Fotomontage aus freien Bildern von Niki Vogt

Hoffnung für GEZ-Zwangs­bei­trags­gegner: Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt lässt Revision zu

Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in Leipzig hat in dem Prozess einer Klä­gerin gegen den Öffentlich-Recht­lichen-Rundfunk, den sie ver­loren hatte, die Revision zuge­lassen. Es geht um die grund­sätz­liche Frage, ob der Hauptsinn und ‑zweck der Rund­funk­an­stalten, nämlich die Sicher­stellung der Vielfalt in den Pro­grammen auch wirklich erfüllt wird. Falls nein, könnte die Zah­lungs­pflicht abge­schafft werden. 

Zah­lungs­ver­wei­gerung wegen feh­lender Mei­nungs­vielfalt in den Öffentlich-Recht­lichen könnte rechtens sein

Am 17. Juli 2023 ent­schied der Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richtshof (BayVGH) in zweiter Instanz, dass eine Zah­lungs­ver­wei­gerung wegen „schlechter Qua­lität und feh­lender Mei­nungs­vielfalt“ nicht rechtens sei. Der Tenor des Urteils: Eine Ver­pflichtung zur Zahlung ent­stehe bereits dann, wenn der Rund­funk­empfang möglich ist. Die Pro­gramm­in­halte spielten dabei keine Rolle. (Das Urteil mit dem Akten­zeichen 7BV 22.2642 ist hier abrufbar).

Der 6. Senat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG) hat im Gegensatz zum BayVGH die Revision gegen das zweit­in­stanz­liche Urteil mit Beschluss vom 23. Mai 2024 zuge­lassen (Akten­zeichen BVerwG 6 B 70.23 (6 C 5.24),PDF). Damit steht der Weg in die nunmehr dritte Instanz offen. Der Rechts­anwalt Frie­demann Wil­lemer ver­tritt in dieser Sache eine Klä­gerin aus Bayern gegen den Baye­ri­schen Rundfunk und schaut nach dieser Ent­scheidung der Revi­si­ons­mög­lichkeit zuver­sichtlich auf die kom­mende Verhandlung.

Der Prozess wird wahr­scheinlich erst im Herbst statt­finden, was RA Willmer und auch seiner Man­dantin sogar sehr recht ist. Denn bis dahin, so hoffen sie, werden noch andere Anwälte und ihre Man­danten dazu­stoßen. Es sind ja noch mehrere Rechts­streite gegen den GEZ-Gebüh­renzwang anhängig. Überdies gibt es mehrere Inter­es­sen­ge­mein­schaften und Bür­ger­initia­tiven, wie bei­spiels­weise die Bür­ger­initiative Leuchtturm AFD ORF SRG, die etwa 200 Kläger gegen die Rund­funk­an­stalten vertritt.

Der Auftrag der öffentlich-recht­lichen Rund­funk­an­stalten, Vielfalt und Mei­nungs­freiheit zu reprä­sen­tieren, ist von „grund­sätz­licher Bedeutung“

Den Aus­schlag für die Zulassung der Revision gibt der Paragraf 132 Abs. 2 Nr. 1 der Ver­wal­tungs­ge­richts­ordnung (VwGO). Hier argu­men­tiert das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wie folgt:

„Das Revi­si­ons­ver­fahren kann Gele­genheit zur Klärung der Frage geben, ob und gege­be­nen­falls unter welchen Vor­aus­set­zungen gegen die Bei­trags­er­hebung geltend gemacht
werden kann, der Auftrag der öffentlich-recht­lichen Rund­funk­an­stalten, ein der Viel­falts­si­cherung die­nendes Pro­gramm anzu­bieten, werde struk­turell ver­fehlt, so dass es an einem indi­vi­du­ellen Vorteil fehle.“

Prof. Dr. Ingo Kraft, der vor­sit­zende BverwG-Richter, sieht in der Argu­men­tation des RA Wil­lemer einen sehr ent­schei­denden Punkt: Der Erste Senat des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) in Karlsruhe hatte zuletzt am 23. April 2023 fest­ge­stellt, dass diese Frage der Auf­trags­er­füllung und des Indi­vi­du­ellen Vor­teils nicht beant­wortet sei (Akten­zeichen 1 BvR 601/23, PDF).

