Wann haben Sie zuletzt die zufällige Bekanntschaft eines Menschen gemacht, bei dem Sie im Gespräch nicht rasch auf die politische Großwetterlage zu sprechen kamen? Überhaupt scheint es kaum noch politisch indifferente Menschen zu geben, und wenn einer der Großsprecher der Ampel vor Mikrofone tritt, halten alle die Luft an und wappnen sich für das, was wohl als nächste Sau durchs Dorf getrieben wird. Der erhöhte Adrenalinpegel lässt die Leute alert und nervös werden, und diejenigen, die früher aus einem politischen Urvertrauen heraus „ach, so schlimm wird’s schon nicht werden“ sagten, sind verstummt oder rufen nun verzweifelt „das können die doch nicht machen!“. Doch, sie können. Und sie werden.
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, zeichnet sich der Output unserer Legislative durch einige Mängel aus, die sich erst unmerklich, später beschleunigt als systemisch erweisen. Es gibt zum Beispiel keinerlei Bestandsschutz mehr, neue Gesetze werden hastig und ohne Folgenabschätzung durchgepeitscht und Geld, das nicht eingenommen wird, wird hemmungslos drei- und vierfach ausgegeben. Man muss nicht den Geschäftsklimaindex bemühen oder der OECD lauschen, die Deutschland mittlerweile als Schlusslicht führt, um zu spüren, dass da gerade einiges gewaltig schief geht.
Der Blick geht nach oben, an die Spitze der Regierungsparteien und man postuliert, das sei doch früher ganz anders gewesen. Früher, da hätten die Politiker noch Format gehabt, hätten ruhig und sachlich…ich möchte widersprechen. Das kommt uns mit Abstand betrachtet vielleicht nur so vor. Natürlich haben die „sozialen Medien“ ihren Anteil daran, dass wir heute von Äußerungen und Plänen erfahren, die es früher nicht mal in die Rubrik „Vermischtes“ schafften. Doch früher hätten es solche Äußerungen auch nicht in Gesetzestexte geschafft. Die Qualität des politisch gedachten und geäußerten Schwachsinns war im Schnitt schon immer dürftig bis gefährlich und in vielen Fällen übergriffig. Und doch hat sich etwas Entscheidendes verändert: der politische Unterbau unserer Gesellschaft, also Institutionen wie Bildungssystem, Verwaltung, Justiz, Armee und einiges mehr.
Einem Parteitag der Jusos oder der Grünen Jugend zu lauschen, war auch vor 20 oder 30 Jahren schon eine Zumutung für jeden, der unserem Grundgesetz, der Marktwirtschaft und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zugeneigt war. Nur blieben die angezettelten Revolutionen und abgefeuerten Beschlüsse wie Pistolenkugeln im ballistischen Gel des Unterbaus der Gesellschaft stecken. Die absorbierte Energie ließ sich oft sogar in sinnvolle Beschäftigung lenken, wie etwa der prinzipiell richtige aber in der Umsetzung von ideologischen Absolutismen befreite Umweltschutz zeigt. Kurz: es gab überall in den Entscheidungsgremien von Parteien, Behörden, Universitäten und Ministerien „Erwachsene“, die die Maxime „so schlimm wird’s schon nicht werden“ verwirklichten, die Sauerei wegwischten, welche die geplatzten Seifenblasen hinterlassen hatten, mit sinnvollen Kompromissen den angestrebten Weltverbesserungen die Spitze nahmen und dem gierigen Nachwuchs vor dem Verzehr noch rasch die Alufolie von der Schokolade schälten.
Kinder an der Macht
Diese Leute scheinen größtenteils verschwunden, verdrängt oder kaltgestellt zu sein, die „checks and balances“ die sich wie ein Filter zwischen Revolutionäre und Realität legten, funktionieren nicht mehr, die verrücktesten und am wenigsten erprobten Ideen schlagen ungebremst in unser aller Leben ein. Wir sehen die Alufolie förmlich zwischen den Zähnen der Schokolade schmatzenden Politik. Einwände verhallen ungehört, man möchte wegsehen und kann doch den Blick nicht davon lösen. Niemand ist mehr da, der durch sanften Widerspruch und geschickt eingestreute Expertise das Schiff auf strategischem Kurs hält. Und so wird Misstrauen gegen alle Politik – auch wenn sie nicht immer gerechtfertigt und oft pauschal ist – zur Überlebensfrage, weil man sich eben nicht mehr darauf verlassen kann, dass da im System irgendwo noch Erwachsene sitzen, die verhindern, dass die Kinder aus lauter Gestaltungslust an allen Hebeln ziehen.
