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EU, von der Leyen und Pfizer: Mil­li­ar­den­teurer Skandal geht weiter

500 Mio Covid-„Impf“dosen muss die EU alleine in diesem Jahr dem Phar­ma­riesen Pfizer noch abnehmen. Spanien hat bereits mit deren Ent­sorgung begonnen, Grie­chenland sie post­wendend zurück­ge­schickt. Gezahlt werden müssen sie dennoch – obwohl noch immer nicht klar ist, was von der Leyen mit Pfizer aus­ge­klüngelt hat.

Unser Tweet des Tages kommt von Martin Sonneborn:

Gerade ist ein Zwi­schen­er­gebnis der Nach­ver­hand­lungen zwi­schen der EU-Kom­mission und dem US-Phar­ma­gi­ganten Pfizer durch­ge­si­ckert – aller­dings nicht zu UNS oder IHNEN DA DRAUSSEN, sondern zu Jour­na­listen der bri­ti­schen Financial Times und der Nach­rich­ten­agentur Reuters.

Wenn deren Berichte zutreffen, dann schlägt die Kom­mission vor, die Pfizer gegenüber bestehende Zah­lung­ver­pflichtung in Höhe von 10 MILI­ARDEN EURO durch eine #Pfizer gegenüber bestehende Zah­lungs­ver­pflichtung in Höhe von 10 MILI­ARDEN EURO zu ersetzen. Ein inter­es­santes Hütchenspiel.

Und während wir uns noch fragen, warum wir diesen Knaller nicht auch in der deut­schen Presse finden können, wollen wir Ent­stehung & Inhalt der EU-Impf­stoff-Ver­träge noch einmal kurz reka­pi­tu­lieren. Im Mai 2021 hatte die Kom­mission den größten Deal der Phar­ma­ge­schichte abge­schlossen. Nach zwei ersten Ver­ein­ba­rungen (vom November 2020 und Februar 2021) mit Pfizer/Biontech über den Kauf von (ins­gesamt) 600 Mil­lionen Dosen gab sie eine noch­malige Bestellung über zusätz­liche 900 Mil­lionen Dosen auf – mit einer Option auf 900 Mil­lionen weitere, die (dan­kens­wer­ter­weise) nie aus­gelöst wurde.

35 Mil­li­arden Euro

Es war der mit Abstand umfang­reichste aller EU-Impf­stoff­ver­träge – und mit einem (mut­maß­lichen) Volumen von 35 MILI­ARDEN EURO auch der größte Kauf­vertrag, den die Kom­mission je mit einem sin­gu­lären Markt­akteur geschlossen hat. Allein das ist Grund genug für eine genauere Betrachtung. Mit diesem dritten Pfizer-Vertrag stieg nicht nur die Abnah­me­menge um 25 % sondern auch der Preis: von 15,50 auf 19,50 Euro pro Dosis.

Ein his­to­risch ein­ma­liger Megadeal, bei dem mit zuneh­mender Abnah­me­menge auch die Stück­preise steigen? Wir taufen diesen pfif­figen Mecha­nismus hiermit der Ein­fachheit halber auf den Namen „Leyen-Effekt“. Und legen ihn bei Gele­genheit mal einem blu­tigen BWL-Anfänger zur genaueren Begut­achtung vor – und zwar zusammen mit dem Skalen‑, Nikolaus- und Men­gen­rabatt-Effekt, lol.

Quasi-Monopol für den EU-Impfstoffmarkt

Zudem ver­schaffte die Kom­mission dem Unter­nehmen Pfizer, das den Markt bereits zuvor domi­niert hatte, damit das Quasi-Monopol für den EU-Impf­stoff­markt – ein offener Verstoß gegen das – ansonst mit Argus­augen gehütete – EU-Wett­be­werbs­recht. Zu guter Letzt wurden sowohl Her­stel­ler­haftung als auch (spätere) Ver­trags­an­pas­sungen und Aus­stiegs­klauseln wei­test­gehend aus­ge­schlossen. Hüstel.

Wir halten dieses Ding in seiner Gesamtheit für den lau­sigsten Vertrag, der von Kom­mis­si­ons­fach­kräften je ver­handelt (oder abge­schlossen) wurde – immerhin werden EU-Beamte ja nicht nur mit aus­ge­fuchstem Eli­ten­schu­len­wissen voll­ge­stopft, sondern auch noch in Kursen wie „Ver­hand­lungs­ge­schick für Dummies“ oder „Top Deal’s – so geht’s | TÜV NORD“ sorg­fältig für die Aus­übung ihrer Haupt­aufgabe trai­niert, dem kor­rekten Aus­spielen ihrer ver­sam­melten Ver­hand­lungs­masse: 450 Mio. Typen wie Sie, (der größte Bin­nen­markt der Welt).

