Gen­der­for­scher fordert: Lie­bes­lieder verbieten!

Der Ber­liner Gen­der­ak­tivist und Theologe David Thaler hat sich mit einer radi­kalen For­derung an die Öffent­lichkeit gewendet: “Lie­bes­lieder raus aus dem öffentlich-recht­lichen Rundfunk”, so fordert Thaler. 

Lie­bes­lieder, so Thaler, fei­erten in den meisten Fällen Hete­ro­se­xua­lität und machten Homo­se­xu­ellen und Trans­se­xu­ellen und der gesamten LSBTIQ+-Community deutlich, dass sie kein nor­maler Bestandteil moderner Gesell­schaften seien. Diese Form der Homo­phobie, so Thaler, ver­gifte das öffent­liche Klima und störe den öffent­lichen Frieden. Schwule, Lesben und Trans­se­xuelle, Inter­se­xuelle und Pan­se­xuelle sollten nicht länger aus­halten müssen, dass man sie öffentlich als unlie­benswert dif­fa­miere und ausgrenze.

Nichts anderes geschehe in Lie­bes­liedern in denen mehr oder weniger offen die Freuden z.B. hete­ro­se­xu­eller Akti­vi­täten gefeiert würden. Die LSBTIQ+-Community, so Thaler, sei viel kom­plexer, viel viel­fäl­tiger, lasse sich nicht auf die eine Beziehung, gar eine Lie­bes­be­ziehung, noch dazu eine zwi­schen zwei Hete­ro­se­xu­ellen redu­zieren.  Derzeit, so Thaler weiter, sähen sich die LSBTIQ+- und vor allem die Trans-Com­munity einem breiten gesell­schaft­lichen Angriff gegenüber, der drohe die Legi­ti­mität einer ganzen Bewegung in Frage zu stellen, nur weil ein Mit­glied der Trans-Szene in Nash­ville etwas über die Stränge geschlagen habe. Hass und Hetze gegen besonders die Queer und Trans-Com­munity würden ins­be­sondere von der Feier hete­ro­se­xu­eller Nor­ma­lität, wie sie in Lie­bes­liedern statt­finde, ange­stiftet. Das müsse ein Ende haben, so der Gen­der­for­scher und Theologe.

Der Vor­schlag Thalers ist im Zentrum für Inter­dis­zi­plinäre Frauen und Geschlech­ter­for­schung der TU-Berlin und am Zentrum für Trans­dis­zi­plinäre Geschlech­ter­studien der Hum­boldt-Uni­ver­sität Berlin auf breite Zustimmung getroffen. Anna Lisa Müller vom Zentrum für Inter­dis­zi­plinäre Frauen- und Geschlech­ter­for­schung hat darauf hin­ge­wiesen, dass in Lie­bes­liedern nicht nur hete­ro­se­xuelle Bezie­hungen als gesell­schaft­liche Norm dar­ge­stellt würden, sondern hedo­nis­tische Motive im Vor­der­grund stünden. Dies sei immer dann der Fall, wenn auf private Motive an einer Beziehung, die häufig im sexu­ellen Bereich liegen würden, und eben nicht auf soziale Motive an einer Beziehung wie z.B. den Dienst an der Gemein­schaft, die von Frauen geleistete Care-Arbeit und die Sicherung des Fort­be­stands des Volkes, ver­wiesen werde.

Auch Thomas Schelle vom Zentrum für Trans­dis­zi­plinäre Geschlech­ter­studien findet den Vor­schlag von Thaler gut und richtig und ist darüber hinaus der Meinung, dass es höchste Zeit sei, gegen das Feiern einer über­bor­denden Männ­lichkeit, wie sie in Lie­bes­liedern statt­finde, vor­zu­gehen. Vor allem in Reggae und Hip Hop gingen das “Sexuelle” und eine über­bor­dende Männ­lichkeit eine intime Beziehung ein, die im Hip Hop mitt­ler­weile dazu geführt habe, dass Eltern vor den “explicit lyrics” gewarnt würden.

Schlimmer noch, so Schelle, sei es im Reggae. Bob Marley, einer der Prot­ago­nisten dieser Insel-Musik, die letztlich auch nur post-kolo­nia­lis­ti­scher Aus­wuchs bri­ti­scher Kolo­ni­al­herr­schaft sei, sage in einem Liedtext explizit. “I am willing and able, and I throw my cards on the table”. Dieses Feiern von Fähigkeit und von Leis­tungs­kraft, das dem unmensch­lichen System des Kapi­ta­lismus eigen sei, und man müsse Marley auf­grund seines Erfolgs und des damit ver­bun­denen Umsatzes als Kapi­talist sehen, auch wenn er im Slum auf­ge­wachsen sei, dürfe in einer modernen und durch­ge­gen­derten diversen Gesell­schaft nicht mehr als gesell­schaft­liche Nor­ma­lität zur besten Sen­dezeit im Rundfunk ver­breitet werden. Auch sei der mar­tia­lische Akt, Karten auf den Tisch zu werfen, einer modernen Gen­der­lichkeit nicht mehr angemessen.

Dies gelte auch für Lied­texte, in denen höchste Leis­tungs­kraft in ein­deu­tigen hete­ro­se­xu­ellen Situa­tionen gefeiert würden, wie dies in “I want to make you sweat” von Jacob Miller (Inner Circle) der Fall sei. In einer Zeit, in der Homo­se­xua­lität, Trans­se­xua­lität, Que­erness und viel­fältige andere Formen von sexu­eller Ori­en­tierung zur gesell­schaft­lichen Nor­ma­lität geworden seien, sei ein Feiern hete­ro­se­xu­eller Leis­tungs­kraft ebenso wenig ange­zeigt wie es ange­zeigt sei, das aktiv Männ­liche einem passiv Weib­lichen, wie dies im Lied von Miller der Fall sei, gegenüber zu stellen. Es müsse endlich Schluss sein mit der Bevor­zugung hete­ro­se­xu­eller und der Dis­kri­mi­nierung der viel­fältig, queeren Welt von LSBTIQ+-Lebensweisen, so Schelle abschließend.

Mit dieser For­derung schließt sich Schelle explizit Thaler an, der seinen Vorstoß wie folgt zusammenfasst:

“Wir können nicht länger einen großen Teil der Bevöl­kerung durch Lie­bes­lieder ver­stören, die einen hete­ro­se­xu­ellen Lebens­entwurf feiern, der von diesem Teil der Bevöl­kerung nicht geteilt wird”. Dies, so Thaler, sei dis­kri­mi­nierend, homophob und sexis­tisch, ras­sis­tisch und rück­wärts­ge­wandt und deshalb sofort zu beenden. Die Chance zur Durch­setzung seiner For­derung schätzt er als gut ein. Das der­zeitige gesell­schaft­liche Klima sei günstig um Queere-Ideen durch­zu­setzen. Sei erst einmal das Verbot für Lie­bes­lieder in öffentlich recht­lichen Sendern durch­ge­setzt, dann könne man private Sender zur “Com­pliance” anhalten, wie dies bei der Frau­en­quote auch gelungen sei, bei der öffent­liche Arbeit­geber Vor­reiter gewesen seien. 


Quelle: sciencefiles.org