Der Inhalt des Songs von Jason Aldean ist eigentlich von der Aufmachung her ein typisches Countrysong-Video: Harte Männer mit Cowboyhüten, Gitarren-Macho-Gesten, jede Menge US-Fahnen und als Hintergrund ein Gerichtsgebäude mit Riesenflagge über der Fassade hängend. Die Gruppe steht vor diesem Bauwerk in typisch amerikanischer Imperialismus-Architektur: Weiße Säulen, Türme mit Kuppeln, Große Treppen … die US-Adaption des Imperiums Romanum. Jede Stadt hat mindestens eine Miniausgabe des „Weißen Hauses“ in Washington. Also nichts Besonderes? Doch. Der Skandal ist die Geschichte des Gerichtsgebäudes.
Die Wellen schlagen so hoch, dass der Sender CMT „Country Music Television“ das Musikvideo vorsichtshalber nicht mehr spielt, berichtet die New York Times. Der Grund: Das erwähnte Gebäude, das Gerichtshaus der Stadt, war 1927 der Schauplatz eines Lynchmordes. Henry Choate, ein junger Schwarzamerikaner wurde in eine Gefängniszelle des Maury County Courthouse in Columbia (Tennessee) gesteckt, weil er beschuldigt wurde, ein 16-jähriges, weißes Mädchen belästigt zu haben. In der Gefängniszelle sollte er eigentlich sicher sein, doch ein wildgewordener Mob von einigen hundert weißen Bürgern holte ihn aus der Gefängniszelle und erhängte ihn an einem Fensterkreuz des Gebäudes.
Das Gebäude steht natürlich heute noch und niemand nimmt daran Anstoß. Aber wenn es eine Country-Gruppe, der man eine Nähe zu Ex-US-Präsident Trump nachsagen kann, als Kulisse nimmt, dann ist das ein Skandal und eine Befürwortung von Lynchjustiz an Schwarzamerikanern. Ein Warnsignal an jeden Weißen, sich bloß nicht vor irgendeiner Szenerie ablichten zu lassen, die irgendwie irgendwas mit Rassismus zu tun gehabt haben könnte? Muss man demnächst erst einmal die Geschichte des Ortes studieren, um nicht via Kontaktschuld nur durch Anwesenheit am moralisch kontaminierten Ort zum verbrecherischen Nazi-Untermenschen gestempelt zu werden?
So langsam erinnert diese woke Hysterie an die Hexenjagd, die hier in Europa vom späteren Mittelalter bis in die frühe Neuzeit – über 300 Jahre! – wütete. Insgesamt wurden Schätzungen zufolge zirka drei Millionen Hexenprozesse geführt und allein in Deutschland ungefähr 40.000 Hexen verbrannt, mehr als die Hälfte der gesamten Hexen- und Zaubererhinrichtungen ganz Europas. Dreiviertel davon waren Frauen, nur im Norden Europas wurden mehr Männer als Frauen hingerichtet.
Natürlich waren es vor allem die Heilerinnen und Kräuterfrauen, die im Fokus der Inquisition standen. Das war alles Zauberei und teuflisch. Und vor allem stank das der katholischen Kirche, dass die Kräuterfrauen Kenntnisse besaßen, wie man verhütet, wie man eine Schwangerschaft begünstigt und begleitet und wie man bei einer komplizierten Geburt helfen kann. Diese „Macht“, Leben zu fördern oder die Empfängnis zu verhindern, die doch ausschließlich gottgegeben ist, durfte die Kirche nicht dulden. Das alte Heilwissen wurde fast ausgerottet.
Damals reichte es schon, wenn eine schwarze Katze sich um die Beine eines Menschen schmiegte, um dem- oder derjenigen einen „Teufelspakt“ anzudichten. Wenn eine Frau sich die Wangen oder Lippen ein bisschen rötete, war sie schnell der sündhaften Verführung der Mannsbilder und der teuflischen Unzucht verdächtig und in akuter Lebensgefahr. Schon Kräutertees waren Hexerei, und wer sich an alten, heidnisch-heiligen Plätzen, Steinkreisen oder Quellen aufhielt, war ebenfalls hochverdächtig.
