Mit Armut und Kli­ma­schutz gegen Wohl­stand und CO2

Bevor es im poli­ti­schen Theater zur Sache geht, kommt immer erst die Binse. Sie kann ruhig mehrere Seiten lang und nicht aus der eigenen Feder stammen. Wichtig ist lediglich, dass sie das gültige Nar­rativ bekräftigt. Etwa dass der Sozia­lismus siegt, Ozeanien schon immer mit Ost­asien im Krieg war oder dass der Kli­ma­wandel ein großes – ach was, ein ernsthaftes…was rede ich, das größte – Problem sei und wir alle, die Menschheit, mehr noch die Europäer und am aller­meisten die Deut­schen Schuld an über­haupt allem tragen. Auch die Betrach­tungen des Deutsch­land­funks zu einer schrägen Studie eines unbe­deu­tenden eng­li­schen Sozio­lo­gie­pro­fessors aus Leeds haben diese unver­meid­liche Präambel.

„Dass der Kli­ma­wandel ein ernst­haftes Problem ist, darüber herrscht in Europa weit­gehend Einigkeit. Die Menschheit muss ihren Ener­gie­bedarf senken, um die Kli­ma­ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Allen vorweg: die Men­schen in den Indus­trie­na­tionen. Das bedeutet, den Lebensstil ändern – weniger Auto fahren, weniger Fliegen, weniger Strom ver­brauchen zum Beispiel.“

Haben Sie es bemerkt, Liebe Leser? Die Prä­ambel, die wir in unter­schied­licher Form täglich auf allen Kanälen bis zur Ermattung der Skepsis ums Maul geschmiert bekommen, fiel gerade erstaunlich kurz aus. Ein Satz muss genügen, um die gewünschte Schläf­rigkeit zu erzeugen. Doch was danach kommt, dieses „muss“ der Senkung unseres Ener­gie­be­darfs, steht mit­nichten in den Kli­ma­zielen des Pariser Abkommens. Da ist lediglich von beschränken (Anstieg der Durch­schnitts­tem­pe­ratur), senken (der Emis­sionen) und lenken (Geld, was denn sonst) die Rede. Die im ersten Satz unter­stellte Einigkeit soll uns jedoch zustimmend nickend über die Schwelle tragen, dass alles genau so geschehen muss mit Auto, Fliegen, Strom und dem ganzen Rest.

„Ja aber“ denkt da viel­leicht der über­raschte Leser. „Die werden doch nicht…die können doch nicht…die haben doch Lösungen! Erneu­erbare vor! Deshalb machen wir das hier doch alles!“ Die kurze Antwort lautet: sie werden, sie können! Und die Lösungen sind nicht für euch viele da draußen gedacht, die ihr Auto fahrt, in den Urlaub fliegt und frech Strom ver­braucht. Natürlich müsst ihr alle mit­machen, aber die neue, ener­gie­ge­wendete Welt ohne CO2 reicht leider nicht für alle. Doch da ist Trost. Dieser DLF-Artikel, liebe Skep­tiker, Taxi­fahrer, Berufs­pendler, Schicht­ar­beiter, Häuschen-im-Grünen-Abstot­terer und Gebraucht­wa­gen­käufer, dieser Artikel ist für euch! Zwar geht euch ange­sichts der Ener­gie­kosten und der bevor­ste­henden Hei­zungs­ka­tarsis langsam ein Licht auf (LED, ver­steht sich), wohin die Reise geht, doch der eng­lische Pro­fessor und nun auch das DLF sind diesmal nicht hinter euch, sondern dem unver­schämt großen Fuß­ab­druck der „Reichen“ und deren faden­schei­nigen Recht­fer­ti­gungen. Und wer kann als gebeu­telter Steu­er­zahler schon etwas dagegen haben, dass es denen endlich auch an den Kragen geht!

Seht euch nur diesen Fuß­ab­druck an!

