Große deutsche Dichter, Künstler, Komponisten, Wissenschaftler, Historiker, Religionsgelehrte … ihre Namen sollen von Straßen und Plätzen verbannt werden, weil sie angeblich allesamt Antisemiten waren. Das fordert die grüne Jugend Hessen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, brachten sie „offiziell aussehende“ Schilder-Attrappen an den jeweiligen Straßenschildern an. Unterstützt wird das auch in Berlin durch eine Studie des Politologen Felix Sassmannshausen, Auftraggeber ist ist der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn.
Nach Herrn Salzborn sind es bei erster Durchsicht des Straßennamensregister 290 Straßen, die umbenannt werden müssten. Es könnten aber durchaus noch mehr werden, je nachdem, wie weit gefasst die „antisemitischen Bezüge“ werden sollen. Es gab in Berlin bereits Straßenumbenennungen bei „kolonialistischen Bezügen“. Diese Kampagne dürfte aber nur ein laues Lüftchen gegen die nun möglicherweise anstehende Razzia durch die schuldbeladenen, antisemitisch-konnotierten Straßennamen sein.
Der Berliner „Antisemitismusstreit“
Herr Salzborn macht dies an dem Beispiel des Historikers Heinrich von Treitschke fest. Der lebte von 1834 bis 1896 und war ein dezidierter Feind des Judentums als Religion. Er löste den in die Geschichte eingegangenen „Berliner Antisemitismusstreit“ aus, der zwei Jahre lang schwärte. Am 15. November 1879 veröffentlichte Treitschke in den von ihm herausgegebenen Preußischen Jahrbüchern einen Aufsatz, in dem er hauptsächlich einen Rückblick auf die wirtschaftlichen und politischen Geschehnisse schrieb:
„Auf den letzten fünf Seiten thematisierte Treitschke Gefahren, die er für die nationale Einheit zu erkennen glaubte. Er sah sie durch „die weichliche Philanthropie unseres Zeitalters“ und eine „nationale Sonderexistenz“ der deutschen Juden bedroht und behauptete, sie seien Gegner der nationalen Einigung Deutschlands und nicht willens zur gesellschaftlichen Assimilation. (…) Daher müssten die Juden „sich den Sitten und Gedanken ihrer christlichen Mitbürger annähern“ und „Pietät zeigen gegen den Glauben, die Sitten und Gefühle des deutschen Volks, das alte Unbill längst gesühnt und ihnen die Rechte des Menschen und des Bürgers geschenkt hat […]“, indem sie nun „auch innerlich Deutsche werden“. Er entrüstete sich über ihren vermeintlichen Undank und Egoismus.“
„Sie sollen Deutsche werden, sich schlicht und recht als Deutsche fühlen – unbeschadet ihres Glaubens und ihrer alten heiligen Erinnerungen, die uns allen ehrwürdig sind; denn wir wollen nicht, daß auf die Jahrtausende germanischer Gesittung ein Zeitalter deutsch-jüdischer Mischcultur folge. Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirchlicher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuths mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: die Juden sind unser Unglück!“
Diesen Satz sieht der Antisemitismusbeauftragte Salzborn als einen „schlimmen, wirkmächtigen Satz“, der eine „maßgebliche Rolle in Bezug auf Formeln im Nationalsozialismus“ gespielt habe. Gleichzeitig betont er, dass es nicht bei jeder Straße oder jedem Platz auf der Liste um „Antisemitismus im engsten Sinne“ geht, sondern manchmal auch nur um entsprechende Bezüge. Man müsse dann noch einmal genauer hinschauen und forschen, „weil man schlicht und ergreifend nur einige Hinweise hat auf Bezüge und nicht so genau sagen kann, wie das im Detail aussieht“.
Kritik an den ideologischen Säuberungsaktionen – Undifferenzierter Eifer?
