screenhot youtube

Spende von 5,7 Mil­li­arden Euro für tür­kische Erd­be­ben­opfer – doch Spen­den­geber stehen jetzt im Kreuzfeuer

Man gönnt diese Mittel den Opfern aus vollem Herzen. Was da an Leid und Zer­störung geschehen ist, das kann man kaum fassen. Daher kamen auch aus aller Welt Spenden über die Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen herein, wer kann da bei­seite stehen? Und doch kann es nur die mate­ri­ellen Schäden lindern. Das Leid kaum. Die 5,7 Mil­li­arden, die eine tür­kische Spen­dengala erbrachte, sind daher eine große mate­rielle Hilfe und für die geschundene Bevöl­kerung in den Beben­ge­bieten wenigstens eine Erleich­terung. Doch bei den Spendern tun sich einige Bedenken auf.

Die  große Spen­dengala beginnt mit einem Zusam­men­schnitt von apo­ka­lyp­ti­schen Szenen, Chaos, zusam­men­stür­zenden Häusern, in Panik und Ver­zweiflung ren­nenden und schrei­enden Men­schen. Das herz­zer­rei­ßende Leid zu sehen, kann man kaum ertragen. Die dann fol­gende Mega-Gala, wie es die Presse nennt, dauert Stunden und erbringt die stolze Summe von 115,146 Mil­li­arden tür­ki­schen Lira,  umge­rechnet 5,7 Mil­li­arden Euro. Der Titel der Spen­dengala „Türkiye Tek Yürek“ (über­setzt: Die Türkei ist ein ein­ziges Herz) für die Erd­be­ben­opfer war gut gewählt. Die Gala wurde in der Türkei, Aser­bai­dschan und der tür­ki­schen Seite von Zypern von 213 TV-Kanälen und 562 Radio-Sta­tionen live übertragen.

Diese Spenden kamen zum größten Teil aus staats­nahen Insti­tu­tionen, aber auch von den Men­schen selbst. Auch aus der EU, wo viele Türken wohnen, wurden Spen­den­gelder ein­ge­sammelt. Sie werden an die tür­kische Kata­stro­phen­schutz­be­hörde AFAD gehen sowie an das tür­kische Pendant zum Roten Kreis, den Roten Halbmond „Türk Kizilay“.

Der AFAD wird in der Türkei aller­dings vor­ge­worfen, sie sei inkom­petent und habe in dieser Bewäh­rungs­probe ziemlich versagt. Die AFAD habe zu spät reagiert und sei durch schlechte Koor­di­nation und Planung zu inef­fektiv gewesen.

Besonders groß ist die Empörung über das Vor­gehen  des „Roten Halb­mondes“. Anstatt die für die obdach­losen Erd­be­ben­opfer dringend benö­tigten 2050 Zelte schnellstens an die Erd­be­ben­opfer zu spenden, wurden sie einfach an die Hilfs­or­ga­ni­sation „Ahbap“ für 2,3 Mil­lionen Euro ver­kauft. Jour­nalist Murat Agirel, berichtete als erster darüber in der tür­ki­schen Tages­zeitung „Cum­hu­riyet“. Er nannte das Vor­gehen einen „Skandal“ und schrieb „Schämt Euch! Die Men­schen bet­telten nach dem ver­hee­renden Erd­beben um Zelte und andere dringend benö­tigten Hilfs­güter“. Schon werden For­de­rungen nach dem Rück­tritt des Leiters des Roten Halb­mondes, Kerem Kinik laut. Der bestä­tigte auf Twitter den Verkauf, wandte aber ein, dass man die Zelte doch zum Selbst­kos­ten­preis ver­kauft habe.

Das Deutsche Rote Kreuz berichtet in einer Stel­lung­nahme zu dieser Sache, dass der „Tür­kische Rote Halbmond“  unmit­telbar nach der Kata­strophe seinen gesamten Lager­be­stand an Zelten  gespendet habe. Bis zum Stichtag am 28. Februar seien mehr als 54.000 Zelte aus Spenden des Tür­ki­schen Roten Halb­mondes, der Inter­na­tio­nalen Föde­ration der Rot­kreuz- und Rot­halbmond-Gesell­schaften (IFRK), ähn­licher Schwes­ter­ge­sell­schaften und anderen Partnern in das Erd­be­ben­gebiet gebracht worden. Das Unter­nehmen „Kızılay Tent & Tex­tiles“, das zum „Tür­ki­schen Roten Halbmond“ gehört, erzielte zwar durch den berich­teten Verkauf von Zelten Ein­nahmen, die aber voll­ständig in die huma­nitäre Hilfe reinves­tiert werden, in diesem Fall in die Pro­duktion neuer Zelte. Sollten dabei Über­schüsse erwirt­schaftet werden, so flössen diese zurück an den „Tür­ki­schen Roten Halbmond“, also den Eigen­tümer der „Kızılay Tent & Tex­tiles“. Dort werde das Geld dann eben­falls für huma­nitäre Hilfe eingesetzt.

Eben­falls nimmt man in der Türkei Anstoß daran, dass zum Bei­spiel der tür­kische Bau­un­ter­nehmer Mehmet Cengiz, Chef der Cengiz Holding, zwar groß­zügig spendete, aber davon beacht­liche Vor­teile genießt. Der Chef selbst wurde in die Sendung ein­ge­schaltet und ver­kündete einen Beitrag von drei Mil­li­arden tür­kische Lira (150 Mil­lionen Euro). Fast direkt danach erließ die tür­kische Regierung dem Bau­löwen für ein großes Bau­projekt in Konya im großen Stil Steuern und Sozialversicherungsabgaben.

Die Frank­furter Rund­schau schreibt weiter:

Der Konzern gehört zu der ‚Fünfer-Bande‘ — ein von fünf Kon­zernen, die die meisten staat­lichen Auf­träge bekommen und von der Oppo­sition für ihren engen Ver­bin­dungen zur Regierung und für Schmier­geld­zah­lungen kri­ti­siert werden.“

Der größte Spender war jedoch die tür­kische Zen­tralbank mit 30 Mil­li­arden Euro (30 Mil­li­arden tür­kische Lira). Hierzu schreibt die Frank­furter Rund­schau:

„Die Oppo­sition fürchtet dahinter ein ver­stecktes Spiel. ‚Wenn dieses Geld in den Haushalt fließt, würden die nötigen Aus­gaben aus dem Staats­haushalt getätigt und durch den Rech­nungshof kon­trol­liert werden. Das Geld wird aus dem Haushalt genommen und vom Rech­nungshof ver­steckt‘, sagte der Abge­ordnete Faik Öztirak (CHP) in einer Pres­se­kon­ferenz.“ 

Weiter kamen von Banken und Unter­nehmen, auch von Unter­nehmen im Staats­besitz, zusam­men­ge­nommen ungefähr noch 2,3 Mil­li­arden Euro (46 Mil­li­arden tür­kische Lira) zusammen, dar­unter auch die Flug­ge­sell­schaft „Turkish Air­lines“ sowie die Türk Telekom und das ebenso staat­liche Mobilfunk-Unter­nehmen „Türkcell“.