»Fuß­tritt der Alli­ierten«: So wurde Preußen & seine Tra­dition aus­ge­löscht! — Teil 2

Alle Welt spricht von der Annexion der Krim 2014 oder des Kosovos 1999. Keiner denkt mehr daran, dass es auch hier­zu­lande einmal einen staat­lichen Supergau gab. Ein kom­pletter deut­scher Staat, der übrigens der erfolg­reichste Europas war, wurde mit einem Feder­strich einfach so aus­ge­löscht! Die Rede ist vom Staat Preußen.

Preußen musste in jeder Hin­sicht mit »Stumpf und Stiel« ver­nichtet werden!

Dafür war den Alli­ierten jedes Mittel recht!

Ganz gleich, welche her­vor­ra­genden Leis­tungen das Land in jahr­hun­der­te­alter Tra­dition erbracht hatte!

LESEN SIE HIER DEN 2. TEIL …

——————————————–

Hier bestellen!

Aber viel­leicht war es den Alli­ierten nicht nur ein Anliegen, einen ganzen Staat aus­zu­lö­schen, sondern gleich gar die preu­ßische Tra­dition? Denn, wie erläutert, ging Preußen durch die »Ver­reich­li­chung«, der Gleich­schaltung der Länder durch das »Reichs­statt­hal­ter­gesetz« unter den Nazis bereits im Reich auf, so dass es quasi lediglich noch als »Gebiets­kör­per­schaft« und nicht mehr als eigener Staat bestand. Letztlich wurde also mit dem Gesetzes Nr. 46 des Alli­ierten Kon­trollrats etwas eli­mi­niert, was schon eli­mi­niert war. Somit hätte es auch keinen beson­deren Beschluss gebraucht.

Außerdem war Ost­preußen, genauso wie Teile Bran­den­burgs, Pom­merns und Schle­siens bereits von der Sowjet­union besetzt und annek­tiert worden. Kurzum: Preußen verlor alle seine Kern­pro­vinzen mit Mil­lionen von Vertriebenen.

Kein deut­scher Poli­tiker wagte es damals Preußens Bewahrung zu fordern, von dem nicht einmal mehr eine Regio­nal­be­zeichnung exis­tiert. Und so wurde alles »Preu­ßische« ver­un­glimpft. Bis heute.

Man stelle sich das so vor: Einst gehörte Preußen zu den fünf euro­päi­schen Groß­mächten und jetzt war es (fast) spurlos ver­schwunden, einfach von der Land­karte getilgt, für immer und ewig.

Es war der deutsch-schwei­ze­rische His­to­riker, Publizist und Schrift­steller Golo Mann (1909–1994), der Sohn des Lite­ra­tur­no­bel­preis­trägers Thomas Mann (1875–1955), der nach Hitlers Macht­er­greifung in die USA emi­grierte und die for­melle Auf­lösung Preußens als einen »Fuß­tritt bezeichnete, den sieg­reiche Esel einem längst toten Löwen gaben. Sie glaubten, sie hätten ihn getötet, aber das war ein Irrtum. Sie glaubten, der Nazismus hätte seine Wurzeln im Preu­ßentum gehabt. Das war zu höchstens einem Zehntel richtig und zu gut neun Zehnteln falsch.«

Im Februar 2007 ver­öf­fent­lichte die Nach­rich­ten­seite welt.de ein Interview mit dem His­to­riker Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen (1939–2015), dem Urenkel Kaiser Wil­helms II.

Darin erklärte er unter anderem, dass die »Auf­lösung von Preußen per Gesetz Lei­chen­fled­derei« sei. Es sei absurd, dass immer nur vom preu­ßi­schen Mili­ta­rismus die Rede sei, nie vom fran­zö­si­schen, eng­li­schen oder rus­si­schen. Viel­leicht zur Recht­fer­tigung des rus­si­schen ter­ri­to­rialen Zuge­winns nach 1945. Preußen bedeute auch Tugenden wie Toleranz, Zivil­courage, die Fähigkeit und Disziplin.