Ziel der Studie war es übrigens „…die Durch­führ­barkeit und Fairness von poli­ti­schen Optionen zur Redu­zierung des hohen Ener­gie­ver­brauchs zu unter­suchen“. Mir stellen sich da gleich zu beginn fol­gende Fragen: was ist hoch, was ist fair und zual­lererst: was ist reich? Die denkbar kleine Stich­probe von 30 Pro­banden wurde mit gekauften Mar­ke­ting­adressen in den „bes­seren Vierteln“ im urbanen eng­li­schen Raum rekru­tiert, also mal direkt in jenem Umfeld, in dem sich die grüne Welt­ret­ter­kli­entel wie der mao’sche Fisch im revo­lu­tio­nären Wasser bewegt: brauch­barer ÖPNV, moderne Wohn­sub­stanz, Zen­trumsnähe. 20 der Pro­banden wiesen „hohe monat­liche Strom­rech­nungen“ und mehr als 16.000 km Auto­fahren pro Jahr auf. „Hoch“ defi­niert man mit >160 Pfund, was im zugrun­de­lie­genden Rech­nungsjahr (2019–2020) etwa 180 Euro ent­sprach. Das ist zwar kaum Upper­class, sondern eher solider Mit­tel­stand, aber das nur nebenbei. Fünf Haus­halte hatten Strom­rech­nungen über 160 Pfund und fünf weitere hatten mehr als drei Autos, fuhren mehr als 24.000 km und waren auch noch Vielflieger.

Zumindest ein Drittel der Pro­banden gehörte beim Ener­gie­ver­brauch also zu den oberen 10% im Land. Für Pro­fes­soren an bri­ti­schen Unis liegt das durch­schnitt­liche Jah­res­salär übrigens bei 87.000 Pfund, was mehr als das Dop­pelte des BIP per Capita im König­reich ist. 160 Pfund für Strom im Monat ist also auch für Emit­tenten vom Kaliber Noel Cass weit unterhalb der Schmerz­grenze. Zumindest 2019–2020, als der Strom­preis in Groß­bri­tannien noch etwa ein Drittel unter dem deut­schen lag. Für die sek­tor­ge­kop­pelte deutsche Ener­gie­ver­sorgung der Zukunft klingt 180 Euro aller­dings noch wie ein süßes Ver­sprechen aus einer Utopie mit tritt­in­schen Eis­kugeln. Dem­nächst heißt es eher „Komm mit ins Wär­me­pum­penland, der Strom­preis kostet den Ver­stand.“ Doch schlimm genug, so die Studie, was die Reichen Briten 2020 sorglos trieben:

„Die Men­schen haben über ihren Lebensstil gesprochen, als wäre es völlig normal und als würde es jeder tun. Das hat uns sehr inter­es­siert, weil es zeigt, wie Men­schen ihren Lebensstil rechtfertigen.“

Wir lernen: Mangel zwingt zur Spar­samkeit, Wohl­stand nicht. Hätten Sie’s gewusst? Wer Spar­samkeit will, muss Mangel erzeugen – und wer will bestreiten, dass wir da gerade auf einem guten Weg sind! Die befragten eng­li­schen Kli­ma­sünder nehmen ihre mora­lisch ver­werf­liche Kli­ma­bilanz indes mit Ironie, Humor und Gleich­gül­tigkeit und die Studie listet süf­fisant und scharf kate­go­ri­siert auf, was da an fal­schen Ant­worten (alles außer „mea maxima culpa“) zu hören ist. Da gebe es die Umleitung von Ver­ant­wortung (What­a­bau­tismus, Indi­vi­dua­lismus und Tritt­brett­fah­rerei), die Nach­teile des Kli­ma­schutzes würden betont, es herrschte tech­no­lo­gi­scher Opti­mismus (how dare you!) und einige halten Ver­än­de­rungen für gänzlich unmöglich. Manche glaubten sogar, der abver­langte Ver­zicht bedeute in Kon­se­quenz, die Menschheit gehe „zurück in die Höhlen“. Die Dinge auch mal bis zum bit­teren Ende zu denken ist eine Ange­wohnheit, die sehr eng mit dem eng­li­schen Humor ver­bunden zu sein scheint. Ich möchte meine Leser nicht mit den Ein­zel­heiten dieses Gene­ral­bas­hings lang­weilen. Die Schluss­fol­gerung der Studie fällt jeden­falls wie erwartet deutlich aus und scheint dem DLF sehr zu gefallen:

„Men­schen mit hohem Ener­gie­ver­brauch werden mög­li­cher­weise niemals frei­willig auf Infor­ma­tionen, Ermah­nungen und Appelle an Eigen­in­teresse reagieren, heißt es in der Studie. Des­wegen halten die Wis­sen­schaftler „stärkere staat­liche Maß­nahmen“ für erfor­derlich, auch solche, die in die „Wahl­freiheit der Ver­braucher“ eingreifen.“

