„Mehr Wachstum!“ – diese Forderung ist besonders in Zeiten von Wirtschafts-, Umwelt- und Finanzkrisen beliebt, denn die Immer-mehr-Ideologie gilt weltweit als Garant für eine gesunde Ökonomie. Wie zeitgemäß ist der Mythos des grenzenlosen Wachstums angesichts der weltweiten Ressourcenknappheit noch? Wir leben im Überfluss, trotzdem heißt es kaufen und kaufen. Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen könne, wie man alles kaufen könne! Stellen Sie sich vor, etwa 600 Milliarden US-Dollar jedes Jahr geben die Konzerne weltweit für Werbung aus, damit Sie kaufen! Oftmals wird mehr Geld für Marketingstrategien ausgegeben statt für die Forschung. Der Drang nach kurzfristigen Profiten scheint heute die grundlegenden Menschenrechte für Millionen von Menschen auf dem Planeten zu übertrumpfen. Ist die Lebensdauer unserer Produkte programmiert?
Ja, definitiv, denn Hersteller sollen, absichtlich Schwachstellen in ihre Geräte einbauen. Das Ergebnis sehen wir am Elektroschrott, ein typisches Beispiel, wie verschwenderisch mit Rohstoffen umgegangen wird. Jährlich werden weltweit rund 50 Millionen Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte entsorgt , was einem Gewicht von 19 Eiffeltürmen pro Tag entspricht . Es geht um viel Geld, wie der Umsatz im Großhandel mit Elektrogeräten in Deutschland zeigt. Rund 46,8 Milliarden Euro setzt dieser Wirtschaftszweig jährlich um. „Natürlich könnten die Hersteller noch höhere Anforderungen an ihre Produkte stellen, die Kosten für ein Gerät würden dadurch aber höher“, so die Experten. Bei zahlreichen Produkten ist also der Verschleiß vorprogrammiert, der Kunde soll ein defektes Gerät nicht reparieren lassen, sondern das Altgerät entsorgen und sich ein neues anschaffen. Europa ist Weltmeister von Elektroschrott ( E‑Waste) und zwar mit 12,3 Millionen Tonnen, gefolgt von den USA mit 6,5 Millionen Tonnen. Von wegen Recycling, denn die hauptsächlichen Schwierigkeiten beim Recycling sind nach Aussage der EU die Qualität und der Preis der recycelten Produkte verglichen mit fabrikneuen Waren. Und so exportiert man den Elektroschrott nach Afrika, oft auch illegal. Dorthin, wo Sklaven für „unseren Fortschritt“ arbeiten und Industriestaaten die Länder plündern, notfalls mit Gewalt, um die Rohstoffe für die vielen Elektrogeräte zu bekommen. Ein Gerät, das sich nicht abnutzt, ist eine Tragödie für das Wachstum, der Verbraucher muss kaufen und daher geplante Obsoleszenz.
Welche Rohstoffe stecken in Waschmaschinen, Smartphones oder Autos und woher kommen diese?
Das kann kaum einer wirklich beantworten. Dabei handelt es sich um Rohstoffe, die von Millionen Menschen tagtäglich unter schwersten Bedingungen in Bergbauschächten abgetragen werden. Um zu überleben, riskieren die Arbeiter ihr Leben und werden dann oftmals vom Militär ihres Lohnes beraubt. Die Nutznießer dieser Ausbeutung sind die Verbraucher in den Industrieländern. Billige Rohstoffe = billige Elektrogeräte, Computer oder Smartphones.
So müssen unter archaischen Bedingungen Arbeiter z. B. im Kongo mit bloßen Händen Rohstoffe wie Tantal, Zinn und Wolfram aus der Erde buddeln. Die Metalle werden dringend gebraucht, sind sie doch Hauptbestandteil zahlreicher elektronischer Geräte.
Und auch in Madagaskar arbeiten Kinder für die Rohstoffe nach Europa, mehr als 10.000 Kinder, von denen die jüngsten erst knapp 5 Jahre alt sind, sind in Madagaskar in Glimmerminen beschäftigt.
