Vor kurzem schon ging die Meldung durch die Republik, dass in Lörrach einfach 40 Mieter aus ihren Wohnungen geworfen wurden, um Flüchtlingen Platz zu machen. Zu sehen, dass Deutsche im eigenen Land nichts mehr wert sind, stieß auf große Empörung. Doch das, was die Berliner Diakonie jetzt veranstaltet, schlägt dem Fass den Boden aus. Ein gesamtes Seniorenheim soll einfach geräumt werden, damit dort Flüchtlinge einziehen können. Bewohner, Angehörige und Personal sind außer sich. Der schnöde Grund: Wegen der öffentlichen Zuschüsse winken höhere Erträge. Und das von einer kirchlichen Institution.
Es sind 110 Senioren, die im Altenpflegeheim „Wohnen & Pflege Schillerpark“ im Berliner Stadtteil Wedding wohnen und umsorgt werden. Die Angehörigen der meisten Bewohner leben in naher Umgebung im selben Stadtteil. Eine schöne Situation, man kann stets schnell einmal bei Opa und Oma vorbeischauen, sich um ihre Wünsche und Bedürfnisse kümmern, menschliche Nähe bieten und sich auch um Behördengänge für die Altvorderen kümmern. Je weiter die Entfernungen sind, umso seltener die Besuche. Wir leben in einer Zeit, wo nur wenige Familien von einem Gehalt auskommen. Bei immer mehr Haushalten reichen in diesen Zeiten schon zwei Gehälter kaum, es werden immer mehr Einzelhaushalte, immer weniger Zeit für das Mitmenschliche. Und die Alten bleiben auf der Strecke.
Aus dem Seniorenheim geworfen zu werden, ist eine Katastrophe für sehr alte Leute. Es ist schon ein deprimierender, fundamentaler Eingriff in ihr Leben, wenn sie in ein Heim müssen. Die meisten empfinden es als „abgeschoben“ und aus ihrem Leben geworfen werden. Es dauert, bis sie sich akklimatisiert haben. Sie einfach umzusiedeln ist absolut herzlos. Sie haben in ihrer direkten Umgebung, mit Zimmernachbarn und Pflegepersonal Verhältnisse aufgebaut, was allein schon in hohem Alter nicht leicht ist. Sie kennen sich auf ihren kleinen, kurzen Wegen im Haus aus. Und nun müssen sie quasi „von vorne anfangen“. Das werden viele der Hochbetagten nicht wirklich unbeschadet überstehen und verkümmern.
Dabei war das Schillerpark-Seniorenheim für alle in diesem Stadtteil ein Glücksgriff. Die Berliner Johannisstift-Diakonie mietete das Gebäude im Jahr 2006 und zog in das für 141 Bewohnern konzipierte Gebäude ein. Der Mietvertrag lautete auf 25 Jahre, also bis 2031, mit Option zur Verlängerung, doch der Eigentümer, das Paul-Gerhard-Stift (ein Evangelisches Kirchenstift) meldete schon 2021 Eigenbedarf an und drängt nun auf Auszug bis 2024. Das sagte der Sprecher des Johannisstifts, Frau Lilian Rimkus, dem Focus. Zehn Jahre vor Ablauf der Mindestlaufzeit soll das Gebäude geräumt werden.
Das verwundert. Denn „Eigenbedarf“ ist gesetzlich ziemlich genau definiert. Bei Privatleuten, die vermieten, beschränkt sich der Eigenbedarf auf die eigene Familie oder direkte Verwandte und nicht auf irgendjemanden sonst. Das Paul-Gerhard-Stift will aber das Gebäude gar nicht selber nutzen, es würde auch keine „Unterorganisation“ einziehen. Es würde an die Stadt vermietet werden, was eigentlich keinen Eigenbedarf darstellt. Hier geht es nur um höhere Miet-Einkünfte für das Paul-Gerhard-Stift. Möglicherweise sieht man dort auch noch den Vorteil, dass das Gebäude nach wenigen Jahren Flüchtlingsbelegung anschließend saniert werden muss auf Kosten des Steuerzahlers. Danach könnte man das „kostenlos“ frisch sanierte Haus wieder teurer vermieten. So geht Mitmenschlichkeit.
