgebaut.
Die Fast-Fashion-Müllhalde in der Atacama-Wüste
Doch nicht nur in Afrika entstehen große Fast-Fashion-Müllhalden, sondern auch in der Atacama-Wüste in Chile.
Chile ist seit langem ein Zentrum für gebrauchte und unverkaufte Kleidung, die in China oder Bangladesch hergestellt und durch Europa, Asien oder die Vereinigten Staaten transportiert wird, bevor sie in Chile ankommt, wo sie in ganz Lateinamerika weiterverkauft wird.
Jedes Jahr bis zu 59.000 Tonnen Kleidung, die weder in den USA noch in Europa verkauft werden können, landen im Hafen von Iquique in der Freizone Alto Hospicio im Norden Chiles. Diese sind für den Wiederverkauf in Lateinamerika bestimmt. Davon werden bis zu 20 Tonnen Klamotten täglich illegal in der Atacama-Wüste entsorgt, mit schlimmen Folgen für die Umwelt und somit auch für den Planeten.
Der gigantische Altkleider-Friedhof zeig die „Auswüchse unserer Wegwerfgesellschaft sowie der Fast-Fashion-Industrie
Ihre Kleidung verursacht mehr Plastikmüll als Wasserflaschen und andere Plastikartikeln
Weltweit werden etwa 92 Millionen Tonnen Textilabfälle entweder verbrannt oder auf Deponien gelagert. Diese Menge entspricht der 16-fachen Füllung der Großen Pyramide von Gizeh.
Die meisten Menschen denken, dass Plastikartikel wie Wasserflaschen, Teller, Tassen, Gläser, Geschirr, Schüsseln und Behälter, die in Haushalten, Restaurants, bei Veranstaltungen und in Schulen verwendet werden, für den Großteil des Plastikmülls verantwortlich sind.
Beispiel USA: Laut der U.S. Environmental Protection Agency machten diese Gegenstände in den USA im Jahr 2018 nur etwa 1 Million Tonnen oder 0,4 Prozent des gesamten kommunalen Feststoffabfalls aus. Im Vergleich dazu summierte sich die Menge an Kleidung und Schuhen im selben Jahr auf 13 Millionen Tonnen oder 4,4 Prozent des gesamten kommunalen Festmülls.
Noch alarmierender ist, dass die Menge an Kleidung und Schuhen, die im Jahr 2018 recycelt wurde, nur 1,7 Millionen Tonnen betrug, was bedeutet, dass nur 13 Prozent tatsächlich recycelt wurden. Die Menge an Kleidung, die Amerikaner jedes Jahr wegwerfen, hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt, von 7 Millionen auf 14 Millionen Tonnen.
Es gibt noch eine zweite Art und Weise, wie Kleidung die Umwelt verschmutzt und den Klimawandel verschlimmert.
Jeder kann sich vorstellen, dass Plastik im Meer Fischen und Wildtieren schadet, aber die meisten wissen nicht, dass Kleidung die Weltmeere jeden Tag verschmutzt. Verschiedene Arten von Plastik machen etwa 60 Prozent der weltweit in Kleidung verwendeten Materialien aus. Dazu gehören verschiedene Arten von Kunststoffen wie Nylon, Acryl und Polyester, die laut dem Textile Exchange 2020 Preferred Material Market Report im Jahr 2019 allein einen Marktanteil von 52 Prozent an der globalen Faserproduktion hatten.
Die Umweltbelastung durch diese synthetischen Fasern ist zweifach:
- Das meiste davon wird auch heute noch unter Verwendung endlicher und nicht nachhaltiger fossiler Brennstoffe hergestellt.
- Darüber hinaus gelangen jedes Mal, wenn wir Kleidung in der Maschine waschen, Tausende von synthetischen Kunststoff-Mikrofasern in die Wasserversorgung, vom Abwasser in die Flüsse und Ozeane.
- Diese winzigen Mikrofasern gelangen zurück in unsere Lebensmittelversorgung und werden von Menschen und Wildtieren aufgenommen.
- Siehe auch: Hört auf unsere Kinder krank zu machen! Studienergebnisse zufolge haben Säuglinge mehr Mikroplastik im Stuhl als Erwachsene-Babies have 10 times more microplastics in their poo than adults, study finds
Das meiste Plastik im Ozean stammt nicht von Bechern oder Strohhalmen, sondern von kleinen Plastikstücken aus textilem Mikroplastik, so Our World in Data. BPA aus einer Plastikflasche ist gefährlich, aber dieses Mikroplastik, das wir konsumieren, ist viel schlimmer.
Dieses Problem wird durch die Nachfrage der Verbraucher nach neuen Modestilen in einem noch nie dagewesenen Ausmaß beschleunigt, selbst während der Pandemie, so Daniel Solomita ist Gründer und CEO von Loop Industries.