Keiner Ein­schub: Für alle, denen beim Lesen dieser Stelle im DLF-Artikel vor Schreck oder Empörung der Por­sche­schlüssel aus der Hand gefallen war, hat das DLF an dieser Stelle den Artikel „Der Kli­ma­wandel – eine Unge­rech­tigkeit“ mitsamt Foto von der Flut­ka­ta­strophe im Aartal ein­ge­blendet. Die war zwar nicht dem Kli­ma­wandel oder den Reichen, sondern totalem poli­ti­schen Ver­sagen zuzu­schreiben, aber wer weiß das schon noch. Immer schön hoch­halten, die Hostie!

 

Es ist eine Kul­tur­kon­stante, dass Wohl­stand zu mehr Konsum und damit auch zu höherem Ener­gie­ver­brauch führt. Der Wunsch, sich „nach oben“ zu schuften, es einmal besser zu haben, den Kindern einen bes­seren Start ins Leben zu geben, zu sparen oder zu investieren…all diese Ent­wicklung trei­benden mensch­lichen Akti­vi­täten setzen Lega­lität voraus. Schafft man diese Trieb­feder ab oder ent­wertet sie durch einen mora­li­schen Pranger, setzt man die Haupt­pro­duk­tiv­kraft des Men­schen Schachmatt. Solche Ver­suche beginnen mit  Ideen, die zu Worten werden, münden in Gewalt und enden in allerlei sozia­lis­tisch-kom­mu­nis­ti­schen Expe­ri­menten, in denen es dann über kurz oder lang allen gleich geht. Gleich schlecht.

Kli­ma­retter fliegen netter

Allen? Nicht allen! Durch­stöbert man in der Studie die Fragen nach Ant­worten, die alle von einem Mangel an Flug­scham, SUV-Scham und Ene­rie­ver­brauch­scham zeugen, ver­misst man eine Gruppe von „Men­schen mit hohem Ener­gie­ver­brauch“. Denn offen­sichtlich ist man in der Studie keinem Kli­ma­ak­ti­visten begegnet, der in den letzten Jahren Ägypten, Schottland, Spanien, Polen, Marokko, Frank­reich, Peru, Qatar, Süd­afrika, Mexiko und Indo­nesien bereist hat. Was wie das Blättern im TUI-Katalog klingt, sind einige der letzten Tagungsorte des COP-Kli­ma­wan­der­zirkus und die ent­spre­chende ent­schul­di­gende Antwort hätte lauten müssen „Die Kli­ma­kon­ferenz COP28 ist in Dubai, da muss ich einfach fliegen! Und diese Pri­vatjets, die sind ja gebaut, also warum soll man die nicht nutzen.“

Die Viel­flie­gerei in Pri­vatjets im Dienste der Kli­ma­rettung ist im Sün­den­re­gister nicht ver­zeichnet und solches Treiben im Namen der Pla­ne­ten­rettung opportun und wird es für immer und ewig bleiben. Prak­tisch auch, dass es nicht das per­sön­liche CO2-Konto ist, das mit Miles & More gekoppelt wird, sondern das von Par­teien, NGOs, ESG-kon­formen Firmen oder Regie­rungen. Den gewöhn­lichen „Reichen“ wurden von der Partei des Kli­ma­pro­le­ta­riats und seiner Media-Science-Claque schon mal die Instru­mente gezeigt, ver­bunden mit der freund­lichen Auf­for­derung, zu wählen. Reich bleiben und auf die andere Seite der Macht wechseln, um dort das Hohe Lied vom bösen CO2 zu singen. Oder genauso wie alle anderen mit zer­sto­chenen Reifen im Kli­ma­punk­te­system landen, wo Dollar, Pfund, Euro und Gold keine gül­tigen Zah­lungs­mittel sind und nicht Ver­dienst, Laune oder Laster über Konsum, Kultur und Kunst ent­scheiden, sondern das zuge­teilte CO2-Budget.

Wider­stand?

Es gäbe noch eine dritte Mög­lichkeit, doch die ist einfach zu uto­pisch. Man könnte den Kampf auf­nehmen, auch wenn man selbst scheinbar nicht unmit­telbar von Inflation, Ener­gie­knappheit und Ver­boten betroffen ist.