Auf Twitter und Facebook hochgekochte Meldungen wie die, in Rheinland-Pfalz hätten Bäcker Angst, halbe Brote zu verkaufen, weil man die dann neu und exakt wiegen müsse, hätte man einst als Plombe im Sommerloch betrachtet. Den ihr zugrunde liegende Einzelfall – hier mal ohne Anführungszeichen – hätten die Erwachsenen in den Behörden selbst glattgezogen. Bei Penny, einem Discounter, der sich, wie schon der Name nahe legt, der günstigen Grundversorgung verpflichtet fühlt, hätte das Management eine Abwägung getroffen, ob die paar ESG-Punkte und verzückten Klimaalarmisten es wert sind, seine Kunden mit „wahren Preisen“ zu verprellen, die soviel betriebs- und volkswirtschaftliche Substanz haben wie die im Spielzeug-Kaufsmannsladen.
Die Tagesschau wiederum, neuerdings bekannt dafür, sich gewünschte O‑Töne gleich dort abzuholen, wo sie politisch herkommen, hätte zum Penny-Debakel nicht die eigene Mitarbeiterin befragt und dafür die infantile Ausrede benutzt, man habe „ich komme vom WDR“ mit „ich habe es im WDR gehört“ verwechselt. Solche Erklärungen bewegen sich auf dem Niveau wie unsichtbar werden durch Augen schließen. Wo Kinder regieren, sucht sich die Politik jedoch wie selbstverständlich ein kindliches Objekt und so werden wir mit einer Flut von Hinweisen und Ratschlägen belästigt, wie sie üblicherweise Dreijährigen zuteilwerden: bei Hitze trinken, die Mittagssonne meiden oder Ärmel hochkrempeln für den „Pieks“.
Während das nasskalte Sommerwetter gerade die Getreideernte unmöglich macht und der Weizen auf den Feldern stetig von Brotqualität in Richtung Tierfutter absinkt, bestehen die alarmistischen Wettermeldungen auf Hitzerekorden und zu großer Trockenheit. Das eine am Boden gemessen, das andere sogar 1,8 Meter darunter. Für sich betrachtet natürlich alles faktisch richtig, und doch irrelevant für die aktuellen Probleme. Es ist, als zöge der Rettungsdienst einen Ertrinkenden an den Strand, nur um dann dessen Sonnenbrand zu behandeln – wegen Klima und so –, statt ihn wiederzubeleben. Und habe ich erwähnt, dass der Retter Schwimmflügel trägt, auf denen seine Pronomen stehen?
Wenn die gemeldeten Katastrophen nicht zu den realen passen, hat heute stets die Realität das Nachsehen. Kindern steht das durchaus an, aber die betrachten die Welt eben als Simulation ihrer Phantasie. Es braucht am Ende immer auch einige Erwachsene, die den Laden am Laufen halten. Stattdessen feiert die Infantilität fröhlich Urständ‘, wir alle haben uns zum Tee im Puppenhaus niedergelassen und man erwartet von uns, das wonnige „Mnjamm, mnjamm“ und „Schlürf, schlürf“ für sättigend und durstlöschend zu halten.
Leben im Sandkasten
Selbst da, wo scheinbar Rationalität das Schlimmste noch verhindert, waltet in Wirklichkeit kindliches Gemüt. Dass etwa das dreiste Gebäudeenergiegesetz (GEG) noch nicht in Kraft ist, verdanken wir lustigerweise der Tatsache, dass die Ferien dem Hebelziehen und Knöpfedrücken der grünen Politik einen vorläufigen Riegel vorgeschoben haben. Ferien gehen eben vor Sondersitzung…diesmal zu unserem Glück!
Momentan scheint es, dass viele Menschen aus einem Traum erwachen, der „Normalität“ heißt. Das schöne Vorurteil, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, ist geplatzt. Man findet sich in einer Realität wieder, in der die eigene Empirie nicht zu den Meldungen passen will. Wir waren dank Corona symptomlos krank, der Sommer ist gerade symptomlos heiß und Deutschland immer noch ein reiches Land. Symptomlos, wie zu befürchten ist. Doch die aktuelle Politik hat auch ihr Gutes. Sie kann als starkes Riechsalz dienen, das uns als stechender Schmerz in die Nase fährt und den politischen Schlummer vertreibt. Jetzt sind wir wach, finden uns am Rand des Sandkastens sitzend und klein Robert bietet uns einen frisch gebackenen Sandkuchen an. Sagen Sie „Mnjamm, mnjamm“, aber essen Sie nicht davon. Die Folgen wären nicht symptomlos. Es wird Zeit, dass die Erwachsenen wieder übernehmen.
Quelle: unbesorgt.de
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