Bild Pixabay.com Autor David_Peterson

Urko­misch, wenn es nicht so traurig wäre: Für AfD-Poli­tiker keine Stern­singer mehr

Für die­je­nigen, die nicht wissen, was das ist: Die Stern­singer sind eine christlich-katho­lische Tra­dition. Sie gehen in den ersten Janu­ar­tagen von Haus zu Haus und schreiben das neue Jahr links und rechts neben die Anfangs­buch­staben der bibli­schen drei Könige (Caspar, Mel­chior, Bal­thasar), die dem neu­ge­bo­renen Jesuskind ihre Gaben in den Stall zu Beth­lehem brachten: Gold, Weih­rauch und Myrrhe. Dazwi­schen stehen immer Sternchen. Das sieht für dieses Jahr so aus: 20*C*M*B*24.

Schein­hei­ligkeit und der Schuss ins eigene Knie

Wun­der­hübsch: Die katho­lische Kirche, die sich nicht zierte, in Mittel- und Süd­amerika mas­senhaft unter den eigent­lichen Herren des Landes und den dort ansäs­sigen Völkern einen Mas­senmord nach dem anderen zu begehen: Die katho­li­schen, spa­ni­schen Con­quis­ta­dores (Eroberer) gar­rot­tierten den letzten König dort und jeden anderen, der sich nicht zum katho­li­schen Glauben bekannte. Ganze Völ­ker­schaften wurden grau­samst abge­murkst. Massenhaft.

Das ist die höchste Form des Ras­sismus, einer anderen Ethnie ihre Lebensform, ihre Religion, ihre Gesell­schaftsform und ihr Recht auf Leben einfach so abzu­sprechen und zu ver­nichten, wenn sie nicht den katho­li­schen Glauben annehmen und so leben und glauben, wie die neuen Herr­scher. Sie haben dort damals eine hoch­ste­hende Kultur radikal ver­nichtet und versklavt.

Und nicht nur da, auch in Afrika. Und das alles mit der Attitüde und durch nichts belegte Über­zeugung, die bes­seren und wert­vol­leren Men­schen zu sein. Das zumindest, glauben sie heute noch. Welch gran­diose Selbsttäuschung.

Das­selbe machte die­selbe katho­lische Kirche, die dem Gebot der Nächs­ten­liebe Jesu folgend, vom Mit­tel­alter bis in die Neuzeit mas­senhaft (Hun­dert­tau­sende wenn nicht ins­gesamt Mil­lionen) Frauen als Hexen und Teu­fels­huren auf dem Schei­ter­haufen lebendig ver­brannte. Die letzte Hexe, die 15-jährige Veronika Zer­ritsch, wurde 1756 auf dem Schei­ter­haufen ver­brannt. Man gewährte ihr die Gnade, vorher geköpft zu werden. Das stand auf Got­tes­läs­terung, Ket­zerei, Zau­berei und Aberglauben.

Also nichts da mit „grauer Vorzeit“. Die katho­lische Kirche war hier ganz vorne dabei, wie sie auch bei der berüch­tigten Inqui­sition die Täterin war. Und meistens ging es den Frauen an den Kragen. Der wahre Grund: Die Weisen Frauen kannten von alters her Methoden, eine unge­wollte Emp­fängnis zu ver­hüten, Schwan­ger­schaft zu beenden, Frauen beim Gebären zu helfen, Wunden zu heilen, Krank­heiten zu kurieren. Das stand Frauen nicht zu. Ins­be­sondere nicht die Gebur­ten­kon­trolle. Denn es ermög­lichte den Frauen, selbst zu ent­scheiden, wie viele Kinder sie gebären wollte. Das ging wider Gottes Wille und das Gesetz, die Frau sei dem Manne untertan.

Aus­ge­rechnet die katho­lische Kirche, bzw. die katho­lische Jugend, wirft der AfD, die eine Frau als Par­tei­chefin hat, Miso­gynie (Frau­en­feind­lichkeit) vor. Brüller, kann man dazu nur sagen.

Bis heute darf eine Frau kein Pries­teramt in der katho­li­schen Kirche inne­haben. Seit Jahr­hun­derten zwingt das Zölibat den Priestern und deren „de-facto-Ehe­frauen“ ein Leben in Lüge auf. Der Priester muss ledig und zöli­batär leben, seine Frau wird in die Position der von der Kirche ange­stellten Haus­häl­terin gedrängt. Von den Kin­des­miss­brauchs­fällen in der Katho­li­schen Kirche ganz zu schweigen, die diese Stell­ver­treter Gottes auf Erden sorgsam ver­tuscht haben und noch immer mög­lichst ver­tu­schen. Die Opfer müssen um ihre Ent­schä­digung auch noch kämpfen. Die mas­sen­hafte Abwan­derung der Gläu­bigen hat ihre Gründe.

