Auch noch Tage nach der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris prallen die Sichtweisen aufeinander. Die einen sehen darin einfach nur ein tolles Riesenspektakel und meinen, alle anderen sollen sich mal nicht so haben. Die Kirche zeigte sich traurig und betroffen, uns sah in der Szene eine Verhöhnung des letzten Abendmahles. Die französische Bischofskonferenz und speziell Kurienerzbischof Paglia nannte es eine „blasphemische Verspottung eines der heiligsten Momente des Christentums“. Die Szene habe überdies die olympischenWerte „besudelt“. Elon Musk nannte es „respektlos gegeüber Christen“.
Ein paar Meinungsbilder zu diesemThema:
Im Schweizer Tagesanzeiger kommentiert Giuseppe Gracia, dass die Christen sich auf westliche Grundsätze besinnen sollten: Nämlich, dass Meinungsfreiheit auch Geschmacklosigkeiten schütze.
Die Bischofskonferenz teilte mit: „Wir danken den Mitgliedern anderer religiöser Konfessionen, die uns ihre Solidarität bekundet haben. Heute Morgen denken wir an alle Christen auf allen Kontinenten, die durch die Übertreibung und Provokation einiger Szenen verletzt wurden. Wir wünschen uns, dass sie verstehen, dass sich das olympische Fest weit über die ideologischen Vorlieben einiger Künstler hinaus entfaltet.“
Die russisch-othodoxe Kirche kommentierte das Ganze so: „Ein kulturell-historischer Selbstmord geht in einer der einst christlichen Hauptstädte der europäischen Zivilisation vor sich.“ stellte der Geistliche Wachtang Kipschidse fest, der im Moskauer Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche für Kontakte zur Gesellschaft und zu den Medien zuständig ist.
Die Neue Zürcher Zeitung veröffentlicht einen Gastkommentar, der mit dem Eröffnungssatz voll auf die Zwölf trifft:
„Das olympische Dragqueen-Abendmahl von Paris verspottet Christen. Hätte man den Mut auch für die Satire auf einen gewissen Propheten gehabt?“
Und er setzt hinzu: „Das IOK und Frankreich haben im Namen Olympias nicht nur die Menschen gespalten. Sie haben an den Grundfesten des Westens gesägt, die ihnen überhaupt ermöglichen, Andersgläubige zu verspotten.“
Richtig bissig wird er mit diesem feinziselierten Seitenhieb auf den „Gratis-Mut“ gegenüber dem Christentum:
„Dass den Katholiken von den religiös interessierten Veranstaltern der Vorzug gegeben wurde, dürfte damit zusammenhängen, dass Anhänger gewisser Propheten sich für eine unerwünschte Form der Glaubensverkündigung mutmasslich mit dem Niederbrennen ganzer Quartiere bedankt hätten. Bei den Christen, deren Gründer sich noch am Kreuz verspotten liess, war solches nicht zu befürchten.“
Dann geißelt Giuseppe Gracia noch den Versuch des IOK (internationales Olympisches Komitee), das er ganz nebenbei der Korruption beschuldigt, gegen die eigenen, heiligen Regeln religiös zu diskriminieren, „um sich mit einem PR-Stunt beim Wokeismus anzudienen“, was den olympischen Gedanken selbst zur Satire mache.
Die wütenden Verteidiger der Vielfalt, Pluralität, Toleranz und Offenheit widerlegen sich gerade selbst
Wer einerseits fordert, missliebige Kommentare auf den Sozialen Medien zu löschen und unter Strafe zu stellen, Parteien, die seinem Weltbild nicht passen, zu verbieten, wer zustimmend nickt, wenn gewaltfreie Versammlungen und Demonstrationen verboten werden und die friedlichen, demonstrierende Bürger verhaftet, aber nicht einschreitet, wenn die eigene „Fraktion“ Schaden anrichtet, Gewalt einsetzt bishin zum Tötungswillen, der kann nur eine vollkommen verzerrte Selbstwahrnehmung haben. Wie anders kann man das verstehen, wenn der schweizer Tagesanzeiger schreibt:
„In einer Gesellschaft der Freien und Gleichen ist jeder für das Management seiner Gefühle selber verantwortlich. Wird seine Weltanschauung «beleidigt», muss er nicht den Staat anrufen, sondern sich in Toleranz üben. Religiöse Gefühle, wie auch die Aversion von Religionshassern gegen christliche Symbole und Kirchen, dürfen nicht zur Einschränkung der Glaubens- und Meinungsfreiheit führen, auch nicht im Fall von besonderer Dummheit oder Geschmacklosigkeit.“
Das sind dieselben, die jeden als „Nazi“ niederbrüllen, der der ihrer Weltanschauung nicht entspricht. Allerdings mit Ausnahme derer, die ein militantes Verständnis von Religion pflegen und die Gewalt als vollkommen rechtmäßig ausübern, wenn es gegen IHRE Religion geht.
Toleranz ist dann, wenn es mir passt?