Diese Fähigkeit zur kollektiven Hysterie gegen das propagierte „Böse“, die die Opfer im besten Fall ausgrenzt, im schlimmsten Fall tötet, ist tief im Menschen verankert. Genau dieses Phänomen beobachten wir heute wieder. Jedem, der nicht links, woke und aggressiv gegen ein schwammiges, abgrundtief böses „Rechts“ ist, wird ausgegrenzt und verachtet. Und auch das Festmachen des „Rechts-Seins“ an immer neuen und herbeikonstruierten Indizien über Assoziatonsketten etabliert sich in erschreckender Parallele zum Hexenwahn des Mittelalters. Die Wokisten bewegen sich gerade über die rote Linie, die sie auf den Pfad einer neuen Inquisition führt.
Das wiederum führt dazu, dass viele sich vorsichtshalber in den Chor der Aufwiegler und Inquisitoren einreihen, um nicht selbst in Verdacht zu geraten. Es sind immer dieselben Abläufe, die leider im Menschen angelegt sind und ausbrechen, wenn sie eine gewisse Relevanz erreicht haben.
Jason Aldean gerät jetzt also in den Verdacht, zum Lynchmord aufzurufen, weil er vor einem (noch heute stehenden und benutzten) Gerichtsgebäude einer Kleinstadt steht und einen Song aufnimmt, der die chaotischen und gewalttätigen Verhältnisse in Großstädten beschreibt, wo die Polizei überfordert ist, Gewaltausbrüche jederzeit mit Urgewalt explodieren können, wo man auf der Straße nicht mehr sicher ist.
Dagegen setzt er die Ruhe und Ordnung in den ländlichen Gebieten, wo eben die typischen konservativen Wähler leben. Man ist gesetzestreu, hilft einander, sorgt für eine funktionierende Infrastruktur, heiratet heterosexuell, und Mann und Frau bekommen Kinder und ziehen sie gemeinsam groß. Nachbarschaft wird großgeschrieben, jeder arbeitet an seinem Platz und für das Gemeinwohl. Man geht zur Messe, engagiert sich in der Pfarrei, hat sein Gewehr über’m Kamin hängen und ist selbstbewusster Bürger. In der Gewalt- und Kriminalitätshölle der Großstadt möchte man nicht tot über‘m Zaun hängen. Alles höchst verdächtig „räääächts“.
Denn wenn man das sagt bzw. singt — und das vor einem Gebäude, in dem vor fast hundert Jahren ein Lychmord geschehen ist -, dann ist klar, dass man zum Lynchmord an den kriminellen Großstädtern aufruft.
Jason Aldean selbst sagt zu den Vorwürfen:
„Mir wurde vorgeworfen, einen Pro-Lynching-Song veröffentlicht zu haben und dass mir die Black-Lives-Matter-Proteste nicht gefallen haben. Diese Vorwürfe sind nicht nur unbegründet, sondern auch gefährlich”, erklärte Aldean. Es gebe in seinem Text nicht eine einzige Zeile, die sich auf Rasse beziehe oder darauf verweise und alle gezeigten Videoschnipsel stammten aus den Nachrichten, verteidigte sich der Musiker. Der Song sei für ihn ein Bezug zum Gefühl der Gemeinschaft, in der er aufgewachsen sei. Einer Nachbarschaft in der man einander geholfen habe, “unabhängig vom Glauben oder den Hintergründen”“.
Geschadet hat der Aufruhr um sein Stück „Try that in a small Town“ nicht. Vor dem Eklat um das später gedrehte Video dazu dümpelte der Song auf den Charts im unteren Bereich. Eigentlich kannten ihn nur seine Fans. Jetzt schießt er in den Hitlisten steil nach oben. Erinnert irgendwie an die Geschichte mit der Transfrau als Werbeträgerin für Budweiser Light-Bier, dessen Umsatz seitdem dauerhaft massiv eingebrochen ist.