Das Paul-Gerhard-Stift wartet jetzt, nachdem die Sache für Aufregung und Empörung gesorgt hat, mit einer ganz anderen Darstellung auf: Pfarrer Martin von Essen, der Vorsteher des Paul-Gerhard-Stiftes, drehte den Spieß einfach um und behauptete, die Johannisstift-Diakonie habe von sich aus gekündigt. Von Eigenbedarf kein Wort. Es gehe um die Schließung des Pflegeheims vonseiten der Johannisstift-Diakonie. Man habe sich auf einen Auszug bis Ende 2024 „geeinigt“.
Man habe diese Einigung „zähneknirschend“ getroffen.
Das Ganze wurde aber irgendwie nie offen kommuniziert. Die Bewohner und Angehörigen bemerkten nur, dass plötzlich der ambulante Pflegebetrieb aus dem Gebäude auszieht und wurden alarmiert. Ein Angehöriger wurde aufmerksam, als ihm im November 2022 eine Stellungnahme in die Hände kam, die dort im Pflegeheim unter der Hand herumgereicht wurde. Sie ist unterschrieben von Pfarrer Martin von Essen, dem Vorsteher des Paul-Gerhard-Stifts.
Der Inhalt erweckt ebenfalls den Eindruck, dass es die Johannisstift Diakonie war, die den Mietvertrag gekündigt habe. Auch in diesem Schreiben steht nichts von einem Eigenbedarf, sondern es wird nur von einer Schließung des Pflegeheims gesprochen.
Wie um den Ansehensschaden begrenzen zu wollen, wird dann mit Tugendhaftigkeit gewedelt (neudeutsch: Virtue signalling. Der Focus schreibt:
„Kurz vor Ende der Stellungnahme hebt der Pfarrer und Stiftsvorsteher eine ‚jahrzehntelange Erfahrun‘ in der Geflüchteten-Arbeit hervor. Und kündigt abschließend an, dass das Refugium des Stifts die ‚Plätze für mehrfach traumatisierte Schutzbedürftige‘ ab Ende 2022/2023 ‚erweitern‘ werde.“
Das Seniorenheim „Wohnen & Pflege Schillerpark“ steht mitten in Wedding in der Nähe zu besagtem Park, der auf der anderen Straßenseite liegt. Ein ansprechendes Gebäude, mit einem Garten (Fotos hier) und schönen, hellen, gemütlich möblierten Räumen, Balkonen und Kräuterbeeten für die leidenschaftlichen Hobbygärtner. Man feiert Feste im Garten und hat hübsche Lese- und Gemeinschaftsräume. Kein Wunder, dass die Bewohner und Angehörigen sehr empört sind, dort einfach hinausgeworfen zu werden. Die Hälfte der Bewohner musste bereits Ende 2022 ausziehen. Die Berliner Zeitung schreibt:
„Den Bewohnern sei angeboten worden, in andere Pflegeeinrichtungen der Johannesstift Diakonie umzuziehen. ‚Dies wurde zu unserem großen Bedauern nur begrenzt wahrgenommen, hauptsächlich wegen der dadurch entstehenden fehlenden räumlichen Nähe zu Angehörigen‘, so die Sprecherin. Der Sozialdienst unterstütze aber die Bewohner auch bei der Suche nach Einrichtungen andere Anbieter.“
Und auch für beide Kirchenorganisatoren könnte diese Entscheidung in Zukunft Probleme bringen. Es werden mit ziemlicher Sicherheit unter den neuen Bewohnern auch einige schwarze Schafe dabei sein, die unter den Bürgern, die in diesem Stadtteil wohnen, Unruhe und Beschwerden auslösen. So eine ungefragte Bereicherung an zahlreichen neuen Mitbürgern in direkter Nachbarschaft kann problematisch werden.
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