Paradox, plündern doch die Industriestaaten die afrikanischen Länder, notfalls mit Gewalt, um die Rohstoffe für die vielen Elektrogeräte zu bekommen und weil Recycling zu teuer ist, exportiert man den Elektroschrott wieder zurück nach Afrika.
In vielen von uns geliebten Hightech-Produkten, wie Smartphones, Tablets, Spielkonsolen oder Fernsehern stecken sogenannte Seltene Erden. Diese Metalle werden unter katastrophalen Arbeitsbedingungen von Kleinschürfern in Minen rund um den Globus gefördert.
Die Dokumentation „Sklavenarbeit für unseren Fortschritt“ zeigt erschütternde Bilder dieser Ausbeutung. Ob Waschmaschine oder Handy, ob Windrad oder Auto, zur Herstellung von Wohlstandsprodukten werden seltene Rohstoffe wie Zinn, Wolfram, Tantal oder auch Gold benötigt.
Der Konsument hält alle Macht in der Hand. Denkste. Abzocke, wohin man schaut!
Da hat man sich an die tolle Kaffeemaschine mit Mahlwerk gewöhnt, ist ja auch nicht ganz billig und vermeidet den unsäglichen Müll, der durch diese Kaffeekapseln produziert wird. Eines Morgens stehen Sie auf, freuen sich auf Ihren Kaffee, und als wären über Nacht Geister im Haus tätig gewesen, funktioniert die Kaffeemaschine nicht mehr. Komisch, denken Sie, ging gestern doch noch?! Sie suchen die Rechnung und stellen fest, oh weh – Garantie ist gerade abgelaufen.
Genau das nennt man „Geplante Obsoleszenz“. Eine (geplante) absichtliche Verringerung der Lebensdauer von Produkten und nicht nur bei der Kaffeemaschine, sondern bei fast allen technischen Geräten. Es wäre technisch durchaus machbar, Geräte so zu konstruieren, dass sie fast endlos halten. Das behagt den Herstellerfirmen aber nicht, denn diese wollen vor allem eins: verkaufen, verkaufen, verkaufen. Letztendlich sind wir auf Gedeih und Verderb dem globalen Markt unterworfen mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt und den Geldbeutel. Geld regiert die Welt! Eine bittere Erkenntnis und man kann sich dem Kreislauf der Obsoleszenz in keiner Weise entziehen. Wachstum muss um jeden Preis generiert werden! Die Zeche zahlt am Ende der Konsument – so oder so.
Bereits 1928 schrieb eine Werbezeitschrift unumwunden: „Ein Artikel, der sich nicht abnutzt, ist eine Tragödie fürs Geschäft”.
Mit „geplanten Obsoleszenz“ sollte der Verkauf neuer Produkte angekurbelt werden, die Wirtschaft gestärkt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die geplante Obsoleszenz ist zur gleichen Zeit entstanden wie die Massenproduktion und die Konsumgesellschaft.
Anzeichen dafür, dass schon früher geplante Obsoleszenz eingesetzt wurde, um den Umsatz zu steigern gibt es zu genüge. Das bekannteste Beispiel kommt aus der Glühbirnenindustrie, hier soll das Konzept auch erstmals umgesetzt worden sein.
1924 gründeten die damaligen führenden Lampenhersteller (General Electric, Philips, Osram, Compagnie des Lampes usw.) das Pheobuskartell, ein Gebiets‑, Normen- und Typenkartell. Ziel des Kartells waren Absprachen zum Austausch von Patenten und technischen Informationen sowie die Aufteilung des Weltmarktes für Glühlampen unter den Beteiligten. Eine der zentralen Übereinkünfte war zudem die Standardisierung – und damit auch die künstliche Begrenzung – der Lebensdauer von Glühbirnen auf 1000 Stunden. Die Brenndauer der Glühlampen erreichte vor dem Ersten Weltkrieg gut 2000 bis 2500 Stunden.
Auch weitere Beispiele lassen auf geplante Obsoleszenz schließen. Das Unternehmen Du Pont stellte als eines der ersten Kunstseide her und seine Nylonfäden machten das Frauen-Bein zum Fetisch des 20. Jahrhunderts, doch hier wurde offenbar vorsätzlich über einen chemischen Prozess die Haltbarkeit der Damenstrümpfe reduziert.