Die weit überwiegende, „schweigende“ Mehrheit tickt eben ganz anders, wird aber in der Öffentlichkeit, Politik und Medien ignoriert – oder eben verteufelt. Das sind beileibe nicht nur die bösen, weißen, alten Männer. Nur bei solchen Gelegenheiten zeigt sich, welche Masse das eigentlich ist, die hier ständig gemaßregelt und niedergehalten wird. Was die allermeisten Menschen wirklich wollen und denken, kommt halt immer wieder einmal unmissverständlich zum Vorschein und wird immer zorniger und expliziter.
Schauen wir uns einmal den Text des Liedes „Try that in a small Town“ an. Ich habe eine Übersetzung daruntergesetzt, die das ausdrückt, was es im amerikanischen Englisch ausdrückt. Die deutschen Untertitel sind meistens unverständlich.
Sucker punch somebody on a sidewalk
Carjack an old lady at a red light
Pull a gun on the owner of a liquor store
Ya think it’s cool, well, act a fool if ya like
Cuss out a cop, spit in his face
Stomp on the flag and light it up
Yeah, ya think you’re tough
Well, try that in a small town
See how far ya make it down the road
Around here, we take care of our own
You cross that line, it won’t take long
For you to find out, I recommend you don’t
Try that in a small town
Got a gun that my granddad gave me
They say one day they’re gonna round up
Well, that shit might fly in the city, good luck
Try that in a small town
See how far ya make it down the road
Around here, we take care of our own
You cross that line, it won’t take long
For you to find out, I recommend you don’t
Try that in a small town
Full of good ol’ boys, raised up right
If you’re looking for a fight
Try that in a small town
Try that in a small town
Try that in a small town
See how far ya make it down the road
Around here, we take care of our own
You cross that line, it won’t take long
For you to find out, I recommend you don’t
Try that in a small town
Try that in a small town
Ooh-ooh
Try that in a small town
***
Du Depp, verprügel’ irgendwen auf dem Bürgersteig,
Überfall eine alte Dame an der roten Ampel,
Halt dem Eigentümer eines Schnapsladens eine Waffe vor die Nase.
Du findest das cool, naja, dann benimm Dich wie ein Idiot, wenn du willst.
Beleidige einen Polizisten spuck ihm ins Gesicht,
Trampel auf der Flagge herum und zünd sie an.
Jaja, Du denkst, Du bist taff.
Nun, versuch das mal in einer Kleinstadt,
Schau mal, wie weit Du damit kommst.
Hier kümmern wir uns umeinander.
Überschreite die Grenze und es dauert nicht lang,
Und Du findest es raus, ich rate Dir:
Versuch das nicht in einer Kleinstadt.
Ich hab ‘ne Waffe, die mein Großvater mir gegeben hat,
Sie sagen, eines Tages werden sie sich zusammenrotten.
Na, diese Kacke mag in der Stadt losgehen, viel Glück!
Versuch das mal in einer Kleinstadt,
Schau mal, wie weit Du damit kommst.
Hier kümmern wir uns umeinander.
Überschreite die Grenze und es dauert nicht lang,
Und Du findest es raus, ich rate Dir:
Versuch das nicht in einer Kleinstadt.
Voller guter, alter Jungs, richtig erzogen.
Wenn Du Dich prügeln willst,
Versuch das mal in einer Kleinstadt
Versuch das mal in einer Kleinstadt
Versuch das mal in einer Kleinstadt.
Schau mal, wie weit Du damit kommst
Hier kümmern wir uns umeinander.
Überschreite die Grenze und es dauert nicht lang,
Und Du findest es raus, ich rate Dir:
Versuch das nicht in einer Kleinstadt.
Versuch das mal in einer Kleinstadt
Oooh – oooh …
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