Rechts­anwalt Wil­lemer zeigte sich in einer Pres­se­mit­teilung kämp­fe­risch. Er wolle die Nar­ren­freiheit, die die Gerichte bislang den Rund­funk­an­stalten allen Klagen zum Trotz gewährt haben, nicht mehr mit­machen. Er hofft, dass das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt die Argu­mente der Klä­gerin akzep­tiert, die zudem ja vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zur Mei­nungs­vielfalt und zur Struktur der Auf­sichts­gremien der Rund­funk­an­stalten und dem Gebot der strikten Partei- und Staats­ferne unter­mauert werden.

Der Gründer der Bür­ger­initiative „Leuchtturm ARD“, Jimmy C. Gerum, sieht nun die Mög­lichkeit, in dem anste­henden Ver­fahren das Haupt­ar­gument vor­bringen zu können, das bisher strikt igno­riert wurde: Die „aktuelle Nicht­er­füllung des ver­fas­sungs­recht­lichen Funk­ti­ons­auf­trages des öffentlich-recht­lichen Rund­funks“. Er sagt:

„Wir wollen vor allem das bisher feh­lende Bewusstsein für die Brisanz des Themas wecken. Denn hier geht es um ein ekla­tantes Unter­graben der Sou­ve­rä­nität von öffent­licher Bür­ger­meinung und der gesamten demo­kra­ti­schen Grundordnung.“

Für das Ver­fahren vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt konnte der Münchner Medi­en­ex­perte Prof, Dr. Michael Meyen für ein Gut­achten gewonnen werden. An Belegen für die Ver­stöße gegen Mei­nungs­vielfalt und für die offen­sicht­liche Par­teinähe mangelt es nicht, sagt Jimmy Gerum: „Inzwi­schen gibt es auch ein her­vor­ra­gendes Manifest und rei­hen­weise weitere belegbare Ver­feh­lungen bei Aus­ge­wo­genheit und Staatsferne.“

Er erwartet aber nicht, dass das Problem mit der Revision auch gelöst ist: „Diese für die Demo­kratie ele­mentare Ange­le­genheit“ wird wahr­scheinlich erst vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt letzt­gültig ent­schieden werden. Er und seine Initiative Leuchtturm ARD seien bereit, das durch­zu­fechten. Dass auch das nicht einfach sein wird, ist ihm voll­kommen klar:

„Das ist kein Kin­der­spiel! Globale Ein­zel­in­ter­essen behindern nach­weislich die freie Mei­nungs­äu­ßerung und den ver­fas­sungs­recht­lichen Funk­ti­ons­auftrag! Das ist eine ele­mentare Gefahr für die Demo­kratie! Hier geht es um die Zukunft des gesamten west­lichen Demokratieverständnisses!“

Seit 100 Wochen Mahn­wachen vor den Medienhäusern 

Vor den ver­schie­denen Medi­en­häusern finden sich jede Woche die Men­schen zu „Leuchtturm-Mahn­wachen“ zusammen. Immer wieder werden die Rund­funk­ver­ant­wort­lichen zu einem „offenen und fairen Dialog und die Ein­haltung „eta­blierter jour­na­lis­ti­scher Grund­sätze“ ein­zu­fordern und „Fehl­ent­wick­lungen“ auf­zu­zeigen. Jimmy Gerum sieht es als „fried­lichen und ethi­schen Weg, die Welt hin zu Demo­kra­tie­werten und Frie­dens­di­plo­matie zu bringen“.

Dabei geht es der Initiative „Leuchtturm ARD“ nicht darum, den öffentlich-recht­lichen Rundfunk als Ganzes, noch nicht einmal die Bei­trags­pflicht abzu­schaffen. Um die Unab­hän­gigkeit sicher­zu­stellen, brauche es eben Geld, sagt Jimmy Gerum. Aber dann müsse es eben auch im Fern­sehen, im Hörfunk und in den Online-Ange­boten der Rund­funk­an­stalten „Mei­nungs­vielfalt, Objek­ti­vität und einen fairen und aus­ge­wo­genen Wett­bewerb der besten poli­ti­schen Ideen“ geben.

Das Ver­fahren vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wird im Herbst erwartet.