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Glet­scher und Erwärmung: Rea­li­täts­ein­bruch in die ein­fache Welt der Klimawandel-Märchenonkel

Glet­scher spielen in der Kli­ma­wandel-Erzählung eine große Rolle: Ihr Abschmelzen soll belegen, dass globale Tem­pe­ra­turen als Folge der Emission von CO2 steigen, was wie­derum dazu führt, dass Glet­scher schmelzen. Immer wieder eine gute Adresse für die Ver­breitung der­ar­tiger Pro­pa­ganda-Geschichten, mit denen Angst geschürt und der Boden für immense Umver­teilung von vielen Steu­er­zahlern zu wenigen Pro­fi­teuren der Kli­ma­wandel-Erzählung bereitet werden soll, ist die ARD-Tagesschau:

Das sind nur zwei Bei­spiele aus einer Reihe von Pro­pa­ganda-Bei­trägen, die allesamt diese bei Klima-Kul­tisten so häufig anzu­tref­fende Unfä­higkeit, mehr als eine Variable in Betracht zu ziehen, belegen. Steigen die Tem­pe­ra­turen, dann schmelzen die Glet­scher und Ver­än­de­rungen an Glet­schern stellen sich unmit­telbar nach hohen Som­mer­tem­pe­ra­turen ein.

Humbug.

Einmal davon abge­sehen, dass es Jahre dauert, bis kli­ma­tische Ver­än­de­rungen einen Nie­der­schlag in Glet­schern finden, scheint die Tem­pe­ratur nur ein Faktor unter vielen zu sein, der einen Ein­fluss auf die Größe und Aus­breitung von Glet­schern hat. Die Dis­kussion, die sich um den Begriff der “kleinen Eiszeit” ent­sponnen hat, dient in diesem Beitrag als Hin­ter­grund, um die ein­fache Welt der Klima-Eiferer, stei­gende Tem­pe­ratur -> schmel­zende Glet­scher zu erschüttern.

“Kleine Eiszeit” ist ein Begriff, den Francois Matthes 1939 (520) geprägt hat, um eine Phase des Glet­scher­wachstums, die er für die Sierra Nevada in Kali­fornien fest­ge­stellt hatte, zu beschreiben.

Matthes, Francois E. (1939): Report of the Com­mittee on Gla­ciers, April 1939. Tran­sac­tions of the Ame­rican Geo­phy­sical Union, 20: 518–523.

Seitdem ist der Begriff in vieler Leute Munde und beschreibt eine Zeit des Glet­scher­wachstums, die je nach For­scher im Jahre 1300 oder im Jahre 1570 beginnt und bis ins Jahr 1950 bzw. 1900 anhält. Ent­spre­chend wären wir gerade erst aus der letzten kleinen Eiszeit her­aus­ge­wachsen. Die Tat­sache, dass Glet­scher in ihrem Ausmaß geringer werden, nicht Beson­deres, vielmehr Teil eines Zyklus, den wir im wei­teren Verlauf beschreiben.

Indes ist der Begriff “kleine Eiszeit” in die Kritik geraten, eben weil ihm eine zu innige Beziehung zu Tem­pe­ratur zuteil wurde, eine Ver­ein­fa­chung, die die Tat­sache außer Acht lässt, dass das Wachstum von Glet­schern nicht NUR zuweilen auch nicht son­derlich und in keinem Fall LINEAR von der Tem­pe­ratur abhängig ist. Darüber hinaus ist die Vor­stellung, dass eine kleine Eiszeit eine dau­er­hafte Phase tiefer Tem­pe­ra­turen, mit kalten Sommern dar­stellt, zu naiv, wie vor allem Matthews und Briffa in ihrem Beitrag zeigen, den wir im Fol­genden besprechen:

Matthews, John A., and Keith R. Briffa (2005). “The ‘Little Ice Age’: re‐evaluation of an evolving concept. Geo­gra­fiska Annaler: Series A, Phy­sical Geo­graphy 87(1): 17–36.

