Coming-out Musik bei “schwulen Männern” – Die insti­tu­tio­na­li­sierte Sozi­al­wis­sen­schaft ist tot

Wozu ist Wis­sen­schaft eigentlich da?

Eine Frage, die auf den ersten Blick seltsam anmutet, trägt doch bereits der Begriff “Wis­sen­schaft”, den Zweck, das Schaffen von Wissen in sich.

Indes ist die Frage heute wich­tiger denn je.
Das wird deutlich, wenn man sie ein wenig umformuliert:
Welchem Zweck soll das mit Wis­sen­schaft geschaffene Wissen dienen?

Hier spielt die Musik, denn die Antwort, die man ange­sichts von Mil­li­ar­den­be­trägen, die aus den Taschen von Steu­er­zahlern in die Taschen ter­tiärer Bil­dungs­in­sti­tu­tionen gescha­fuelt werden, erwarten würde, sie lautet: Wis­sen­schaft hat letztlich den Zweck, gesell­schaft­lichen Nutzen, sei es Wohl­stand zu mehren, sei es ein bes­seres Leben für die Mehrzahl der Mit­glieder zu schaffen, sei es irgend eine Form der Ver­bes­serung, die letztlich einer Mehrheit der Bevöl­kerung zugute kommt, zu erreichen.

Das schließt zwei Formen von ver­meint­licher Wis­sen­schaft aus:

  • Wis­sen­schaft aus Selbst­zweck in Form von: “Was ich schon immer einmal wissen wollte, was für andere aber weit­gehend irrelevant ist” oder ich “forsche also bin ich Wissenschaftler”.
  • Wis­sen­schaft als Legi­ti­ma­ti­ons­be­schaffer für ideo­lo­gische Ziele, sei es in Form von Auf­trags­for­schung für Regie­rungen, um deren poli­tische Agenda zu unter­füttern, sei es als Rek­tal­for­schung am Zeit­geist, um den gesell­schaft­lichen Gruppen, die pseudo-wis­sen­schaft­liche Legi­ti­mation benö­tigen, um an das Geld der Steu­er­zahler über Pro­gramme wie z.B. “Demo­kratie leben!” her­an­zu­kommen, zu Willen zu sein.

Zum Schaden von Wis­sen­schaft finden sich heute fast aus­schließlich aka­de­mische Bei­träge, die die beiden zuletzt benannten unwis­sen­schaft­lichen Funk­tionen erfüllen, Bei­träge, die poli­tische Agenden von Regie­rungen unter­stützen und Bei­träge, die ideo­lo­gische und in Berei­che­rungs­ab­sicht betriebene Agenden orga­ni­sierter Lob­by­gruppen bedienen. Nichts davon schafft Wissen, ist mit irgend einer Form von rele­vanter Erkenntnis verbunden.

Erkenntnis, das war einst der heilige Gral der Wis­sen­schaft, um dessen Errei­chung sich Wis­sen­schafts­theo­re­tiker gestritten haben. Erkenntnis als solche war ein Zugewinn an Wissen, der einen For­schungs­be­reich näher an den regu­la­tiven Wert von Wahrheit her­an­ge­bracht hat, der – um in den Worten von Thomas Kuhn zu sprechen – erst Rätsel in einem Para­digma und dann die Anomalien eben dieses Para­digma gelöst, die Menschheit voran gebracht hat. Das sind, zuge­geben, hehre Ziele, zu denen die meiste For­schung nur inkre­men­telle Bei­träge leistet. Aber genau das ist der Punkt: sie leistet min­destens inkre­men­telle Bei­träge, was vor­aus­setzt, dass es ein Erkennt­nis­in­teresse gibt, das – wenn es denn in die ange­strebte Erkenntnis mündet – eine ganze Reihe von Fragen zu beant­worten in der Lage ist oder dabei hilft, Fragen, die wie­derum eine Ver­bes­serung im Leben realer Men­schen zur Folge haben.

