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Die mys­te­riösen Symbole, die in Katars Wüste gefunden wurden

Manche schießen aus dem weichen Gestein wie Rep­tilien, die in der Sonne baden. Andere sind mys­te­riöse Ver­tie­fungen, die an ein altes Brett­spiel erinnern, das überall auf der Welt gespielt wird. Und einige sind einfach nur rätselhaft.

In einer ver­las­senen und wind­ge­peitschten Ecke der Nord­ost­küste Katars, inmitten der Sand­dünen der kargen Wüste, liegt Al Jass­asiya, die größte und bedeu­tendste Fels­kunst­stätte des Golfstaates.

Hier nutzten die Men­schen vor Jahr­hun­derten eine Reihe tief lie­gender Kalk­stein­felsen als Leinwand, in die sie Symbole, Motive und Gegen­stände schnitzten, die sie in ihrer Umgebung beobachteten.

Ins­gesamt haben Archäo­logen in Al Jass­asiya etwa 900 Fels­zeich­nungen oder „Petro­glyphen“ gefunden.

Dabei handelt es sich meist um rät­sel­hafte Schälchen, die in ver­schie­denen Mustern ange­ordnet sind, dar­unter Reihen und Rosetten, aber auch um auf­fällige Dar­stel­lungen von Segel­schiffen, die meist von oben gesehen, aber auch im linearen Profil dar­ge­stellt sind, sowie andere Symbole und Zeichen.

„Obwohl Fels­kunst auf der Ara­bi­schen Halb­insel weit ver­breitet ist, sind einige der Schnit­ze­reien in Al Jass­asiya ein­zig­artig und nir­gendwo sonst zu finden“, sagte Ferhan Sakal, Leiter der Aus­gra­bungs- und Stand­ort­ver­waltung der Qatar Museums, gegenüber CNN und bezog sich dabei auf die Petro­glyphen von Schiffen, die aus der Vogel­per­spektive betrachtet werden.

„Diese Schnit­ze­reien zeugen von einem hohen Maß an Krea­ti­vität und Beob­ach­tungsgabe der Künstler, die sie ange­fertigt haben“, sagte er. „Auch von abs­traktem Denken, da sie das Dhau (ein tra­di­tio­nelles Schiff) nicht von oben sehen konnten.“

 

Tas­sen­marken

In Katar gibt es etwa 12 nen­nens­werte Petro­gly­phen­stätten, die meisten davon liegen an der Küste des Landes. Einige Fels­zeich­nungen sind jedoch sogar im Herzen von Dohas Al Bidda Par mit Blick auf die Cor­niche, eine beliebte Ufer­pro­menade, zu sehen.

Al Jass­asiya, etwa eine Stunde nördlich von Katars hoch­mo­derner Haupt­stadt und in der Nähe des alten Per­len­hafens Al Huwaila, wurde 1957 ent­deckt. Sechs Wochen lang, Ende 1973 und Anfang 1974, führte ein däni­sches Team unter der Leitung des Archäo­logen Holger Kapel und seines Sohnes Hans Kapel eine Unter­su­chung durch, bei der die gesamte Stätte sorg­fältig in Fotos und Zeich­nungen kata­lo­gi­siert wurde.

Von allen doku­men­tierten Ein­zel­fi­guren und Kom­po­si­tionen besteht mehr als ein Drittel aus Schälchen in unter­schied­lichen Kon­fi­gu­ra­tionen, Formen und Größen.

Das glän­zende U‑Bahn-System unter der Wüste

Das auf­fäl­ligste Muster besteht aus zwei par­al­lelen Reihen mit je sieben Löchern. Einige glauben, dass diese zum Spielen von Mancala ver­wendet wurden.

Bei diesem seit der Antike in vielen Teilen der Welt beliebten Brett­spiel werfen zwei Teil­nehmer eine gerade und eine ungerade Anzahl kleiner Steine ​​in die Vertiefungen.

Andere bezweifeln diese Theorie und weisen darauf hin, dass einige der Löcher in Al Jass­asiya zu klein seien, um Steine ​​auf­zu­nehmen, während andere an Hängen lägen – eine unprak­tische Wahl, die dazu geführt hätte, dass die Steine ​​her­aus­ge­fallen wären.

Weitere Vor­schläge beinhalten die Ver­wendung der Becher­for­ma­tionen zu Wahr­sa­gungs­zwecken, zum Sor­tieren und Auf­be­wahren von Perlen oder als Systeme zur Berechnung von Zeit und Gezeiten.

 

 

Spiel­theorie

Wozu also dienten sie eigentlich und was bedeuten sie?

„Das ist sehr schwer zu beant­worten“, räumte Sakal ein, der die Brett­spiel­theorie eben­falls nicht unter­stützt. „Wir haben keine direkten Hin­weise auf die in Al Jass­asiya ver­wen­deten Motive“, sagte er.