Was die Wellen der Kreuzzüge in den Nahen Osten betrifft, ist auch das kein Ruh­mes­blatt der Römisch-Katho­li­schen Kirche. Es waren Erobe­rungszüge, die viele, viele Men­schen­leben kostete und noch heute nach­wirkt. Die Völker dort haben die Schlach­terei nicht vergessen.

Wer eine solch vor­bild­liche Tra­dition an Nächs­ten­liebe, Barm­her­zigkeit und Achtung vor dem Leben vor­weisen kann, ist wahrlich berufen, der AfD wegen Miso­gynie, Hass und Extre­mismus die ganze Ver­achtung, deren man fähig ist, um die Ohren zu hauen? Das ist einfach nur peinlich.

Seit Jahren Black­facing bei den Sternsingern

Nun muss man wissen, dass einer von den drei Königen ein Schwarzer war, angeblich war’s Mel­chior. Jeden­falls der Über­lie­ferung nach. Darüber herrscht aber unter den Gelehrten keine Einigkeit. Also malt sich immer einer der drei Jungs, die da durch die Gegend ziehen, das Gesicht mit schwarzem Kar­nevals-Fett­stift schwarz. Das nennt man black­facing. Es kommt aus dem Ame­ri­ka­ni­schen, wird als ras­sis­tisch ver­ur­teilt und kann hier nach­ge­lesen werden.

Heute, im Zeit­alter des weißen Hyper­mo­ra­lismus wird das Schwarze Gesicht des Mel­chior der katho­li­schen Kirche irgendwie doch peinlich. Die Seite katholisch.de schreibt im Oktober 2020:

„Sie sind seit jeher aus der Krippe nicht weg­zu­denken: Die hei­ligen drei Könige. Je nach ört­lichen Gege­ben­heiten wandern sie an den Weih­nachts­tagen durch die Kirche, bis sie am sechsten Januar vor der Krippe stehen. Das fällt dieses Jahr in Ulm aus, dort muss die Krippe ohne die drei Könige aus­kommen. Grund dafür ist der als Schwarzer dar­ge­stellte Mel­chior, der – nicht zuletzt angeregt durch die Black-Lives-Matter-Pro­teste und das gestiegene Fein­gefühl für solche Sach­ver­halte – als Ver­kör­perung kolo­ni­al­ras­sis­ti­scher Ste­reotype betrachtet wird. Ähn­liche Kritik müssen sich Stern­singer mit schwarz ange­malten Gesichtern gefallen lassen, die den Mel­chior (andernorts ist es auch Caspar) por­trä­tieren wollen.“

Im Grunde spricht die Bibel bei diesen Per­sonen nur von Stern­deutern oder Magier. Und das spe­zi­fi­zierte sich im Lauf der Zeit zu den Hei­ligen drei Königen. Ist ja auch grif­figer und far­ben­froher, warum nicht? Erst im sechsten Jahr­hundert kamen die Namen auf, und dann wurden sie zum Sinnbild der drei Men­schen­alter: Jugend, Erwach­sener und Alter. Dazu kam dann noch, dass man den drei Figuren noch die drei im Mit­tel­alter bekannten großen Teile der Erde, Europa, Asien und Afrika zuschrieb. Und deshalb wurde Mel­chior schwarz. Als Ver­treter Afrikas. Also eigentlich in den Augen der dama­ligen Europäer eine stolze Aufgabe für ihn und kein Rassismus.

Wie auch immer: Die drei Buben (das spricht ja wohl auch schon Bände, dass ein Mädchen nicht mit­machen darf?), die diese „Hei­ligen drei Könige“ mimen, laufen also von Haus zu Haus, sagen ihr Segens­sprüchlein auf und malen mit Kreide oben auf die Haustür ihr Signet (Siehe oben im Text). Leider kommt die Unsitte auf, dass statt von Hand und mit Kreide nach alter Väter Sitte zu tun, Einfach einen schwarzen Auf­kleber mit dem  ent­spre­chenden Auf­druck in Kreide-Optik oben an die Tür zu pappen und dafür Geld zu kassieren.

Irgendwie ver­schwinden selbst die noch lie­bens­werten Seiten des Katholizismus.