In den Sozi­al­wis­sen­schaften hatte die Aus­richtung an gesell­schaftlich ver­wert­baren Zielen zur Kon­se­quenz, dass For­schungs­pro­gramme ent­wi­ckelt wurden, die auf Basis eines rigiden metho­do­lo­gi­schen Kor­setts aus Theorien, daraus abge­lei­teter Hypo­thesen, Ope­ra­tio­na­li­sierung und empi­ri­scher Prüfung recht beacht­liche Erfolge im Bereich der Erklärung mensch­lichen Ver­haltens hatten. Die Schei­dungs­for­schung, die Bil­dungs­for­schung und die Kri­mi­no­logie mögen hier als Bei­spiele dienen. Aber natürlich haben Ergeb­nisse, die entlang rigider metho­do­lo­gi­scher Vor­gaben erzielt werden, oftmals unan­ge­nehme Folgen für die­je­nigen, die in ideo­lo­gi­scher Inbrunst ver­suchen, per poli­ti­scher Agenda ihre Spin­ne­reien durch­zu­setzen. So haben Ergeb­nisse der Bil­dungs­for­schung, die wieder und wieder gezeigt haben, dass nicht die ideo­lo­gisch pro­te­gierten Mädchen, die von Orga­ni­sa­tionen, die sich bis heute von Minis­terien mit Steu­er­geldern aus­halten lassen, zu Opfern von erfun­denem Bullshit wie dem Patri­archat auf­gebaut werden sollten, sondern JUNGEN die­je­nigen sind, die im Bil­dungs­system nicht nur Nach­teile haben, sondern massiv benach­teiligt werden. Wer die Geschichte dieser For­schung nach­lesen will, der kann das bei uns tun:

Nun hat die ange­spro­chene Methode, das dar­ge­legte rigide metho­do­lo­gische Vor­gehen, das allein Wis­sen­schaft beschreibt, natürlich neben der Tat­sache, dass es der Empirie und nicht ideo­lo­gi­schen Vor­gaben ver­pflichtet ist, noch den Nachteil, dass es rudi­mentäre Kennt­nisse in Wis­sen­schafts­theorie, Sta­tistik und wis­sen­schaft­lichen Methoden von denen ver­langt, die Wis­sen­schaftler sein wollen, was besonders all die­je­nigen vor ein unlös­bares Problem stellt, die sich im Irrtum, Sozi­al­wis­sen­schaften bestünden weit­gehend aus Geschwätz, und dem darauf auf­bau­enden, dass dieses Geschwätz, wenn es aus einem Gebäude, das einer Hoch­schule zuge­rechnet wird, heraus erfolgt, als Wis­sen­schaft gilt, in eben diesen Sozi­al­wis­sen­schaften tummeln.

Aller­dings übt die Aus­sicht, ideo­lo­gi­scher Zuträger für Regie­rungen, Par­teien oder andere ideo­lo­gische Orga­ni­sa­tionen mit nicht mehr als Geschwätz sein zu können und Geschwätz als Wis­sen­schaft aus­geben zu können, auf viele, die keine Ahnung haben, was Wis­sen­schaft ist und was sie damit wollen, von Erkenntnis nur ent­fernt einmal gehört haben und Erkennt­nis­fort­schritt für eine Fort­be­we­gungsart halten, einen große Reiz aus. So groß, dass sie die Sozi­al­wis­sen­schaften geflutet und zu einem sub­jek­tiven Morast aus belang­losem, aber poli­tisch erwünschten Geschwätz gemacht haben.

Solchem Geschwätz:

Herzlich willkommen!Liebe:r Teilnehmer:in,

vielen Dank, dass du an dieser Studie teil­nehmen möchtest. Im Rahmen eines For­schungs­se­minars an der TU Dortmund unter­suchen wir, welche Funk­tionen Musik während des Coming-Out-Pro­zesses von schwulen Männern hat.