„Fast Fashion“ das neue Geschäftsmodell ist, das die meisten Einzelhandelsmarken heute nutzen.
Vereinfacht ausgedrückt: Heute können Kunden fast jeden Monat einen neuen Kleidungsstil kaufen. Das bedeutet, dass mehr Kleidung von den Herstellern produziert wird, was zu mehr Abfall führt – nicht nur, weil die Leute diese Einkäufe irgendwann in den Müll werfen. Auch die in den Geschäften verkauften Originalkleider werden nicht alle gekauft. Einige dieser Kleidungsstücke, die nicht mehr der Saison entsprechen, werden in Discountern verkauft, aber viele werden nie gekauft. Noch schlimmer ist, dass Kleidung aufgrund der Massenproduktion in den Fabriken heute zu günstigeren Preisen verkauft wird als noch vor 10 Jahren, was es den Kunden ermöglicht, mehr zu horten als sie brauchen.
Ökobilanz eines einzigen Polyester-T-Shirts
Eine im Journal of Fiber Bioengineering and Informatics veröffentlichte Ökobilanz zeigte, dass der Kohlenstoff-Fußabdruck eines einzigen Polyester-T-Shirts über seinen gesamten Lebenszyklus 20,56 kg CO2-eq beträgt. Darüber hinaus stellte ROADRUNNER fest, dass es mehr als 200 Jahre dauern kann, bis sich Textilien auf Mülldeponien zersetzen.
Was sind die Lösungen?
In Schweden haben die deutsche Firma Stadler und das norwegische Unternehmen Tomra in Malmö die weltweit erste vollautomatische Textilsortieranlage eröffnet. Das Projekt wird von der schwedischen Regierungsagentur für Forschung und Entwicklung Vinnova finanziert und vom schwedischen Institut für Umweltforschung IVL geleitet. Die Anlage soll eine Lösung zur Stoffsortierung für Recycler und Modemarken schaffen.
Unternehmen für saubere Technologien auf der ganzen Welt arbeiten an der Entwicklung praktikabler Lösungen, um den Wert synthetischer Fasern zu erschließen und sie von der Mülldeponie zu entfernen und sie in eine zirkuläre Textilwirtschaft zu bringen. Modemarken versuchen ebenfalls, Abfall zu vermeiden und recycelte Inhalte in ihre Produkte zu integrieren.
Es ist jetzt an der Zeit, dass Regierungen, Universitäten, Marken und Organisationen dringend mehr Werkzeuge entwickeln und mobilisieren, um den Schaden, der dem Planeten durch Textilabfälle zugefügt wird, rückgängig zu machen. So kann es nicht weitergehen, so Daniel Solomita, Gründer und CEO von Loop Industries.
WIE KANNST DU HELFEN
Die meisten Auswirkungen eines Wegwerfartikels sind negativ. Es zerstört die natürliche Umwelt und den Planeten, während du den Text gelesen hast.
Wenn wir in einer besseren Gesellschaft leben wollen, müssen Unternehmen nachhaltiger werden. Leider ändern sich nur wenige, um sich an die Zeit anzupassen, da Gewinne ihre Hauptpriorität bleiben.
Konzerne lieben es zwar, gemeinnützig und umweltschonend aufzutreten. Dies ist eine der wichtigsten Methoden, mit denen ein Unternehmen den Preis seiner Kleidung rechtfertigen und gleichzeitig einen Kundenstamm gewinnen kann, der nachhaltige und ethische Mode kaufen möchte. Die Realität ist leider eine andere, denn tatsächlich tun sie sehr wenig, um zum Beispiel umweltfreundlich zu sein. Auch werden immer noch Menschen in den Fabriken ausgebeutet. Konzerne werben mit Adjektiven wie grün, nachhaltig oder recycelt – Begriffe, die nicht rechtlich geschützt sind. Kurz gesagt, Greenwashing ist der Prozess, einen falschen Eindruck zu vermitteln oder irreführende Informationen darüber zu liefern, wie die Produkte eines Unternehmens hergestellt und vertrieben werden. Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass 60 % der Umweltaussagen der 12 größten britischen und europäischen Modemarken, darunter Asos, H&M und Zara, als „unbegründet“ und „irreführend“ eingestuft werden können. Auch Kleidung und Bettwäsche, die aus recycelten Plastikflaschen hergestellt werden, sind nicht nachhaltig. Sie werden meist in Asien hergestellt.
Verzichten Sie darauf, von Unternehmen zu kaufen, die keine Richtlinien haben, die nicht transparent über ihre Praktiken und ihre Lieferkette sind und vor allem: „Das nachhaltigste Outfit ist das, was Sie bereits im Schrank haben.
Netzfrauen Lisa Natterer und Doro Schreier
Quelle: netzfrauen.org
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