Zuvor waren alle Textilien und Stoffe für Kleidung, Zelte, Linnen, Teppiche, Gardinen, Windeln u. a. bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts überwiegend aus Hanffasern hergestellt. Du Pont und der Konkurrent Dow Chemical sorgten durch das Verbot von Hanf für eine Abhängigkeit von Petrochemikalien. Früher noch Konkurrenten, haben diese Giganten 2017 die Fusion abgeschlossen und DowDuPont ist einer der weltweit größten Konzerne der Chemischen Industrie und in ca. 90 Ländern aktiv.
Anderes Beispiel: Die „Abwrackprämie“ von 2009
Die „Abwrackprämie“ von 2009, wurde aufgrund der der Finanzkrise zugunsten der Automobilbranche eingeführt. Etwa 1.8 Millionen zum Großteil funktionstüchtige PKW wurden verschrottet.Viele Autos landeten auch in Afrika, obwohl es eigentlich untersagt war.
Warum Afrika?
„Unsere Armut hat dazu geführt und uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind. Wir können es uns nicht leisten, neue Kleidung zu kaufen, so füttern wir eine Branche, die auf ausrangierten Waren gedeiht, so wie wir es gewohnt sind: gebrauchte Autos, Fernsehgeräte, Möbel, etc. zu kaufen. Wir sind Menschen für gebrauchte Produkte. Sogar die Medikamente, die in vielen unseren Apotheken stehen, haben ihr Haltbarkeitsdatum überschritten, “ so viele ostfarikanischen Länder, die lieber ihre eigene Industrie aufbauen möchten, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Doch durch ein rücksichtsloses Freihandelsabkommen mit Europa werden diese Länder gezwungen, den „Müll“ aus Europa abzunehmen.
Noch immer landen 50 Millionen Tonnen giftiger Elektroschrott pro Jahr in Afrika.Schwere, saure Rauchböen wogen über die Agbogbloshie-Deponie, eine Ödnis, die mit brennenden Müllhaufen in Ghanas Hauptstadt Accra übersät ist. Da landet der Elektroschrott mit schlimmen Folgen für die dortigen Menschen und Umwelt. Das Recycling von Bildschirmröhren ist in Westafrika ein Geschäft organisierter Banden. Das Kupfer in den Ablenkspulen der Geräte ist ein begehrter Rohstoff. Das übrige bleihaltige Glas bleibt als Gesundheitsrisiko zurück.
Elektroschrott – weggeworfene elektrische oder elektronische Geräte – ist die am schnellsten wachsende Abfallquelle der Welt!
Wachstum ist nicht die Lösung – Wachstum ist das Problem!
Wie zeitgemäß ist der Mythos des grenzenlosen Wachstums angesichts der weltweiten Ressourcenknappheit noch? Wir leben im Überfluss, trotzdem heißt es kaufen und kaufen. Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen könne, wie man alles kaufen könne, und unterstützt so die Kriege dieser Welt!
War Ihnen bekannt, dass das Wachstum als politisches Ziel in der Bundesrepublik Deutschland seit 1967 mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft rechtlich vorgegeben ist? Ist es nicht ein Gesetz, mit dem die Konzerne eine Regierung unter Druck setzen können?
Zum Beispiel, „wenn ihr nicht macht, was wir wollen, dann entlassen wir Mitarbeiter.“ Paradox, wenn Konzerne Mitarbeiter entlassen, steigen die Kurse der Aktien, denn weniger Personalkosten gleich höherer Gewinn. So einfach!
„Mehr Wachstum!“ – diese Forderung ist besonders in Zeiten von Wirtschafts‑, Umwelt- und Finanzkrisen beliebt, doch Wachstum ist nicht die Lösung – Wachstum ist das Problem. An ein unendliches Wachstum in einer endlichen Welt können bloß Verrückte und Wirtschaftswissenschaftler glauben.
Das Prinzip der geplanten Obsoleszenz
Glühbirnen, Nylonstrümpfe, Drucker, Mobiltelefone – bei den meisten dieser Produkte ist das Abnutzungsdatum bereits geplant. Die Verbraucher sollen veranlasst werden, lieber einen neuen Artikel zu kaufen, als den defekten reparieren zu lassen.
