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Über­sterb­lichkeit durch COVID-19 ver­ur­sacht? Augen­wi­scherei mit Daten der BARMER-Versicherung

Man kann die Erleich­terung in den Redak­ti­ons­räumen der Fak­ten­schinder der ARD regel­recht spüren: Ihr Odem strömt aus dem Text, den Pascal Sig­gelkow gerade ver­öf­fent­licht hat. Diesem Text:

Corona ist für die Über­sterb­lichkeit ver­ant­wortlich, sagt Sig­gelkow… wohl.

Selbst dann, wenn Corona kaum mehr vor­handen ist, die Über­sterb­lichkeit aber immer noch, dann ist dennoch Corona ver­ant­wortlich. Das zumindest will uns Pascal Sig­gelkow weis­machen. Die BARMER habe es her­aus­ge­funden – übrigens in keiner Pre­print-Studie, denn es ist nicht ersichtlich, dass die “Studie” in einer Fach­zeit­schrift ver­öf­fent­licht werden soll oder wird. Und weil es ein Ergebnis in seinem Sinne ist, sieht der Peer-Review-Feti­schist dieses Mal darüber hinweg, dass die “Studie” gar nicht Peer reviewed ist. Diese Studie:

Holen wir auch gleich die für diese Studie Ver­ant­wort­lichen ans Tageslicht:

Die Studie kann hier her­un­ter­ge­laden werden.

Und mit dieser Studie, so haben die genannten Ver­ant­wort­lichen am Ende ihres Textes geschrieben, sei “eine hohe, COVID-19-asso­zi­ierte Über­sterb­lichkeit in den Pan­de­mie­jahren 2020 bis 2022 in Deutschland” belegt. Ein absurdes Ergebnis, das man indes erklären kann, wenn man sich ansieht, was die Autoren in ihrer Analyse, die Sig­gelkow so heftig feiert, obschon er von Sta­tistik keine Ahnung zu haben scheint, tat­sächlich getan haben.

Setzen wir zuvor den Rahmen:

Eine sehr nütz­liche Abbildung, wie wir finden, die auf Daten des Sta­tis­ti­schen Bun­desamts und des RKI basiert und die kumu­lierte Sterb­lichkeit, den kumu­lierten Impf­dosen und den kumu­lierten COVID-19 Ster­be­fällen gegen­über­stellt, eine Gegen­über­stellung, die ziemlich ein­deutig zeigt, dass die Über­sterb­lichkeit weiter wächst, obschon die COVID-Ster­be­fälle sta­gnieren bzw. zurück­gehen. Diese sta­gnie­renden Ster­be­fälle von COVID-19, so will uns Sig­gelkow unter Bezug auf die BAR­ME­Risten Dr. Martin Rößler, Claudia Schulte,Dr. Dagmar Hertle, Uwe Rap­schläger und Dr. Danny Wende weis­machen, seien für die weiter stei­gende Über­sterb­lichkeit verantwortlich.

Das zeugt an sich schon von einem Mangel an Denk­ver­mögen, denn etwas, was sta­gniert, kann nicht für etwas, das steigt, ver­ant­wortlich sein. Das sagt schon der gesunde Men­schen­ver­stand. Auch in den Ver­si­cher­ten­daten der Barmer, die die oben genannten Autoren benutzt haben, ist das so. Und obschon in den Ver­si­che­rungs­daten MIT SICHERHEIT der Impf­status der Ver­si­cherten als Datum abgelegt ist, und selbst wenn er das nicht wäre, die Daten zum Impf­status der Ver­si­cherten recht leicht beschaffbar gewesen wären, findet die Analyse von Rößler et al. ohne Bezug zum Impf­status statt.

Erste Regel der Sozi­al­wis­sen­schaft: Erklä­rungs­ver­suche müssen voll­ständig sein, damit sie ernst­ge­nommen werden können. Wer eine der wich­tigsten Variablen zur Erklärung von Über­sterb­lichkeit nicht berück­sichtigt, kann keinen Anspruch darauf erheben, ernst genommen zu werden. Er macht sich eher zum Gespött der Zunft. Dessen unge­achtet berück­sich­tigen die Barmer-Ange­stellten bei ihrem Versuch, Über­sterb­lichkeit zu erklären, kei­nerlei Daten zum Impf­status der Ver­stor­benen, machen nicht einmal den Versuch, ent­spre­chende Daten zu intergrieren.