Wir kennen Son­der­schüler (3. Klasse), die vor diesem Hin­ter­grund weit bessere Ver­trags­be­din­gungen her­aus­ge­schlagen hätten als alle, die in diesem dritten Pfizer-Vertrag zu finden sind, schlichte als bes­ten­falls unseriös ein­ge­stuft werden muss, wenn nicht gar als KRYPTOKRIMINELL.

Pfizer „gerichts­be­kannt“

Kein anderer Phar­ma­konzern auf der ganzen Welt musste seiner Geschäfts­praxis wegen so häufig von Behörden und Gerichten gemaß­regelt werden wie Pfizer, im Durch­schnitt viermal pro Jahr. In 22 Jahren bringt das Unter­nehmen es auf 90 doku­men­tierte Sank­ti­ons­maß­nahmen, denen teils gra­vie­rende Rechts­ver­stöße vor­aus­ge­gangen sind. (Und das sind nur die, die auf­ge­flogen sind.)

Von­der­Leyen hat die offi­zi­ellen EU-Ver­trags­ge­spräche mit der Phar­ma­in­dustrie, die nach einem fest­ge­legten Pro­tokoll von man­da­tierten Ver­hand­lungs­führern und Experten der Kom­mission durch­zu­führen waren, allem Anschein nach erfolg­reich unter­laufen und die Ver­hand­lungen für diesen dritten, größten, teu­ersten, wett­be­werbs­ver­zer­rendsten und stüm­per­haf­testen Pfizer-Vertrag in seinen ent­schei­denden Teilen an sich gezogen – unter Über­schreitung ihrer Amts­zu­stän­digkeit als Kom­mis­si­ons­prä­si­dentin und Ver­letzung der für EU-Beamte ver­bind­lichen Verfahrensvorschriften.

Pfizer- und von der Leyen-Klüngel

Das würde jeden­falls erklären, warum die Kom­mission dem Euro­päi­schen Rech­nungshof für diesen einen Vertrag – im Unter­schied zu allen anderen – kei­nerlei internes Büro­kra­tie­beiwerk vor­legen konnte, keine Ver­hand­lungs­mit­schriften, keine Vor­ver­träge, keine hand­ge­krit­zelten Gal­gen­männchen mit Zahlen dran, nichts. Seit zwei Jahren ver­weigern Kom­mission und von der Leyen, die ihre Trans­pa­renz­ver­bun­denheit immer mit ohren­be­täubend geschmack­losen Ver­bal­kas­kaden simu­liert hatte, nun schon die Ver­öf­fent­li­chung der abge­schlos­senen VER­TRÄGE – selbst Par­lament und Unter­su­chungs­aus­schuss bekommen nichts als durch Schwärzung unkenntlich gemachte Aus­fer­ti­gungen zu Gesicht.

Ebenso kate­go­risch ver­weigern sie die Her­ausgabe der ver­trags­vor­be­rei­tenden SMS-NACH­RICHTEN zwi­schen von der Leyen und Bourla – und wider­setzen sich damit nicht nur dem (recht­mä­ßigen) Aus­kunfts­be­gehren von Jour­na­listen und EU-Abge­ord­neten, sondern auch den Anfragen der Euro­päi­schen Bür­ger­be­auf­tragten Emily O’Reilly und sogar der (ziemlich) nach­drück­lichen Auf­for­derung des Euro­päi­schen Rech­nungs­hofes. Wir halten das langsam wirklich für lächerlich.

So nach­voll­ziehbar alles Geraune um Geschäfte, Gewinne und Geheim­nisse in den son­der­baren Zeiten der Pan­demie (für einige) noch gewesen sein mag, so unhaltbar ist es heute. Über zwei Jahre nach den in Frage ste­henden Ver­trags­ab­schlüssen kommt die weitere Auf­recht­erhaltung dieser insti­tu­tio­nellen Intrans­parenz all­mählich einem Akt bös­wil­liger poli­ti­scher Behin­derung gleich, einer „Obstruktion“, so die Euro­päische Bür­ger­be­auf­tragte Emily O’Reilly, die es in höchstem Maße „ver­wirrend“ findet, dass von der Leyen sich immer noch weigert, auf die zahl­losen Beschwerden und Klagen (u.a. von der New York Times) auch nur ein­zu­gehen. (Im Übrigen sind wir all­mählich der Meinung, dass diese Dame nächstens mal Kom­mis­si­ons­prä­si­dentin werden sollte. O’Reilly5, nicht von­der­Leyen.) Diese (beharr­liche) Ver­schleierung ist demo­kra­ti­scher Ver­hält­nisse nicht würdig – und gänzlich unnötig ist sie zudem, denn jedes „schüt­zens­werte Geheimnis“ von damals kann heute in den Geschäfts­be­richten, Absatz­stra­tegien und Preis­listen der Ficker-Firma Pfizer ja längst offen besichtigt werden.