Es sei eben nicht das Anliegen der Studie, im Zweifelsfall immer umzubenennen, sagt Samuel Salzborn. Das sehen Kritiker allerdings anders. Der bekannte Kunstwissenschaftler, Journalist, Architekturkritiker und Sachbuchautor Nikolaus Bernau sagt in einer Stellungnahme im „Deutschlandfunk Kultur“:
„Methodisch wird praktisch nicht getrennt zwischen Antijudaismus und Antisemitismus. Aber der christliche Antijudaismus, der in der Spätantike entstanden ist und im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine ganz zentrale Rolle spielte, ist etwas anderes als der rassistische Antisemitismus. Hier wird wieder – dadurch, dass man eine Liste einfach herstellt – so getan, als wenn es eine direkte Linie gäbe. Die gibt es aber schlichtweg nicht und das ist methodisch wirklich unsauber.“
Was hier etwas abstrakt daherkommt, heißt simpel, dass diese Vorbehalte gegen den jüdischen Teil der Bevölkerung, den es schon seit etwa 1700 Jahren in Europa ganz selbstverständlich gab und gibt, nicht „rassistischer“ Art waren. Es ging ganz offensichtlich auch Heinrich von Treitschke NICHT um eine fraglos indiskutable Abwertung der Juden als „Untermenschen“ (dem Antisemitismus). Er kritisierte die in seinen Augen für die nationale Einheit schädliche Weigerung der jüdischen Deutschen, sich auch voll und ganz als Deutsche zu integrieren. Sie sollten seiner Meinung nach ihre Religion so ausüben, wie evangelische, katholische oder atheistische Deutsche. Heinrich von Treitschke störte die ganz eigene Lebenswelt bishin zur Abschottung der jüdischen Deutschen, die für sich bleiben wollten und ihre Kultur über die deutsche stellten. Er war daher ein Anti-Judaist, aber kein Antisemit, sonst hätte er ja keine vollkommene Integration von „rassisch Minderwertigen“ gefordert. Das ist der entscheidende Unterschied zum Antisemitismus.
Dass dieser Unterschied und die Säuberungsaktion in der Bevölkerung wenig verstanden wird – wie beispielsweise im Übereifer mal eben Wagner zum Nazisympathisanten erklärt wird, ist die Folge solcher Säuberungswellen.
„Richard Wagner soll ein „opportunistisches Verhältnis zum NS-Regime gepflegt“ haben und Fontane habe sich mehrmals antijüdisch geäußert, betonte die Grüne Jugend.“
Richard Wagner lebte zwischen 1813 und 1883. Es war ihm schlicht unmöglich, irgendein „Verhältnis zum Nationalsozialismus zu pflegen“.
Antisemitismus war nicht verbreitet vor dem Nationalsozialismus
Allerdings muss dazu gesagt werden, dass sehr viele jüdische Deutsche sich wirklich integrierten und große Verdienste für Deutschland erworben haben, die jüdische Reformbewegung Anfang des 19. Jahrhunderts brachte große deutsch-jüdische Wissenschaftler, Kulturschaffende und Philosophen hervor. Viele deutsche Namen, die in der Welt Rang und Namen haben, waren jüdischen Glaubens. Sie waren damals hier hoch angesehen und haben die deutsche Kultur und den guten Ruf Deutschlands bedeutend mitgeprägt.
Hier ein paar Beispiele: Moses Mendelssohn, ein weltberühmter Philosoph der Aufklärung und Verfechter eines aufgeklärten Judentums. Albert Einstein – das muss man gar nicht erläutern – der Inbegriff eines deutschen Genies. Felix Mendelssohn-Bartholdy, ein weltberühmter, begnadeter Musiker, Heinrich Heine (mein Lieblingsdichter), Hannah Arendt, die deutsch-amerikanische Publizistin und berühmte, politische Theoretikerin. Karl Marx, Philosoph und Gesellschaftstheoretiker, auf den sich heute noch viele Sozialisten weltweit berufen. Rosa Luxemburg, eine Sozialistin, Politikerin und radikale Kämpferin, gebildet und eine brillante Schriftstellerin. Walther Rathenau, bisher der einzige deutsche Außenminister jüdischen Glaubens, ein sehr vielseitiger Mann, Großindustrieller, Sohn des AEG-Gründers, Schriftsteller, Wahlpreuße und deutscher Nationalist. Ein Politiker, wie Deutschland ihn heute bräuchte.