Was sich der Regisseur der Eröffnungsfeier dabei gedacht hat …
Thomas Jolly, der Regisseur der Zeremonie zur Eröffnung, erläuterte gegenüber der französischen Zeitung „Le Monde“, was er sich bei der Veranstaltung gedacht hatte. Er habe ganz absichlich mit Gegensätzen gearbeitet: «Diese Begegnung dieser beiden Kunstarten – akademische Kunst, eher institutionell, und Pop-Art, urban, modern – könnte Schönheit schaffen. (…) Den ganzen Abend über wollte ich in den Bildern sagen: ‹Wir glauben, dass die Dinge nicht zusammenpassen, wir wollen die Dinge in Schachteln packen, aber in Wirklichkeit entsteht, wenn diese Schachteln zusammentreffen, Schönheit, Emotionen, Freude.»
Das ist ihm allerdings nur bedingt geglückt.
Gegen die Blasphemie-Vorwürfe verwehrt er sich. Er habe bei seiner Inszenierung im Rahmen der Olympia-Eröffnung gar nicht das „Letzte Abendmahl“ zeigen wollen. „Die Idee war vielmehr, ein großes Festbankett auf dem Olymp darzustellen, in Anspielung auf Olympia.“
Das ist ihm nun überhaupt nicht geglückt, wie die weltweiten Reaktionen offensichtlich zeigen.
Zeus statt Jesus? Nun, vielleicht kann man Thomas Jolly zugute halten, dass die Figur der sehr vollschlanken Dragqueen DJ Barbara Butch in der Mitte mit dem Lametta-Heiligenschein weder irgendwie an Jesus, noch an Zeus erinnert. Wenn er also seinem Arrangement einen Widererkennungswert geben wollte, dann hat er spektakulär versagt. Denn auf ein Fest der Götter auf dem Olymp ist überhaupt niemand gekommen.
Es war vielleicht eher seine rettende Idee, angesichts des internationalen Ärgers das Szenenbild als Festbankett auf dem Olymp umzuwidmen. Da fällt ihm aber seine Hauptdarsteller(in) DJane Butch in den Rücken. Im Netz kursieren Screenshots von einem schon früh gelöschten Beitrag, in dem DJ DJ Barbara Butch diese Szene mit dem Titel „Oh Yes! Oh Yes! The Gay New Testament“ (Das schwule/lesbische Neue Testament) unter ihrem Namen teilt. Wenn das die Hauptperson dieses Bühnenbildes sagt, dann wird es wohl auch so gedacht gewesen sein.
— Johannes Hartl (@DrJohannesHartl) July 30, 2024
Church of Satan bedankt sich beim Olympischen Komitee für die Eröffnungszeremonie
Die „Church of Satan“ (die Kirche Satans) ist in Fragen, ob etwas satanisch ist oder nicht, sicher die erste und kompetenteste Quelle. Ihre – ungefragte – Antwort ist eindeutig:
(Übersetzung des Videotextes unten:)
„Peter S. Gilmore, der Hohepriester der Kirche Satans unterstützte die Organisatoren und drückte seine Bewunderung für die Eröffnungszeremonie aus. Peter H. Gilmore nannte die Zeremonie „Eine Feier des Epikurismus und Freiheit von der sich verschanzenden Gottheit. Die Kirche Satans veröffentlichte auf ihrem Podcast Satansplain eine tiefgreifende Analyse der Eröffnungszereminie der Olympischen Spiele. Der Podcast beleuchtet des „veränderte“ Letzte Abendmahl von Jesus Christus und seiner Apostel. Satan ist das Gegenteil von Gott, genau, wie Gott das Gegenteil von menschlicher Freiheit ist. Diese Szene beweist, dass Frankreich den Menschen wählt, statt die einzwängenden Gebote Gottes. Der Hohepriester Peter H, Gilmore nannte die Eröffnungszeremonie fast die beste in der Geschichte der Olympischen Spiele. Er betonte, dass dies die beste, internationale Massenveranstaltung der letzten fünfzig Jahre ist. Und dass sie die Wiedergeburt der Menschheit zeigt.“
🇺🇸 L’Église américaine de Satan a remercié les organisateurs des Jeux olympiques pour l’étonnante cérémonie d’ouverture. Le grand prêtre l’a qualifiée de “triomphe de la liberté humaine sur Dieu”.
♦ Donc la liberté humaine sur Dieu, c’est Satan… Euh, on peut être détaché des… pic.twitter.com/NT0qWVwz3k— Pascal Laurent (@Pascal_Laurent_) August 3, 2024
Übersetzung des Textes im Tweet überdem Video:
„Die Amerikanische Kirche Satans dankt den Organisateuren der Olympischen Spiele für die erstaunliche Eröffnungszeremonie. Der Hohepriester nannte es „einen Triumph der menschlichen Freiheit über Gott. Die menschliche Freiheit über Gott ist also Satan … Ähm, wir können uns von religiösen Überzeugungen loslösen, ohne perverse Degenerierte zu sein, ohne irgendeinen moralischen Wert, oder müssen wir uns zwischen den beiden entscheiden?“
Die Church of Satan (CoS) ist eine religiöse Organisation, die sich der Religion des Satanismus widmet, wie sie von Anton Szandor LaVey definiert wurde. Sie wurde 1966 in San Francisco von LaVey gegründet und gilt als die „älteste satanische Religion, die noch immer existiert“, und vor allem als die einflussreichste, die „zahlreiche Nachahmer und abtrünnige Gruppen“ inspiriert hat.
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