„Meiner Meinung nach dürften sie eine rituelle Bedeutung und Funktion haben, die aber sehr alt ist, so dass sie eth­no­gra­phisch nicht erklärt werden kann.“

Aber wie alt? „Das wissen wir wirklich nicht“, räumte Sakal ein und erklärte, dass die Datierung von Petro­glyphen – und Fels­kunst im All­ge­meinen – sehr schwierig sei.

 

Das Feucht­ge­biets­wunder am Rande der Wüste

„Es gibt wilde Hypo­thesen über das Alter, die von der Jung­steinzeit bis in die spät­is­la­mische Zeit reichen“, fügte er hinzu. „Ich per­sönlich glaube, dass nicht alle Schnit­ze­reien gleich­zeitig ent­standen sind.“

Vor einem Jahr­zehnt ergab eine wis­sen­schaft­liche Unter­su­chung von neun ver­schie­denen Petro­glyphen in Al Jass­asiya, dass keine Hin­weise darauf vor­liegen, dass diese älter als ein paar Hundert Jahre sind. Die For­scher kamen jedoch zu dem Schluss, dass weitere Unter­su­chungen erfor­derlich sind, dar­unter die Ent­wicklung neuer Tech­niken spe­ziell für Kalksteinschnitzereien.

Obwohl die Experten nicht mit Sicherheit sagen können, wann und von wem die Petro­glyphen in Al Jass­asiya geschaffen wurden, sind sie sich alle einig, dass die fas­zi­nie­rendsten – und unge­wöhn­lichsten – Schnit­ze­reien an dieser Stätte die der Boote sind.

Diese Krea­tionen liefern wichtige Infor­ma­tionen über die Schiffs­typen und ‑ele­mente, die in der flo­rie­renden Fischerei- und Per­len­in­dustrie (über Jahr­hun­derte die tra­genden Säulen der kata­ri­schen Wirt­schaft) ver­wendet wurden.

Die meisten der von oben gese­henen Boote haben nor­ma­ler­weise die Form eines Fisches, haben ein spitzes Heck und Ruder­reihen, die mit einem spitzen Metall­werkzeug geschnitzt wurden.

Sie weisen ver­schiedene Details auf, wie bei­spiels­weise sich kreu­zende Rippen und Löcher, die wahr­scheinlich die Plat­zierung der Masten und Duchten anzeigen.

In einigen Fällen stellt eine lange Linie vom Heck ein Seil dar, das ent­weder in einem tra­di­tio­nellen ara­bi­schen Anker (drei­eckiger Stein­anker mit zwei Löchern) oder einem euro­päi­schen (ein Metall­anker mit langem Schaft und zwei gebo­genen Armen, der in der Region erstmals vor etwa sieben Jahr­hun­derten ver­wendet wurde) endet.

Reise ins Jenseits

„Bei manchen Booten sind die Ruder nicht par­allel, wie es beim Rudern der Fall wäre, sondern zeigen in unter­schied­liche Rich­tungen“, schreiben Frances Gil­lespie und Faisal Abdulla Al-Naimi in „Hidden in the Sands: Unco­vering Qatar’s Past“.

„So müssen sie aus­ge­sehen haben, als die Boote draußen auf den Per­len­bänken vor Anker lagen und die Ruder an Ort und Stelle gelassen wurden, damit sich die Taucher daran fest­halten und aus­ruhen konnten, wenn sie auftauchten.“

Experten sagen, sie könnten nur spe­ku­lieren, warum es in Al Jass­asiya im Ver­gleich zu anderen Küs­ten­fel­sen­gräbern von Katar eine so hohe Kon­zen­tration an Schiffs­schnit­ze­reien gibt.

„Schiffe spielten im Glauben der alten Völker eine wichtige Rolle. Sie betrach­teten sie als sym­bo­li­sches Trans­port­mittel von dieser Welt in die nächste“, stellten Gil­lespie und Al-Naimi fest.

„Sowohl die Baby­lonier als auch die alten Ägypter glaubten, dass die Toten das Jen­seits auf einem Schiff erreichten. Grie­chische Mythen sprechen vom Fährmann Charon, der die Seelen der Toten über den Fluss Styx in die Unterwelt brachte. Es kann sein, dass die ältesten Schiffs­schnit­ze­reien Echos einer Volks­er­in­nerung sind, die weit in prä­his­to­rische Zeiten zurückreicht.“

Was auch immer der Grund sein mag, Besucher sollten daran denken, Wasser mit­zu­nehmen und einen Hut und Son­nen­schutz zu tragen, wenn sie zwi­schen den Schnit­ze­reien umher­wandern, um über ihre Bedeutung nachzudenken.

Das umzäunte Gelände verfügt über keine Schat­ten­be­reiche, daher sind die besten Besuchs­zeiten Son­nen­aufgang und Son­nen­un­tergang. Al Jass­asiya liegt direkt südlich des beliebten Azer­baijani Beach, sodass ein Ausflug dorthin auch mit einem erhol­samen Tag am Meer kom­bi­niert werden kann.

Zuerst erschienen bei anti-matrix.com.