Nicht zuletzt sei erwähnt, dass sich die jüdischen Deutschen auch an der Märzrevolution und im Heeresdienst mutig und tapfer zeigten:
„Jüdische Soldaten dienten seit den Anfängen der bürgerlichen Gleichstellung in den Armeen der deutschen Teilstaaten und der Armee des Kaiserreiches, sie kämpften im Feldzug Preußens und Österreichs gegen Dänemark im Jahre 1864, im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Sie zeichneten sich aus, wurden befördert und ließen ihr Leben auf dem Schlachtfeld.“
Straßen-Umbenennung: Sinnlos und kompliziert
„Angesichts einer Zunahme judenfeindlicher Straftaten fordere die Grüne Jugend die Landesregierung auf, gemeinsam mit den Verantwortlichen in den Kommunen und dem Hessischen Städte- und Gemeindebund gegen die „alltägliche Huldigung von Antisemiten“ im Straßenbild vorzugehen. Die nach Personen wie Fontane oder Arndt benannten Straßen zeigten, dass Antisemitismus nicht „importiert“ sei, „sondern eine lange und nie vollständig dekonstruierte Tradition hat“. Spätestens bis zum Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2024 müssten die Straßen unbenannt werden.“
Hier werden aber absichtlich Äpfel mit Birnen verglichen. Es sind nicht die „Biodeutschen“, die Straftaten gegen jüdische Deutsche begehen. Es sind nachweislich fast immer in diesen Fällen die muslimischen Zuwanderer. Mit der Umbenennung von Straßennamen kann man diesem Problem keinen Einhalt gebieten. Eine sinnlose und kaum durchführbare Aktion, die den jüdischen Mitbürgern nicht im Entferntesten hilft.
Die Umbenennungen gehen überdies nicht so einfach, wie sich das die hessischen Grünen so vorstellen. Genau, wie bei der Energiewende. Einfach mal so ratzfatz, das funktioniert nicht. Der Antisemitismus-Beauftragte der Hessischen Landesregierung, Uwe Becker, mahnte zur Verhältnismäßigkeit. Die Straßennamen einfach zu verbieten und umzubenennen, würde das eigentliche Problem nicht lösen (wie wahr!). Außerdem würde die Maßnahme in keinem Verhältnis stehen und kann nicht einfach so erfolgen. Die Umbenennung müsse von den Ortsbeiräten auf den Weg gebracht werden.
Ideologisch übereifrige Säuberungsaktionen aller Art tragen stets den Kern der Übertreibung in sich und steigern sich gegen Ende meistens bis zur Ungerechtigkeit und Verfolgung. Sie zerstören Geschichtsbewusstsein und Identität. Und da solche überzogenen Razzien gegen die jeweils geächteten Meinungen oder Personen fast immer eine kurzzeitige Zeiterscheinung sind, die dann von einer Gegenbewegung entweder wieder eliminiert werden, oder von ganz anderen, neue Verhältnissen überrollt, sollte man sehr vorsichtig mit diesen scheinbar tugendhaften Kreuzzügen sein.
Angenommen, die wachsende Bevölkerungsgruppe der Muslime in Deutschland, unter denen eine starke Abneigung gegen jüdische Mitbürger durchaus akzeptiert ist (was sich, wie oben gezeigt, bereits in mehreren Gewalttaten auf offener Straße manifestiert hat), erhalten immer größere Bedeutung auch in der Politik. Das wäre im Laufe der Zeit praktisch zwangsläufig der Fall. Und das ist, wie die Grünen schon mehrfach betonten, ja auch die Absicht der Grünen. Was wäre, wenn die politischen Repräsentanten dieser großen Bevölkerungsgruppe der Muslime nun fordern würden, Straßen, die die Namen großer jüdischer Deutscher tragen, umzubenennen mit berühmten arabischen oder türkischen Namen ersetzen. Vielleicht darunter sogar welche, die dezidiert antisemitisch eingestellt waren? Und würde es dann bei Umbenennungen von Straßennamen Käme ein neuer Antisemitismus in Deutschland hoch? Was sagt ihr dann, liebe Jung-Grüne?
Interessant nicht wahr, wie plötzlich Linke und politisch Korrekte bei dem Begriff „Antisemitismus“ knallhart die Ausweisung der Zugewanderten fordern und bedenkenlos „Sellnern“? Und niemand regt sich auf?
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