Geheime Treffen mit Pfizer gehen weiter

Falls es also tat­sächlich jemandes Absicht gewesen sein sollte, „Trans­parenz“, „Demo­kratie“, „Bür­gernähe“ und das „Ver­trauen“ in die „Politik“ zu „stärken“ (Sie lasen: Auszüge aus der Antrittsrede Ihrer höchsten Exe­ku­tiv­be­amtin), so können wir der Kom­mis­si­ons­prä­si­dentin nur zurufen: NA DANN MAL LOS. Niemand hindert Sie. Und während die straf­recht­liche Unter­su­chung der ursprüng­lichen Ver­träge durch die Euro­päische Stra­ats­an­walt­schaft EPPO, bekannt seit Oktober letzten Jahres, noch in vollem Gange ist, hat die Kom­mission es schon wieder getan.

Sie hat sich in neue Ver­hand­lungen mit Pfizer begeben – natürlich nicht ohne die dezi­dierte Absicht, jede ihrer bis­he­rigen Ver­feh­lungen noch einmal in Zeitlupe zu wie­der­holen: Wieder wird hinter ver­schlos­senen Türen in geheimen Ver­hand­lungen unter Aus­schluss der Öffent­lichkeit und Umgehung ihrer (eigenen) Rechen­schafts­pflicht über die Ver­wendung von EU-Geldern zum EU-weiten Ankauf von Pro­dukten eines ein­zigen US-Her­stellers entschieden.

Deut­licher könnte ein hinter insti­tu­tio­nellem Gestrüpp ver­schanztes System seine noto­rische Unfä­higkeit zur Selbst­kor­rektur nicht mehr zeigen. Die (zugäng­lichen) Infor­ma­tionen sind (daher erneut) spärlich und nicht frei von Unklar­heiten. Wir wagen es dennoch, uns das aktuelle Geschehen wie folgt zusam­men­zu­reimen. Es geht um die „Anpassung“ des gigan­ti­schen (dritten) von der Leyen-Pfizer-Ver­trages, mit dem die Kom­mission sich zur Abnahme von 900 Mio. Dosen bis Ende 2023 ver­bindlich ver­pflichtet hatte.

500 Mio Impf­dosen muss die EU in diesem Jahr noch abnehmen

Etwa 400 Mio. dieser Ein­heiten wurden bereits geliefert, die rest­lichen 500 Mio. müssen in diesem Jahr von den EU-Mit­gliedern noch abge­nommen werden. Unnötig zu erwähnen, dass die Nach­frage nach Impf­stoffen prak­tisch zum Still­stand gekommen ist, während die Impf­stoff­lager aus allen Nähten platzen und alle zuvor durch Auf­druck (sogar in Blin­den­schrift) ange­kün­digten Ver­falls­daten – eines nach dem anderen – nun über­ra­schen­der­weise auch tat­sächlich ein­ge­treten sind. Seit einem geschla­genen Jahr ver­suchen die (ohnedies von mul­tiplen Belas­tungen gekne­belten) Mit­glieds­staaten nun schon, sich aus ihrem Ver­trags­schicksal doch noch irgendwie herauszuwinden.

In der Hoffnung auf her­stel­ler­seitige Kulanz bitten die einen in bestem Beam­ten­dä­nisch um einen Preis­nachlass, während andere glauben, ein Hinweis auf über­volle Lager­stätten („Nix Platz!“, „Lager voll!!“, Wegen Über­füllung geschlossen!“) könnte ihnen irgendwie wei­ter­helfen (Slo­wenien). Die Slo­wakei und Lettland sind bereit, statt des Impf­stoffs einen Rie­sen­haufen anderer Lecke­reien aus dem (bunten) Medi­ka­men­ten­sor­timent von Pfizer zu schlucken, egal, was gegen Schä­delweh und Potenz­pro­bleme vielleicht.

Grie­chenland: „passt gar nicht, nächste mal kor­rekte größe schicken, tschüssi!“

Und während Spanien über­schüssige Bestände schon resi­gniert ver­nichten lässt, um das Elend wenigstens nicht mehr täglich zu sehen, hatte man in Grie­chenland den überaus anar­chis­ti­schen Einfall, die Paket­sen­dungen der Phar­ma­in­dustrie einfach zu Amazon-Retouren zu degra­dieren und zurück­zu­schicken: „passt gar nicht, nächste mal kor­rekte größe schicken, tschüssi!“

Das alles war natürlich ver­geblich, der Kauf­vertrag lässt den Staaten kein Ent­kommen. 500 Mio. Dosen müssen schleu­nigst abge­nommen werden, Pfizer besteht auf Ein­haltung des Ver­trages, droht mit Klagen und lässt selbst Meteo­ri­ten­ein­schlag und Kriegs­aus­bruch nicht als außer­ge­wöhn­lichen Umstand zur Ver­trags­abän­derung gelten. Polen hat es ver­sucht, vergeblich.

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Und hier gibt es das Gesagte in Kurzform:


Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog von David Berger www.philosophia-perennis.com