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BBC: »Dra­ma­ti­scher Anstieg der Toten in der Ukraine«

Massive Ver­luste bei ukrai­ni­scher Gegenoffensive

BBC-Reporter Quentin Som­mer­ville ist einer der wenigen Jour­na­listen, die von der Front in der Ukraine berichten. Som­mer­ville schildert dra­ma­tische Szenen von Lei­chen­bergen sinnlos getö­teter junger Männer.

Über das Wochenende gingen die hef­tigen Kämpfe in der Region Sapo­ri­schija und Kup­jansk weiter. Das rus­sische Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium behauptete, die Ukraine habe am 1. Sep­tember 570 Männer und am 2. Sep­tember 655 Männer verloren. 

Bereits Anfang August behauptete Russland, die Ukraine habe in den ersten zwei Monaten der Gegen­of­fensive 43.000 Männer ver­loren. Täg­liche Berichte über Ver­luste des rus­si­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­riums bezif­ferten die Ver­luste der Ukraine im August auf über 16.000, was bedeutet, dass die gesamten Ver­luste der Ukraine in der Gegen­of­fensive bei etwa 60.000 lägen.

Die stell­ver­tre­tende ukrai­nische Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Hanna Maliar droht allen, die Ver­lust­zahlen ver­öf­fent­lichen, mit straf­recht­licher Verfolgung.

»Die schweren Ver­luste der Ukrai­ni­schen Armee im Verlauf der soge­nannten ‘Gegen­of­fensive’ werden durch effektive Schläge der rus­si­schen Streit­kräfte auf ukrai­nische gepan­zerte Fahr­zeuge in großer Ent­fernung ver­ur­sacht«, behauptete das rus­sische Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium. »Das Ober­kom­mando der Ukrai­ni­schen Armee opfert sehenden Auges ihre Männer, und lassen sie ohne Feu­er­un­ter­stützung rus­sische Minen­felder durchqueren.«

Das ukrai­nische Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium nennt die rus­si­schen Angaben zu ukrai­ni­schen Ver­lusten übertrieben.

»Namenlose Sol­daten liegen hoch gestapelt in der Leichenhalle«

BBC-Reporter Quentin Som­mer­ville berichtete von »einem dra­ma­ti­schen Anstieg der Zahl der Toten in der Ukraine«, beruhend auf neusten Schät­zungen von US-Beamten. Som­mer­ville ist einer der wenigen Jour­na­listen, die von der Front berichten, »wo die düstere Aufgabe, die Toten zu zählen, zur täg­lichen Rea­lität geworden ist«, schreibt er.

»Die namen­losen Sol­daten liegen hoch gestapelt in einer kleinen Ziegel-Lei­chen­halle, nicht weit von der Front­linie in Donetsk ent­fernt, wo die 26-jährige Margo den undank­baren Job hat, die Toten zu zählen«, schreibt Sommerville.

»Die Ukraine gibt keine offi­zielle Zahl ihrer Kriegs­toten an — die ukrai­ni­schen Streit­kräfte haben betont, dass ihre Kriegs­ver­luste ein Staats­ge­heimnis sind — aber Margo weiß, dass die Ver­luste enorm sind«, berichtet Sommerville.

»Es geht jetzt nur noch darum, den Jungs zu helfen, nach Hause zu kommen«

»Am schwersten ist es, wenn man einen jungen Mann sieht, der nicht einmal 20, 22 Jahre alt geworden ist. Und ver­steht, dass sie nicht für sich gestorben sind«, sagte Margo dem BBC-Reporter Som­mer­ville. »Sie wurden für ihr Land getötet. Das ist das Schmerz­haf­teste. Man kann sich daran nicht gewöhnen. Es geht jetzt nur noch darum, den Jungs zu helfen, nach Hause zu kommen.«

Der schwerste Tag ihres Lebens, sagte Margo der BBC, war der Tag, an dem ihr 23-jäh­riger Ehemann Andrii am 29. Dezember 2022 in die Lei­chen­halle gebracht wurde. »Er starb bei der Ver­tei­digung seiner Heimat “, sagt Margo.

Som­mer­ville sprach mit einem stell­ver­tre­tenden Batail­lons­kom­man­danten der 68. Jäger­brigade in der Nähe von Kupyansk im Norden. Der Mann trägt den Funk­namen »Ler­montow« und war in »düs­terer Stimmung«, da er erwartet dass der Krieg »weitere 10 Jahre dauern wird«.

»Während wir sprachen, summte Ler­montovs Telefon. Es war die Mutter eines Sol­daten, der in der Woche zuvor getötet worden war. Sie wollte wissen, warum junge Männer mit Waffen los­ge­schickt wurden, um rus­sische Schüt­zen­gräben anzu­greifen, wenn der Ukraine so viele moderne west­liche Waffen geschenkt worden waren. Aber an dieser 600 Meilen langen Front­linie fehlen vielen Bri­gaden die neu­esten gepan­zerten Fahr­zeuge oder Lang­stre­cken­ge­schütze. Die Rea­lität ist, dass viele ukrai­nische Sol­daten in den Schüt­zen­gräben impro­vi­sieren müssen. “Ich habe keine Antwort für sie, sie ver­steht es nicht… wir haben nicht alles«, sagte Ler­montov zu Sommerville.

Som­mer­ville fragte Oberst Oleksii von der 68. Jäger­brigade, was er den Familien der Gefal­lenen sagt. »Ich bitte nur um Ver­gebung, dass ich nicht genug Sicherheit geboten habe. Viel­leicht war ich ein schlechter Anführer, schlechte Planung. Und ich danke ihnen für das, was sie für diesen Kampf gegeben haben.«

Der Artikel erschien zuerst hier: freiewelt.net