Prof. h.c. Manfred Krames: Japan – ein ver­gif­tetes Leben

Liebe Leser,

unter den zahl­reichen Anfragen und Kom­men­taren zum Buch „Geist­wesen“ gingen auch einige ein, die sich nach dem Befinden meiner japa­ni­schen Exfrau erkun­deten. Deren mul­tiple Beset­zungen, die kein gutes Ende fanden, beschrieb ich im Buch – eine untröst­liche Erfahrung, die mich zum „Experten“ für Quäl­geister machten.

Nach jah­re­langen Recherchen fand ich vorigen Monat erst ihren Wohnort heraus. Sie ist seit 24 Jahren glücklich ver­hei­ratet, und ihr Ehemann ist ein äußerst lieber, herz­be­tonter Mensch, was auch hier­zu­lande Sel­ten­heitswert hat. Als ich die beiden vor zwei Wochen in Takasaki besuchte, holte mich ihr Mann am Bahnhof ab. Was mir sofort auffiel, abge­sehen von seiner Freund­lichkeit, war ein inten­siver Par­füm­geruch im Auto. Höf­li­cher­weise sagte ich nichts.

Zu Hause ange­kommen, fand ich mein Ex-Frauchen in einem erbärm­lichen Zustand vor. Schwarze Ränder unter den auf­ge­quol­lenen Augen, die Stimme stark ver­ändert und gebrochen, kaum in der Lage, zwei Sätze zu for­mu­lieren. Und das, obwohl sie vor 30 Jahren fließend Deutsch sprach und sogar für die deutsche Bot­schaft einmal Über­set­zungen anfer­tigte. Apa­thisch schaute sie mich an, dann die Wand, dann legte sie sich wieder hin, so als sei das Sitzen eine Anstrengung.

Das ginge seit drei Monaten so, klagte ihr Mann. Vorher sei sie fit gewesen. Doch Arzt­be­suche lehnte sie ab. Weder für Auto­fahrten noch für Spa­zier­gänge sei sie zu begeistern. Da überall ihre Haare lagen, ver­mutete ich starken Haar­ausfall. Der Mann schämte sich etwas und kam, als eine Geste der Ver­le­genheit, mit einer Spraydose wieder, die er im Zimmer und im Flur ver­sprühte, für bessere Luft. Da konnte ich mich nicht mehr zurück­halten und sagte ihm, er solle das unter­lassen. (Japaner haben absolut keine Kenntnis von den unge­sunden Aus­wir­kungen solcher Chemikalien.)

Er ver­beugte sich kurz und zog dann eine große Packung Räu­cher­stäbchen hervor. Die mögen beide sehr, meinte er, und wollte eines anzünden. Ich kannte zufällig die Marke und wusste, dass mehrere kar­zi­nogene Sub­stanzen zu den Inhalts­stoffen gehören. „Bitte nicht doch!“, sagte ich mit einem erzwun­genen freund­lichen Ton. „Der Rauch ist krebserregend.“ 

In Anbe­tracht der Müdigkeit und Mat­tigkeit meines Ex-Frau­chens fuhr ich wieder zurück. Vor­gestern rief der Mann mich an und erklärte mit trä­nen­er­stickter Stimme, seine Frau sei per Ret­tungs­wagen ins Kran­kenhaus gefahren worden. Ob ich Zeit hätte, vor­bei­zu­kommen, er sei fix und fertig. Ich also wieder in den Zug und ab. Was auf der Inten­siv­station vorfand, ließ mein Herz stoppen. Kazuko konnte weder schlucken noch sprechen. Die Augen konnte sie mit Mühe öffnen. Man hätte meinen können, sie hat nicht mehr lange zu leben.

Sie hatte unter Schmerzen in der Brust geklagt und dann zu viele Schmerz­ta­bletten genommen… Ich fühlte ihren rasenden Puls und schaute auf die schnee­weiße Zunge und wusste sofort, dass es sich um einen toxi­schen Schock han­delte. Doch hierüber haben japa­nische Ärzte nicht einmal Grundwissen.

Solche Ver­gif­tungen sieht man weder auf CT noch MRT noch durch Blut­proben. Aller­dings machten dem Arzt weiße Felder im Gehirn zu schaffen, was man sonst nur bei dementen, sehr alten Pati­enten fände. Ich bat ihn um eine toxische Analyse und erfuhr, das Kran­kenhaus sei dafür nicht aus­ge­richtet. Ihr Mann heulte unter­dessen am Kran­kenbett und flehte seine Frau an, wieder gesund zu werden. Einer Intuition folgend schrieb ich auf Japa­nisch ein paar toxische Che­mi­kalien auf, die man auch hin und wieder in Deutschland vor­findet. Kaum zeigte ich dem Arzt den Zettel, da meinte er, dass einige davon in Kaker­la­kengift und Mos­ki­to­sprays vorkommen.

Ihr Mann schaute mich ver­wundert an und fragte, ob das denn ungesund sei. Solche Sprays würden sie täglich ver­wenden. Da platzte es aus mir heraus: „Wenn davon Kaker­laken u. a. Insekten sterben, kann es ja wohl nicht gesund für den Men­schen sein!“ Lange Rede, kurzer Sinn: Das kom­plette neu­ro­lo­gische System wurde stark ange­griffen und beschädigt. Mir kamen die Tränen, denn das ist nur bedingt heilbar. Und in Japan schon gar nicht. Da jeg­liche Auf­klärung fehlt, gibt es dort auch keine ent­spre­chenden Ausleitungstherapien.

Da der Mann ein­sichtig wurde, konnte ich ihm diverse Ent­gif­tungs-Methoden erklären, die er zu Hause durch­führen solle. Die ent­spre­chenden Zutaten lasse ich nun aus Deutschland hierher

schicken. Ich ver­suche, das Schlimmste zu ver­hindern und bin sicher, dass ich im rich­tigen Moment, wenn auch in letzter Minute, zu meinem Ex-Frauchen geführt wurde. Solche toxi­schen Schocks sind in Japan an der Tages­ordnung. Anders als in Deutschland klären hier weder TV noch Zeit­schriften auf, aus Angst vor den großen Phar­ma­kon­zernen. So wird hier z.B. Neo-Nico­tinoid ton­nen­weise in der Land­wirt­schaft ein­ge­setzt. Der Stoff ist in der EU wegen seiner kar­zi­no­genen Wirkung ver­boten. Während weltweit die Krebsrate sinkt, ist Japan eines der wenigen Länder, wo sie weiter stark ansteigt.

Auf­klärung uner­wünscht. Der Rubel muss rollen.

Wie weit ich meinem Frauchen helfen kann, weiß ich noch nicht. Aber als Deutsche sollten wir dankbar sein, dass rück­haltlos auf­ge­klärt wird. Manchmal zwar nur über’s Internet, aber immerhin. Das haben wir mutigen Ver­legern und Men­schen­freunden zu ver­danken, deren Gewissen und Moral nicht käuflich bzw. nicht kor­rum­pierbar sind. Davon ist Japan um Licht­jahre entfernt.

Gruß an alle aus Yokohama!

Prof. h.c. Manfred Krames