- Geplante Obsoleszenz ist nichts anderes als ein künstlich verursachtes Verfallsdatum. Es wird mittels verschiedener Möglichkeiten dafür gesorgt, dass die gekaufte Ware kurz nach dem „Verfallsdatum“, nach dem Erlöschen der Garantiezeit, nicht mehr funktioniert.
- Dazu gibt es überraschend viele Möglichkeiten. Als Beispiel eignet sich gut ein Tintenstrahldrucker, wer kennt nicht den Ärger, den man allein schon beim Austauschen einer Tintenpatrone hat.
- • Die verwendeten Bauteile haben aufgrund minderwertiger Qualität oder ungeeigneter Materialen eine sehr kurze Halbwertzeit und verschleißen unnötig schnell. Interessanterweise kosten langlebigere Bauteile meistens nicht mehr.
- • Ersatzteile werden zu so horrenden Preisen verkauft, sodass sich eine Reparatur nicht lohnt.
- • Die Geräte sind so konzipiert, dass eine Reparatur extrem aufwändig ist und von einem Laien in der Regel nicht ausgeführt werden kann. Die anfallenden Reparaturkosten würden den Wert eines Neugerätes übersteigen.
- • Integrierte „Tropfenzähler“ stellen das Gerät vorsorglich ab. Der Effekt, Resttank oder Vlies müssten gewechselt werden, das kann meist sogar ein technisch bewanderter Laie, aber das Zurückstellen des Zählmechanismus beherrscht wieder nur der Fachhandel, der sich das natürlich bezahlen lässt.
- • „Upgradefunktionen“ der Hersteller, die sich automatisch in das Programm einloggen, blockieren den Drucker in seiner Funktion, wenn dieser eine bestimmte Laufzeit absolviert hat.
Kaufen für die Müllhalde
Kaufen für die Müllhalde ist ein mehrfach preisgekrönter französisch-spanischer Dokumentarfilm der Regisseurin Cosima Dannoritzer aus dem Jahr 2010. Die Dokumentation befasst sich mit geplanter Obsoleszenz, der vom Hersteller absichtlich eingeschränkten Lebensdauer von Produkten, die den Absatz von Ersatzprodukten erhöhen soll.
Die Dokumentation ist zwar aus 2010, doch hat sich wirklich etwas geändert? Es geht um viel Geld, um etwa 50 Milliarden Euro, die der Handel mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik und Hausgeräten als Umsatz macht. Auch nachdem der Handel durch die Coronakrise geschockt war, haben viele Händler Wege gefunden, mit der Krise umzugehen – etwa durch den Einstieg in den E‑Commerce. Wie der Guardian ausgerechnet hat, soll Amazon in den vergangenen Monaten rund 10.000 Dollar pro Sekunde umgesetzt haben.
Und sollten sich die Verbraucher doch dazu entscheiden, weniger zu kaufen, gibt es sicher wieder eine sogenannte „Abwrackprämie“ wie bereits 2009. Und der Hamburger Hafen wird neben Antwerpen und Rotterdam wichtigster europäischer Umschlagplatz für alte Elektrogeräte bleiben, als Füllung von Gebrauchtwagen in Containern,die dann die weite Reise nach Afrika antreten. Dorthin, wo Sklaven für „unseren Fortschritt“ arbeiten und Industriestaaten die Länder plündern, notfalls mit Gewalt, um die Rohstoffe für die vielen Elektrogeräte zu bekommen.
„Wir sollten versuchen, einfach daran zu glauben, dass wir vorankommen werden. Mit besserer Stimmung allein können wir schon den privaten Konsum ankurbeln und damit Wachstum erzeugen.“ Dieter Zetsche. Vom 1. Januar 2006 bis zum 22. Mai 2019 war er Vorstandsvorsitzender der Daimler AG. Sein Gehalt von 2006 – 2019 etwa 100 Millionen Euro.
Seit dem 23. Mai 2019 ist er Aufsichtsratsvorsitzender der TUI AG.
Netzfrau Doro Schreier
Quelle: netzfrauen.org
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