Katho­lische Bischöfe: „Völ­ki­scher Natio­na­lismus und Chris­tentum sind unvereinbar“

Soso, die katho­lische Kirche grenzt sich vom Rechts­extre­mismus scharf ab. Ahja. Es gab damals mutige und selbst­auf­op­fernde Wider­ständler gegen das Nazi­regime aber auch Mit­läufer und Natio­nal­so­zia­listen und Sym­pa­thi­santen in der katho­li­schen Kirche. Anfangs verbot die Kirche ihren Gläu­bigen, Mit­glied bei der NSDAP zu werden. Doch nachdem die Natio­nal­so­zia­listen in der Regie­rungs­ver­ant­wortung waren, änderte sich die Lage:

Eine Wende der katho­li­schen Position trat im Januar 1933 ein; dem Jahr, in dem die NSDAP Regie­rungs­ver­ant­wortung übernahm. Die Kirche stand vor einer neuen Situation, da sie sich gemäß Kapitel 13 des Römer­briefs trotz des ideo­lo­gi­schen Gegen­satzes zur Treue gegenüber der Staats­macht ver­pflichtet sah. Zen­trales Datum einer neuen Bewertung des Natio­nal­so­zia­lismus durch die katho­li­schen Bischöfe war der soge­nannte «Tag von Potsdam» am 24.03.1933, an dem Hitler in seiner oben zitierte Regie­rungs­er­klärung der Kirche weit­ge­hende kul­tur­po­li­tische Zuge­ständ­nisse ver­sprach und sich auf die christlich abend­län­dische Tra­dition berief. Die Bischöfe ant­wor­teten auf dieses «Frie­dens­an­gebot Hitlers», indem sie das Verbot für Katho­liken, Mit­glied der NSDAP zu sein, auf­hoben. (…) Die wesent­lichen Stand­punkte der Kirche, wie sie in der Fuldaer Erklärung zum Aus­druck kommen, gelten für die ganze Zeit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft: Die katho­lische Kirche erkannte die natio­nal­so­zia­lis­tische Regierung als die recht­mäßige Obrigkeit an und leistete ihr staats­bür­ger­lichen Gehorsam. Trotzdem hielt sie daran fest, jeg­liches umstürz­le­rische Ver­halten gegenüber dem Staat zu ver­ur­teilen. So erreichte Hitler noch 1944 ein Tele­gramm von Seiten Kar­dinal Bertrams (Bischof von Breslau und Vor­sit­zender der deut­schen Bischofs­kon­ferenz), welches seine Freude über das Miss­lingen des Attentats auf ihn zum Aus­druck brachte. Staats­bür­ger­lichen Gehorsam leis­teten die Katho­liken auch in Hitlers Krieg. Katho­lisch moti­vierte Kriegs­dienst­ver­wei­gerung gab es prak­tisch nicht.“

Die (schein)Heilige, Katho­lische Kirche sollte sich mehr an Jesus ausrichten

Man würde es sich zu leicht machen, der Kirche anzu­kreiden, dass sie sich mit den Natio­nal­so­zia­listen arran­gierten und nicht geschlossen gegen die Natio­nal­so­zia­listen in den aktiven Wider­stand gegangen sind. Obwohl viele Priester aus tiefster Über­zeugung das kon­se­quent getan haben und einige es mit ihrem Leben bezahlt haben. Sich heute, wo alle Welt nur noch in den großen Chor der überall gefei­erten, woken Über­gut­men­schen ein­stimmt, weil man dann hofiert und gelobt wird, so zu äußern und Vor­teile bekommt … das ist genau das, was man „Gra­tismut“ nennt. Das ungute Gefühl ent­steht, dass das heilige Fähnchen in den güns­tigen Wind gedreht wird.

Jesus selbst verzieh den beiden gekreu­zigten Ver­bre­chern rechts und links neben sich ihre Sünden. Es stünde der katho­li­schen Kirche mit ihrer hier nur grob skiz­zierten Geschichte gut an, ihren Hochmut etwas zu zügeln und nicht arrogant und pha­ri­sä­erhaft Men­schen aus ihren Reihen aus­zu­schließen, die das, was sie tun, für gut und richtig halten und keine Straf­taten begangen haben, deret­wegen man sie aus den Reihen der Gläu­bigen aus­stoßen könnte – nur, weil man heute dafür Applaus bekommt.

Die Geschichte der katho­li­schen Kirche ist – weiß Gott – nicht fle­ckenlos. Es stünde ihr besser, nicht von so weit oben herab zu ver­ur­teilen, was sie selbst als katho­lische Kirche in ihrer Geschichte ver­brochen hat.