Viele homo­se­xuelle Men­schen beschreiben ihre ersten Coming-Outs, sowie den gesamten Prozess dahin, als eine ein­schnei­dende und bedeu­tende Phase in ihrem Leben. Wir wissen, dass Musik gerade in inten­siven Lebens­phasen eine große Rolle spielen kann – bis jetzt gibt es aber beinahe keine For­schung zur Funktion von Musik in Coming-Out-Pro­zessen. Dabei könnte gerade solche For­schung Per­sonen, die sich aktuell in einem solchen Prozess befinden, helfen! Des­wegen freuen wir uns, dass du dazu bereit bist, an unserer Studie teilzunehmen.

Vielen Dank!

Teil­nah­me­vor­aus­setzung

Wegen des Themas der Studie suchen wir nur voll­jährige homo­se­xuelle cis-Männer (also Per­sonen, die sich mit ihrem bei Geburt zuge­schrie­benen männ­lichen Geschlecht iden­ti­fi­zieren). Alle anderen Per­sonen möchten wir an dieser Stelle bitten, den Fra­ge­bogen abzu­brechen. Trotzdem vielen Dank für eure Bereit­schaft, teilzunehmen!

Ablauf der Studie

Die Studie wird 20–30 Minuten in Anspruch nehmen. Zu Beginn der Studie wirst du – nach einigen per­sön­lichen Fragen – einige Aus­sagen homo­se­xu­eller Männer während einer bestimmten Phase ihres Coming-Out-Pro­zesses lesen. Anschließend geht es darum, dass du dich, wenn möglich, an eine Phase deines Lebens erin­nerst, in der du ähnlich gedacht hast und an die dich diese Aus­sagen erinnert haben. Dann werden dir einige Fragen gestellt, und wir werden dich bitten, diese aus Sicht der Person zu beant­worten, die du in der zuvor erin­nerten Lebens­phase warst. Wenn du die Ver­mutung hast, dass dir ein Erinnern an bestimmte Phasen deines Coming-Out-Pro­zesses nicht gut tun oder schaden könnte, nimm bitte nicht an der Studie teil oder nur in Anwe­senheit von Vertrauenspersonen.

Es wird immer wieder einen Wechsel geben von Fragen mit vor­ge­ge­benen Ant­worten und offenen Fragen, in denen du Ant­worten in eigenen Worten for­mu­lieren kannst. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass die Daten im Fra­ge­bogen anonym erhoben werden. Die gespei­cherten Daten können nicht auf deine Person zurück­ge­führt werden. Zudem gibt es natürlich keine rich­tigen oder fal­schen Ant­worten – wir inter­es­sieren uns hier für deine per­sön­liche Meinung. Du kannst den Fra­ge­bogen zudem ohne Angabe von Gründen abbrechen. Dir ent­stehen dadurch keine Nachteile.

Wir danken dir herzlich für deine Teilnahme!
Finn Birk, Diana Ziebart, Miguel Machulla und Dr. Ann-Kristin Herget

Bei Fragen wende dich bitte an:
ann-kristin.herget@tu-dortmund.de

Wir gehen sorgsam und ver­ant­wor­tungsvoll mit deinen Daten um. Wenn du mehr Infor­ma­tionen zur Ver­ar­beitung deiner Daten oder zur Frei­wil­ligkeit der Teil­nahme wünschst, klicke bitte auf fol­genden Link .

Welcher Erkennt­nis­fort­schritt kann von einer “For­schung” erwartet werden, die für “schwule Männer”, nicht etwa für schwim­mende Fische auf dem Weg zur auf­rechten Existenz oder für voll­ba­ckige Tuba­spieler unter­suchen will, welche Musik bei ihrem “Coming Out”-Prozess eine Rolle gespielt hat, sofern über­haupt Musik eine Rolle gespielt hat?