Damit könnte man die Studie, unter Ergänzung der Bemerkung, dass sich Sig­gelkow nicht mehr lächerlich machen kann, selbst dafür gibt es eine Grenze, dem Orkus des Ver­gessens über­ant­worten, denn ein Erklä­rungs­versuch für ein soziales Faktum wie Über­sterb­lichkeit, die eine der wich­tigsten Variablen nicht berück­sichtigt, ist Quatsch.

Indes ist die Studie von Dr. Rößler und Gefolg­schaft ein Mus­ter­bei­spiel von ent­weder Selbst­sug­gestion oder ver­suchtem Betrug. Um das zu zeigen, muss man hinten anfangen:

8% der Ster­be­fälle hatten eine COVID-19 Dia­gnose, wie die Autoren unter Kom­bi­nation der Dia­gno­se­codes U07.1 und U07.2 fest­stellen, aber 74,9% der über­sterblich Ver­stor­benen. Daraus leitet Sig­gelkow dann ab, dass Corona für die Über­sterb­lichkeit ver­ant­wortlich sei, während die Autoren es bei der Fest­stellung belassen, es gebe “eine hohe, COVID19-asso­zi­ierte Über­sterb­lichkeit in den Pan­de­mie­jahren 2020 bis 2022 in Deutschland”.

Gibt es in der Tat.
Aber das Ergebnis ist nichts wert.
Es kom­bi­niert nicht nur die beiden Codes U07.1 und U07.2, die ver­meintlich belegte und ver­mutete Infek­tionen mit SARS-CoV‑2 umschreiben, es basiert auch auf einem grund­le­genden Problem, denn die Frage, in welchem Zusam­menhang COVID-19 zum Tod des Ver­stor­benen steht, ist wei­terhin offen [Kor­re­la­tionen sind keine Kau­sa­li­täten, you know:]

  • Unklar ist, ob COVID-19 URSÄCHLICH für den Tod war, wie von Sig­gelkow behauptet, denn die Frage, wann die Dia­gnose “COVID-19” gestellt wurde, ist offen. Wurde sie im Februar 2020 gestellt, der Ver­si­cherte ist aber erst im Herbst 2021 ver­storben? Durch die Daten und die Art der Aus­wertung ist das nicht aus­ge­schlossen. Wurde der Ver­storbene irgendwann positiv auf SARS-CoV‑2 getestet und der positive Test steht in kei­nerlei Zusam­menhang zu seinem Tod? Auch das ist möglich. Die Kor­re­lation, die die Autoren zur Schau stellen, ist nichts wert, man kann sie einmotten.

Indes, selbst mit den Daten von Dr. Rößler und Co wäre es möglich gewesen, genaueres zu COVID-19 zu sagen, und es ist sogar möglich sehr Ein­deu­tiges zu COVID-19 zu sagen, so ein­deu­tiges, dass die Behauptung von Sig­gelkow, Corona sei für den vor­zei­tigen Tod der Ver­si­cherten der Barmer ver­ant­wortlich, in all ihrer Dummheit bloß­ge­stellt ist. Um das zu demons­trieren, müssen wir das etwas Genauer beschreiben, was die Barmers gemacht haben. Wie mitt­ler­weile üblich finden sich die rele­vanten Teile im Anhang, schon damit nur wenige sie über­haupt finden.

Auch der Versuch Leser mit Formeln ins Bockshorn zu jagen, ist so alt wie die Welt, täuscht aber die meisten nicht über die Zufuß-Sta­tistik, die hier zur Anwendung gekommen ist, hinweg.

Im Wesent­lichen berechnen die Autoren für den Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2019 die “Basis­sterb­lichkeit”. Die erste lange Formal in der linken Kolonne der abge­bil­deten Seite aus dem Bar­merwerk, macht das deutlich. Hier werden einfach Ster­be­fälle für kumu­lierte “Ver­si­che­rungstage” nach Risi­ko­fak­toren [Alter, Geschlecht und ein paar Krank­heiten, zu denen wir noch kommen] berechnet.

Sie stellen die Basis­daten dar, mit denen wie­derum die beob­ach­teten Daten für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 kon­tras­tiert werden, (zweite Formel). Im Wesent­lichen findet hier eine Sub­traktion statt, aber das ist zu banal, weshalb man das Ganze ein wenig mit Jargon anrei­chern muss. Als Ergebnis gewinnen die Autoren für den Beob­ach­tungs­zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 kumu­lierte Tages- oder Monats­daten [auf welcher Basis sie rechnen, ist nicht ganz klar], die sie nach Alter, Geschlecht und unter­schied­lichen Krank­heiten struk­tu­rieren können, um Auf­schluss darüber zu erhalten, worauf die Über­sterb­lichkeit zurück­ge­führt werden kann.