Man könnte darauf hin­weisen, dass es so etwas wie ein reiches Land mit knapper elek­tri­scher Energie nicht gibt. Die Kor­re­lation von Pro-Kopf-Ein­kommen und ver­füg­barer Energie ist einfach zu offen­sichtlich. Der in Deutschland, Groß­bri­tannien und weiten Teilen des Westens ein­ge­schlagene Weg führt zu offen­sichtlich in die Ener­gie­man­gel­wirt­schaft. Man könnte die Kli­ma­retter und die Poli­tiker fragen, wer in Groß­bri­tannien, in Deutschland und in allen anderen Indus­trie­na­tionen eigentlich die Steuern zahlt und den Wohl­stand erwirt­schaftet, den sie mit so großen Schub­karren ver­teilen oder weg­werfen möchten. All das könnte man tun, um den überall ins Kraut schie­ßenden neo-plan­wirt­schaft­lichen Möch­te­gerns in die Parade zu fahren und vom eigenen Wohl­stand – sei er erar­beitet oder ererbt – zu retten, was zu retten ist.

Kann das gelingen? Ich habe daran im Zeit­alter der läh­menden Kli­ma­binse so meine Zweifel. Um ein his­to­ri­sches Bild zu bemühen, erweckt derzeit alles ab obere Mit­tel­schicht bei mir den Ein­druck des fran­zö­si­schen Adels im aus­ge­henden 18. Jahr­hundert, als man die Axt nicht sehen wollte, die an die Gesell­schaft gelegt wurde. Man genoss die hoch­fah­renden Reden der Phi­lo­sophen in den Salons und die revo­lu­tio­nären Thea­ter­stücke, weil man annahm, dass all dies nur gesprochen, nur geschrieben, nur gespielt sei und keine Folgen habe. Ich doch nicht! Mir doch nicht! Die doch nicht! Heute doch nicht! Man starb als Archetyp in der Thea­ter­szene und applau­dierte dem Tod in Persona im Publikum. Doch schnell wurde aus dem Ruf nach Gleichheit vor dem Gesetz der Schrei nach Gleichheit der Ver­mögen und weder der Applaus noch die Gleich­gül­tigkeit von gestern sorgten für mil­dernde Umstände. Ein jeder mag in seiner Wirk­lichkeit erfor­schen, vor welchen der eigenen Lebens­rea­li­täten die Klima-Guil­lotine der Neuzeit halt machen, welchen Reichtum sie tole­rieren und welche Ausrede sie gelten lassen würde. Ein kaputter Rücken als Ausrede für den SUV? Netter Versuch! Für solche Extra­va­ganzen reicht ihre Stellung im System leider nicht aus.

In 25 Ländern liegt der Anteil der Men­schen, die über­haupt Zugang zu Elek­tri­zität haben, noch unter 50%. Bei 23 wei­teren liegt er noch unter 75%. Im Tschad liegt der Wert sogar nur bei 11%. Alle diese Länder ver­sammeln sich ener­ge­tisch unter der Armuts­linie und weder Sonne noch Wind werden daran etwas ändern. Natürlich gibt es auch dort Wohl­stand und in unserem Sinne „reiche Leute“. Einer kor­rupten Ober­schicht, die das herr­schende Nar­rativ beschützt, hat nir­gendwo auf der Welt Schwie­rig­keiten mit knappen Res­sourcen, Strom­preisen oder dem eigenen CO2-Ausstoß. Nur darf die Gruppe natürlich nicht zu groß sein für die ener­ge­tische Arche, sonst geht die Reise schief.

Was sich die bisher scheinbar nicht vom Kli­mawahn betrof­fenen „Reichen“ fragen sollten, ist, ob sie tat­sächlich einen Platz im Ret­tungsboot sicher haben, oder, nachdem das Schiff (in diesem Fall Deutschland) dank der Unfä­higkeit des Kapitäns auf Grund gelaufen ist, mit der Plebs auf einem Floß der Medusa sitzen, wenn die Schlepp­leinen gekappt werden. Ob 180 Euro Strom­rechnung im Momat und 16.000 km im Jahr für Sie nun viel oder wenig sein mögen, liebe Leser, für die meisten von uns wird gelten, was einst George Carlin sagte: “It’s a big club and you ain’t in it!“


Quelle: unbesorgt.de