Dass Glet­scher nicht nur auf Som­mer­tem­pe­ra­turen reagieren, dass Glet­scher im Ver­gleich zu Kli­ma­wandel-Eiferern und Insassen öffent­licher Rund­funk­an­stalten kom­plexe Gebilde sind, darauf haben nicht erst Matthews und Briffa (2005) hin­ge­wiesen. Nesje und Dahl haben die Unter­schiede, die sich im “Timing” der letzten kleinen Eiszeit zwi­schen Nor­we­gi­schen Glet­schern und denen der Alpen ergeben, darauf zurück­ge­führt, dass die Nie­der­schlags­menge im Winter größere Bedeutung für die Ent­wicklung eines Glet­schers hat als die Tem­pe­ra­turen im Sommer.

Nesje, Atle, and Svein Olaf Dahl (2003). “Gla­ciers as indi­cators of Holocene climate change. In: Mackay, A., Batt­arbee, R., Birks, H.J.B. and Old­field, F. (eds): Global Change in the Holocene. London(Arnold): 264–280.

Dass das Wachstum von Glet­schern (auch das negative Wachstum) keine lineare Funktion der Som­mer­tem­pe­ra­turen sein kann, ergibt sich schon aus der Tat­sache, dass zwi­schen einem Wandel in den Som­mer­tem­pe­ra­turen und einem Aus­breiten oder Zurück­gehen eines Glet­schers 15 bis 60 Jahre ver­gehen, ehe eine Ver­än­derung über­haupt wahr­ge­nommen werden kann. Die Ant­worten auf Umwelt­ver­än­de­rungen, die Glet­scher geben, sind kumu­lativ, nicht linear und sie basieren auf mehr Variablen als das durch­schnitt­liche kli­ma­ei­fernde Gehirn zu ver­ar­beiten im Stande ist.

Nesje, Atle and svein Olfa Dahl (2003): The ‘Little Ice Age’ – only tem­pe­rature? The Holocene, 13: 139–145.

Indes, um die Sache noch etwas kom­plexer zu machen, und damit weit­gehend unpro­zes­sierbar für Kli­ma­wandel-Eiferer: Obschon es bei Glet­schern als Gesamt zwi­schen 15 bis 60 Jahre dauert, ehe sich Ver­än­de­rungen in der Tem­pe­ratur und im Nie­der­schlag in Ver­än­de­rungen der Eis­masse bemerkbar machen, gibt es bestimmte Dick­schädelt unter den Glet­schern, die sich nicht an die all­ge­meinen Ver­hal­tens­regeln halten wollen und ent­spre­chend ihre lokalen Beson­der­heiten, ihre topo­gra­phische Lage, ihre Größe, die Menge von Geröll auf ihrer Ober­fläche geltend machen, um sich indi­vi­duell zu ver­halten [ein Ver­halten, das der her­kömm­liche öffentlich-recht­liche Anstalts­in­sasse nie zeigen würde], um von der all­ge­meinen Glet­scher-Norm abzuweichen.

Und um es noch kom­pli­zierter zu machen: Es gibt offen­kundig nicht nur eine kleine Eiszeit, sondern mehrere Ereig­nisse, die sich als kleine Eiszeit qua­li­fi­zieren, wie z.B. anhand der Ent­wick­lungs­ge­schichte des Bjørn­breen Glet­schers im Jotun­heimen Gebirge, das sich im Süden von Nor­wegen befindet, gezeigt werden kann. Bjørn­breen ist wohl der Glet­scher, für den es auf Basis von Sedi­menten die längste Zeit­reihe von Daten zu seiner Ent­wick­lungs­ge­schichte gibt, Daten, die tau­sende Jahre in die Ver­gan­genheit reichen, und kleine Eis­zeiten als zyklisch wie­der­keh­rende Ereig­nisse ausweisen:

Matthews & Briffa (2005).

