Konsens.
Mehrheit.
Mehrheitsmeinung.
Gleichheit.
Der totalitäre Impuls, der als “Demokratie” ausgegeben wird, hat generell den selben Gegenstand: Eine Gleichschaltung der Bürger soll deren Kontrolle im Rahmen dessen, was ihre Herren oder Stichwortgeber als richtig oder akzeptabel ansehen, erleichtern.
Gerade die Versuche, bestimmte Meinungen über das Vehikel der Hatespeech zu kriminalisieren und Meinungsfreiheit in einem Meinungsgefägnis der zulässigen Meinung einzuhegen, sind ein Beispiel dafür wie sehr Demokratie ver- und Totalitarismus in Mode gekommen ist.
Und im Totalitarismus floriert der Duckmäuser, der Typ von Mensch, der sich in einer Demokratie, ob der Übernahme von Verantwortung, die sie von ihm verlangt, nicht wohlfühlt. Der Typ von Mensch, dessen psychologische Verfasstheit auf eine Außensteuerung ausgelegt ist. Dessen Sinne darauf ausgerichtet sind, rechtzeitig die Mehrheitsmeinung aufzunehmen und nachzuplappern. Der in seinem Bemühen, Gefolgsmann dessen, was er als Mehrheit wahrnimmt, zu werden, gegen Mitbürger zu Felde zieht, die sich außerhalb seiner korrekten Welt aufhalten.
Dass solche Leute nicht demokratiefähig sind, Demokratien zerstören, ebenso wie diejenigen, die sich außengesteuerten Leuten nur zu gerne bemächtigen, weil man sie auf Straßen kleben kann, sie einsetzen kann, um die eigenen Themen zu Themen der Bürger zu machen, weil man sie instrumentalisieren und mobilisieren kann, nach Lust und Laune, ist nicht neu.
Tatsächlich haben wir bei Ralph Dahrendorf im 1961 erschienen Bändchen Gesellschaft und Freiheit eine Beschreibung gefunden, die die heute zu beobachtende Zerstörung der Demokratie, durch den beschriebenen demokratieunfähigen Menschentyp vorwegnimmt.
“In keinem Fall wird daher die politische Demokratie eine zureichende Bedingung für Freiheit. Um richtig zu funktionieren, verlangt der demokratische Staat gewisse Einstellungen, vielleicht einen bestimmten Sozialcharakter, bei seinen Bürgern. […]
Demokratie bedeutet Konflikt. Aber der außengeleitete Mensch mag den Konflikt nicht. Er will geliebt sein und nicht bekämpft werden. Demokratie heißt, daß Menschen ihre Interessen ausdrücklich formulieren, selbst wenn es sich um betonte Eigeninteressen handelt. Aber der außengeleitete Mensch darf keine Eigeninteressen haben. Sein Radargerät sucht den Horizont ständig nach den Ideen, Haltungen und Interessen der anderen ab. Er will nicht nur geliebt werden, sondern er will auch so wie andere werden. Es ist natürlich möglich, dass in einer großen, pluralistischen und dezentralisierten Gesellschaft die anderen, denen Herr Schmidt und Herr Meyer gleichen wollen, nicht dieselben anderen sind, daß sie verschiedene Einstellungen haben und einander niemals begegnen. Doch ist es das permanente Ziel des außengeleiteten Menschen, sich allen geltenden Maßstäben anzupassen, denen er je begegnet. Beschränkungen des Kontakts durch soziale Entfernung sind nur ein geringfügiges Hindernis auf dem Weg zur vollkommenen Außenleitung.
Demokratie heißt Initiative. Aber die Standards der Außenleitung verbieten Initiative. Der außengeleitete Mensch folgt lieber, als dass er führt, da er nur als Mitläufer sicher sein kann, bei seinesgleichen Anerkennung zu finden. Während der innengeleitete Mensch die Sache der politischen Demokratie fördert, indem er übereinkommt, anders zu sein, kommt der außengeleitete Mensch nur überein, übereinzukommen. Der innengeleitete Mensch ist der Bürger, der sein Recht auf unabhängige Absichten und Meinungen ausnutzt. Der außengeleitete Mensch ist der Mitläufer par excellence. Die liberale Demokratie bedroht seinen Wunsch, nicht anders zu sein, sie ist daher nicht der passende Rahmen für seinen Charakter.” (330–334)
Die Innen- bzw. Außenleitung, von der Dahrendorf hier mit Bezug auf das Buch von David Riesman, Die einsame Masse” (1950 in den USA erschienen, in den 1960er bei Rowohl verlegt) spricht, hat ihr Pendant in der Unterscheidung zwischen einem external und internal Locus of Control, einer internen oder externen Kontrollüberzeugung, die Julian B. Rotter ebenfalls in den 1960er Jahren in die Sozialpsychologie eingeführt hat. Damit ist letztlich die Überzeugung Herr der eigenen Handlungen und der daraus folgenden Ergebnisse zu sein, beschrieben, die bei einem internal Locus of Control vorhanden ist, während eine Person mit external Locus of Control der Ansicht ist, wenig Einfluss auf den Lauf der Dinge durch eigenes Verhalten nehmen zu können. Rotter’s Beitrag besteht darin, die jeweilige “Kontrollüberzeugung” mit Selbstwirksamkeit in Verbindung gebracht zu haben, denn eine Person, die nicht davon ausgeht, durch eigene Handlungen eine bestimmtes Handlungsergebnis herbeiführen zu können, hat offenkundig auch wenig Gelegenheit, Selbstwirksamkeit zu erleben und von daher kein sonderlich ausgeprägtes Ego. Die Verbindung zu Dahrendorfs (Riesmanns) Unterscheidung in innen- und außengesteuerte Menschen liegt auf der Hand und die Frage, ob Demokratien generell zum Scheitern verurteilt sind, wenn die Zahl der außengesteuerten Menschen, derjenigen, die sich nur zu gerne zum Leitobjekt ihrer Regierungen oder anderer Formen der Herrenorganisation degradieren, zu groß wird, sie schließt sich unmittelbar an.
Mit anderen Worten, zur Zerstörung von Demokratie ist es “lediglich” notwendig, Autonomie zu beseitigen und außengeleitete Bürger-Zombies im von Dahrendorf beschriebenen Sinne herbeizuzüchten.
Pointiert: Scheitern Demokratien daran, dass es zu viele Duckmäuser gibt?
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Der Beitrag erschien zuerst hier: ScienceFiles.org
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