»Das deutsche Kai­ser­reich war ein Rechts­staat, das Dritte Reich ein tota­li­tärer Unrechts­staat. Unter den 500 wich­tigsten Leuten um Hitler waren gerade 17 Preußen. Nicht von ungefähr: Preußen war für die Nazis ein rotes Tuch«, führte der Prinz weiter aus. Außerdem verriet er eine his­to­rische Rand­notiz, die keinen Eingang in hiesige Geschichts­bücher gefunden hat.

»Nach dem 200. Todestag von Friedrich dem Großen 1986 tauchte bei meinem Vater (Louis Fer­dinand von Preußen (1907–1994), Chef des Hauses Hohenzollern/GG) der ehe­malige Kul­tur­mi­nister der DDR, Hans Bentzien, auf. Zuerst auf der Burg Hohen­zollern und anschließend in Berlin. Es war schon seltsam, dass der DDR-Poli­tiker meinen Vater mit ‚Kai­ser­liche Hoheit‘ ansprach, ein Titel, der zu der Zeit eigentlich gar nicht mehr galt.«

Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen weiter: »Ganz offen­sichtlich war er von Erich Hon­ecker geschickt und sagte zu uns: Es wäre doch eine groß­artige Idee, die Särge Fried­richs des Großen und seines Vaters, Fried­richs Wil­helms I., die sich nach der Aus­la­gerung im Krieg seit 1952 auf der Burg Hohen­zollern befanden, nach Sans­souci bei Potsdam, also in die DDR, zurück­zu­über­führen. Das ent­spräche dem letzten Willen Fried­richs des Großen.« Und: »Ja, ant­wortete mein Vater, das ist eine sehr gute Idee. Aber bevor ich die Särge nach Potsdam schicke, müssten noch einige Vor­be­din­gungen erfüllt sein: Erst mal müsse die Mauer, dann die inner­deutsche Grenze fallen. Wenn das nicht gleich ginge, dann warten wir halt noch ein bisschen. Na ja, es ging dann schneller als erwartet.«

Soweit also der Urenkel Kaiser Wilhelm II. zu Preußen.

Preußen war also weitaus mehr, als Mili­ta­rismus, wie ihm vor­ge­worfen wurde. »Neben dem Dienst­be­griff als einem über­per­sön­lichen Ord­nungs­prinzip war ein­zig­artig auch die Ver­bindung kon­ser­va­tiver und libe­raler Über­zeu­gungen in diesem Rechts­staat, der seit 1848 eine kon­sti­tu­tio­nelle Mon­archie gewesen war (…) Heute, da der Preu­ßische Staat von der Land­karte Europas ver­schwunden ist, ver­mögen wir erst die klas­si­schen Tugenden dieses Staates gerecht zu wür­digen: saubere Ver­waltung, unbe­stech­liches Beam­tentum, kor­rup­ti­onsarme Wirt­schaft, gerechte Justiz, relativ geringe Kri­mi­na­lität und betonte Spar­samkeit (…) Selbst­loser Dienst, Gelten durch Leistung, Beschei­denheit und Kargheit – das alles wurde in Preußen groß­ge­schrieben, Maß­lo­sigkeit der Ansprüche und prot­ziges Auf­treten wurden instinktiv ver­ab­scheut (Schoeps).«

»Das Preu­ßentum hat zu allen Zeiten ein fast unheim­liches Janus­ge­sicht besessen«, schreibt Rudolf Sta­delmann in Moltke und der Staat. »Es ist sogleich nach vor­wärts und nach rück­wärts­ge­wandt. Es ist ver­bissen reak­tionär und fast bodenlos modern. Es ist pie­tis­tisch und auf­ge­klärt, patri­ar­cha­lisch und indus­triell, legi­ti­mis­tisch und revo­lu­tionär. Man kann es mit dem­selben Recht zur Vor­macht der Tra­dition und zum Pionier des kühnsten Unter­neh­mungs­geistes erklären.«