Die gepunk­teten Flächen geben die Jahre an, in denen Bjørn­breen gewachsen ist. Ins­gesamt sechs “kleine Eis­zeiten”, in denen Bjørn­breen seine Eis­masse erheblich aus­ge­weitet hat, können für die letzten 8000 Jahre unter­schieden werden. Die letzte kleine Eiszeit endet im 20. Jahr­hundert. Mit anderen Worten: Dass manche Glet­scher schrumpfen ist kein Wunder, ange­sichts der Tat­sache, dass wir gerade eine kleine Eiszeit hinter uns gelassen haben. Auf Basis der Rekon­struktion und der Zyklen kleiner Eis­zeiten, die sich dabei ergeben, kann man nun die Frage beant­worten, welche Rolle Tem­pe­ratur und Nie­der­schlag für die Ent­wicklung einer kleinen Eiszeit bzw. die eines Glet­schers spielen:

Abbildung A zeigt Tem­pe­ra­tur­an­omalien, wobei höhere Tem­pe­ra­turen häufig auf gepunk­teten Flächen zu finden sind, was bedeutet, dass Bjørn­breen gewachsen ist, obschon die Som­mer­tem­pe­ra­turen höher waren als im Durch­schnitt. Abbildung B zeigt die Eis­masse des Glet­schers dar­ge­stellt als Equi­li­brium-Altitute-Line (ELA). Die Eis­masse des Glet­schers ver­ändert sich ganz offen­kundig in kleinen Eis­zeiten in beide Rich­tungen, sie wächst und schrumpft. Abbildung C zeigt die Nie­der­schlags­menge im Winter und letztlich die Variable, die mehr Ein­fluss auf das Wachstum eines Glet­schers zu haben scheint als alle anderen Fak­toren. Was die drei Abbil­dungen in jedem Fall zeigen, ist die große Varia­bi­lität des Glet­schers, der offen­kundig in keiner Weise linear auf seine Umwelt­be­din­gungen reagiert. Ergo kommt man bei der Ein­sicht an, dass offen­kundig mehr als eine Variable für die Frage, ob ein Glet­scher wächst oder schrumpf, von Bedeutung sind:

“The variable nature of ‘Little Ice Age’-type cli­matic events, the non-periodic element and the geo­gra­phical pat­terns emerging at both regional and hemi­sphe­rical scales all suggest the inter­action of several forcing factors. A detailed dis­cussion of these factors will not be attempted here but it is clear that solar varia­bility and vol­canic forcing are strong can­di­dates, pos­sibly mode­rated or amplified by the natural dynamic beha­viour of the Earth–atmosphere–ocean system, including changes in the ocean ther­mo­haline circulation”

Son­nen­ein­strahlung, vul­ka­nische Akti­vität und die Nord-Atlan­tische Oszil­lation, so schreiben Matthews und Briffa, seien wohl die wesent­lichen Treiber der Ver­än­derung der Eis­masse von Glet­schern, wobei sie der Ansicht sind, dass vul­ka­nische Akti­vität die wich­tigste trei­bende Kraft ist, wenn es darum geht, in eine neue kleine Eiszeit einzutreten.

Einmal mehr erweist sich eine der Lieb­lings­er­zäh­lungen der Kli­ma­wandel-Eiferer, nach der stei­gende Tem­pe­ra­turen und schrump­fende Glet­scher in kausal-linearer Beziehung zuein­ander stehen, als Mythos, als Märchen, das der Rea­lität nicht gerecht wird.

Einen Ein­bruch der kom­plexen Rea­lität in die ein­fache Welt der Kli­ma­wandel-Mär­chen­onkel haben wir noch:

Der obere Teil der Abbildung zeigt vier Glet­scher, deren Eis­masse sich über die Jahre erhöht hat und sechs, deren Eis­masse geringer geworden ist. Die Glet­scher, die ihre Eis­masse erhöht haben, münden alle ins Meer, die Glet­scher, die geschrumpft sind, nicht. Der untere Teil der Abbildung zeigt für die ersten vier, die marinen Glet­scher, dass die Zunahme ihrer Eis­masse auf die Nie­der­schläge im Winter zurück­ge­führt werden kann, während das Schrumpfen der sechs ver­blei­benden Glet­scher darauf zurück­zu­führen ist, dass im Sommer mehr abschmilzt als im Winter hin­zu­gefügt wird.

Die Welt ist komplex.
Die Kli­ma­wan­del­er­zählung ist einfach, zu einfach, um der Rea­lität auch nur ent­fernt gerecht werden zu können.


Der Artikel erschien zuerst bei ScienceFiles.org.