Aber mit solchen Fragen tut man den Ver­ant­wort­lichen für diese “For­schung” natürlich unrecht, denn sie wollen gar keine Erkenntnis gewinnen, sie wollen “Per­sonen, die sich aktuell in einem solchen Prozess befinden, helfen!”. Wir haben es also mit Leuten zu tun, die dem Irrtum auf­sitzen, einen Job bei einem psy­cho­lo­gi­schen Bera­tungs­zentrum der Barmer ange­treten zu haben, und mit Leuten, die die Position an einer Hoch­schule, die sie – auf welchen Wegen auch immer – erreicht haben, dazu miss­brauchen wollen, nicht nur ihre Tugend zu wedeln, sondern “Min­der­heits­mit­gliedern”, “schwulen Männern”, nicht “schwulen Frauen”, die Musik hören, viel­leicht die falsche, wer weiß, während sie das schwierige Problem in ihrem Geist wälzen, hänge ich meine sexu­ellen Prä­fe­renzen in der Tages­zeitung unter der Rubrik, “Gesucht, gefunden” an die große Glocke oder stelle ich mich an den Eingang zum Bahnhof und frage jeden, der vor­bei­kommt: “Wussten Sie schon: Ich bin schwul”. Toll – ne?- helfen wollen.

Putzig.
Aber keine Wissenschaft.
Nicht einmal entfernt.
Vielmehr ein Miss­brauch des Geldes von Steu­er­zahlern, die für der­artige Tugend­wedel-Pro­jekte die Kosten tragen müssen und NICHTS als Gegen­leistung erhalten.
Und obwohl man denkt, Bullshit wie diesen kann man nicht mehr steigern, enthält die “Pro­jekt­be­schreibung” noch einen Nugget, an dem man nicht vorbei kann:

“und wir werden dich bitten, diese aus Sicht der Person zu beant­worten, die du in der zuvor erin­nerten Lebens­phase warst.”

Edward E. Evans-Prit­chard hat sich einst, um Pro­bleme des kul­tu­rellen Ver­ständ­nisses, die ihn ange­sichts eines Hühn­er­orakels bei den Azande ein­geholt haben, denen, die nicht dabei waren, ver­sucht, diese Pro­bleme mit der Frage: “Wenn ich ein Pferd wäre, würde mir dann Heu schmecken?” zu ver­deut­lichen. Wir fürchten, die Pro­jekt­be­schreiber wären mit einer solchen Frage, ob der vielen Schichten, die sie umfasst, über­fordert, denn Evans-Prit­chard kommt bei seiner Erör­terung zu dem Ergebnis, dass es Dinge gibt, die man sich ein­bilden, die man aber nicht wissen kann. Indes, die Sub­jek­ti­vität, die in Sozi­al­wis­sen­schaften heute ver­ab­so­lu­tiert wird und dort jeden Versuch von Wis­sen­schaft im Keim erstickt, die Aka­de­miker in großer Zahl erfasst und ver­dummt oder im Stadium der Dummheit ver­harren lässt, sie ver­hindert solche Ein­sichten, führt vielmehr dazu, dass die Pro­jekt­nehmer der Uni Dortmund der Ansicht sind, nicht nur Befragte könnten sich in eine Person ver­setzen, die sie einst waren, nein, sie könnten für diese Person, die andere einst waren, Fragen stellen und Ant­worten ver­stehen, und das in einer ver­meint­lichen Wis­sen­schaft, die sich dem Ver­stehen ver­schrieben und die “Erklärung” gestrichen hat.

Karl-Dieter Opp hat sich in seiner Metho­do­logie der Sozi­al­wis­sen­schaften über die absurden Ideen von Sinn­zu­schreibung eines Theodore Abel lustig gemacht, zu Recht. Indes, Abel ver­langt nur, der Handlung eines Akteurs, die man beob­achtet, genau den Sinn zuzu­schreiben, denn der Akteur im Moment der Aus­führung ver­folgt. Eine, wenn man es genau bedenkt, uner­füllbare For­derung. Indes von einem han­delnden Akteur zu ver­langen, er solle sich über­legen, was er mit der ent­spre­chenden Handlung vor Jahren für einen Sinn ver­bunden hat und vom Beob­achter zu ver­langen, diesen ein­deu­tigen Sinn in der aktu­ellen Aussage über die damalige Handlung dingfest zu machen, das hat die Grenze zum Wahnsinn überschritten.


Quelle: sciencefiles.org