Letztlich – und dabei bleibe ich – wurde Preußen und alles Preu­ßische von den Alli­ierten nicht nur als geo­gra­fi­sches Land sowie als Staats­macht getilgt, sondern auch ver­sucht, seine Geschichte als Spie­gelbild des kol­lek­tiven Bewusst­seins, seine poli­tische Kultur und seine Tra­dition gänzlich zu vernichten.

Denn Preußen war gefährlich und ist es in den Gehirnen jener immer noch: Preußen war, wie Schoeps fol­ge­richtig erkannte, der »einzige deutsche Staat, der mehr als ein Staat war, mit dem sich eine Idee ver­knüpft hat, durch die Men­schen gebunden wurden und viel­leicht noch heute gebunden werden können.«

Dass die Herzen der Men­schen für eine »Idee« wieder höher schlagen können, die mit­unter sogar dem poli­ti­schen Main­stream gegen­über­steht, ist das viel­leicht wirklich »gefähr­liche« am preu­ßi­schen Erbe.

——————–

Quellen:  Chris­topher Clark: Preußen – Auf­stieg und Nie­dergang 1600–1947, München 2007///Hans-Joachim Schoeps: Preußen – Geschichte eines Staates, Hamburg 2019///“Auflösung Preußens“ ( http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0231_pre.pdf Datum: 19. Sep­tember 2011)/Archiv Grandt///Sabine Kaufmann: „Deutsche Geschichte: Preußen“ (https://www.planet-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/geschichte_preussens/index.html)/Zugriff: 27.04.21///Hans Misdorf: „300 Jahre Preussen“ (https://derweg.org/deutschland/geschichte/preussen/)///“Preußen im Deut­schen Kai­ser­reich 1867–1918) (http://web.fu-berlin.de/akip/preussenforum/chronik/PriDk18671918/index.html#)///“Deutscher Orden“ ( https://web.archive.org/web/20160402215953/http://www.deutscher-orden.de/all_wurzeln_start.php)/Zugriff: 28.04.21///“20 große Preußen – Lebens­bilder preu­ßi­scher Per­sön­lich­keiten“ in: Preu­ßische All­ge­meine Zeitung (Sonderausgabe)/Archiv Grandt///“Bismarcks Sozi­al­ge­setz­gebung“ in: Geschichte Kompakt (https://www.geschichte-abitur.de/lexikon/uebersicht-deutsches-kaiserreich/kaiserreich-bismarcks-sozialgesetzgebung)/Zugriff: 28.04.21)///“Potsdam – Por­trait“ in: www.potsdam.de (https://www.potsdam.de/kategorie/portrait-geschichte)/Zugriff: 01.05.21 „Gesetz Nr. 46 des Alli­ierten Kon­troll­rates in Deutschland über die Auf­lösung des Staates Preußen, 25. Februar 1947“ in: Amts­blatt des Kon­trollrats in Deutschland, Berlin, Nr. 14 vom 31. März 1947, S. 262.///Golo Mann: Das Ende Preußens in: Otto Büsch/Wolfgang Neu­ge­bauer, Wolfgang (Hrsg).: Moderne preu­ßische Geschichte: 1648–1947, Ver­öf­fent­li­chung der His­to­ri­schen Kom­mission zu Berlin, Bd. 52, 1981, S. 260ff. „Umgang mit Preußen ist eine his­to­rische Gro­teske“ in: welt.de v. 23. Februar 2007 (https://www.welt.de/politik/article732926/Umgang-mit-Preussen-ist-eine-historische-Groteske.html)/Zugriff: 29.04.21///Rudolf Sta­delmann: Moltke und der Staat, Krefeld 1950, S. 395ff.


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de