Und man muss es den Autoren hoch anrechnen, dass sie das eigent­liche Ergebnis ihrer Analyse nicht gänzlich unter­schlagen, sondern im Anhang ver­steckt haben. Sie finden es in der fol­genden Tabelle:

Das ist das Ergebnis der BARMERS, das Ergebnis, das sie im Text nicht besprechen. Es zeigt die Erkran­kungen, die in einem sta­tis­tisch signi­fi­kanten Zusam­menhang mit Über­sterb­lichkeit stehen. Herz­in­farkte tragen mit einem exp(β) von 2,49 zur Über­sterb­lichkeit bei, d.h. Herz­in­farkte sind unter den Ster­be­ur­sachen, die Über­sterb­lichkeit kon­sti­tu­ieren 1,5 Mal häu­figer als “normal”, wobei sich normal auf den Basis­zeitraum (siehe oben) bezieht. Mit Herz­in­suf­fi­zienz und Herz­rhyth­mus­stö­rungen sind zwei weitere Herz­leiden ungefähr in der selben Grö­ßen­ordnung unter denen, die “Über­sterben” häu­figer. Nie­ren­ver­sagen und Pneu­monie, die nicht von COVID-19 ver­ur­sacht wird, tragen erheblich zur Über­sterb­lichkeit bei. Nicht zu ver­gessen: Hirn­schläge, die 3,9 Mal mehr zur Über­sterb­lichkeit als ihrer nor­malen Ver­teilung ent­spricht. All das sind natürlich Erkran­kungen, die sich nach­weislich als Neben­wirkung von COVID-19 Shots ein­stellen.

Die Ver­si­cherten von Barmern sind also in den Jahren 2020 bis 2022 viel häu­figer an Herz­leiden, Nie­ren­ver­sagen und Pneu­monie, wobei COVID-19 als Ursache explizit aus­ge­schlossen ist, ver­storben, als im Basis­zeitraum 2018 bis 2019. Wenn man hätte ana­ly­sieren wollen, ob COVID-19 einen rele­vanten Beitrag zur Über­sterb­lichkeit leistet, dann hätte man COVID-19 als Erkrankung in die Berechnung, deren Ergeb­nisse oben dar­ge­stellt sind, auf­ge­nommen. Aber damit hätte man sich natürlich die Daten versaut, weil die Dia­gnosen “COVID-19” kei­nerlei Auf­schluss darüber geben, ob ein Patient an COVID-19 leidet oder ob lediglich ein posi­tiver Test auf SARS-CoV‑2 vor­liegt, er aber an einem Herz­leiden ver­storben ist. Diese Miss­lichkeit ver­suchen die Autoren mit einem schlechten Taschen­spie­ler­trick zu umgehen, indem sie diese Tabelle in ihrem Haupttext als Test auf einen Zusam­menhang zwi­schen Über­sterb­lichkeit und COVID-19 ausgeben:

Der Zeitraum, auf dem diese Tabelle basiert, beginnt zum 1. Januar 2018 und endet zum 31. Dezember 2022. Warum hier Basis­zeitraum und Ana­ly­se­zeitraum ver­mengt wurden, ist das Geheimnis der Autoren. In der Regel ver­mengt man, wenn ohne Ver­mengung nichts her­aus­kommt. Was aber schwerer wiegt, ist die Ver­mengung der Über­sterb­lichkeit, von der wir wissen, dass sie auf Herz‑, Nieren- und Lun­gen­leiden zurück­ge­führt werden kann, mit einer Dia­gnose “COVID-19”, von der wir weder wissen, WANN sie gestellt wurde, wie weit der PCR-Test vom Tod ent­fernt ist noch ob sie über­haupt in einem Zusam­menhang zur töd­lichen Erkrankung steht.

Das ist nicht mehr mit man­gelnden Kennt­nissen von Sta­tistik und Methoden zu erklären.
Das ist ein absicht­liches Gas­lightning, wohl­wissend, dass sich Ahnungslose wie Sig­gelkow natürlich auf diesen “Zusam­menhang”, dessen Zustan­de­kommen sie nicht einmal im Ansatz durch­schauen, stürzen werden, um die schmutzige Zuarbeit zu Polit-Kaspern zu leisten, die die Barmers nicht leisten wollten.

Ekelig.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei ScienceFiles.org