Der niederländische Medientheoretiker und Internetexperte Geert Lovink sieht das Internet vor dem Aus. Ein wesentlicher Grund: Die Nachteile einer Online-Meinungsäußerung werden schon bald so groß sein, dass sich die Menschen vom Internet abwenden werden, erklärt der Professor an der Amsterdam University of Applied Science (AUAS).
Darüber hinaus müsse man angesichts der geopolitischen Lage in Zukunft ohnehin mit einem eingeschränkten Zugang oder gar einem kompletten Ausfall des Internets, wie wir es kennen, rechnen, berichtet kreiszeitung.de.
Medien-Experte: „Das
Internet wird bald verschwinden“
Wie Lovink in „Extinction Internet“, seiner Antrittsvorlesung als Professor für Kunst- und Netzwerkkulturen an der Uni Amsterdam, statuiert, sei ein Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gebe: „In den letzten zehn Jahren ist das Internet schnell vom Status, die Lösung zu sein zu einem Teil des Problems geworden – unfähig, seine eigenen zerstörerischen Trends umzukehren“, so der Niederländer.
Nutzer zahlten einen hohen Preis für die weitreichende Abhängigkeit vom Internet und die Sucht nach sozialen Medien und Apps – und dieser Preis sei in erster Linie psychologischer Natur. Junge Menschen litten unter einem verzerrten Selbstbild und Angststörungen, unser Kurzzeitgedächtnis werde immer schlechter, und unsere Aufmerksamkeit zerstückele. Auch Mediziner erheben Vorwürfe: „Der Mensch wird abhängig, die Wirtschaft jubelt“.
In den letzten zehn Jahren ist das Internet schnell vom Status, die Lösung zu sein, zu einem Teil des Problems geworden – unfähig, seine eigenen zerstörerischen Trends umzukehren.
Prof. Geert Lovink, Medienwissenschaftler an der Universität Amsterdam
„Vermeintliche Meinungsfreiheit“: Immer mehr Kontrolle und Überwachung im Internet
„Die Beobachtung, dass das Internet die Probleme der Welt beschleunigt und zunehmend problematisch wird, erreicht Konsensstatus“, so Lovink in seiner Brandrede. Die Kontrolle werde immer ausgefeilter: „Unsere vermeintliche Freiheit der Meinungsäußerung gibt es in Wirklichkeit nicht mehr.“ Dafür gibt es viele Beispiele: Zu politischen Themen darf sich in China nur noch äußern, wer eine offizielle Lizenz dazu hat.
In den Vereinigten Staaten muss sämtliche Social-Media-Profile offenlegen, wer ein Visum beantragen will. Diese ausgeklügelte Kontrolle, erklärt der Medienforscher, werde auch in Europa bald so allgegenwärtig sein, dass die Menschen sich vom Internet abwenden werden.
Experte mahnt: „Das Ende des Internets, wie wir es kennen, rückt näher“
Darüber hinaus könne man sich darauf einstellen, dass in Zukunft bestimmte Dienste – auch angesichts der geopolitischen Lage und der Klimakrise – einfach nicht mehr zur Verfügung stehen werden.
Man müsse mit einem eingeschränkten Zugang zum Internet oder einem Komplettausfall rechnen: „Keiner entkommt dem Zusammenbruch der Zivilisation in Zusammenhang mit der Klimakatastrophe. Das Artensterben ist eine unbestreitbare Tatsache. Das Ende des Internets, wie wir es kennen, oder noch genauer gesagt, das Ende der Netzwerkkulturen, wie wir sie kennen, rückt näher.“
Die Beobachtung, dass das Internet die Probleme der Welt beschleunigt und zunehmend problematisch wird, erreicht Konsensstatus.
Prof. Geert Lovink, Medienwissenschaftler an der Universität Amsterdam
Medienwissenschaftler löschte seinen Facebook-Account bereits 2010
Das Internet steuere auf einen Punkt zu, an dem es kein Zurück mehr gebe – und die Big Player seien sich dessen auch schon bewusst. Mark Zuckerberg habe sich von seinen Social-Media-Plattformen getrennt und „Meta“ ins Leben gerufen, als ob alles in Ordnung wäre. Lovink selbst hat schon 2010 am „Quit Facebook Day“ seinen Facebook-Account gelöscht.
„Das Internet ist nicht mehr zu reparieren“, erklärt Medienforscher Geert Lovink
Lovink gilt als einer der Begründer der Netzkritik, beschäftigte sich unter anderem mit der Rolle von Suchmaschinen im Alltag, Social-Media-Monopolen, Fake-News, die Toxizität viraler Memes und Online-Sucht.
Er habe Wikipedia, Suchmaschinen, soziale Medien und Kryptowährungen und deren Profitmodelle erforscht – immer aus der Perspektive, dass das Internet kaputt ist, aber repariert werden kann und muss: „Aber es ist eindeutig schon kaputt.“
Experte feiert das Ende der „Technostalgie“: „Schönheit liegt im Zusammenbruch“
Er plädiert in seiner Arbeit „Extinction Internet“ nun dafür, sich den großen Konzernen, High-Tech-Milliardären und anderen autoritären Herrschern zu verweigern, die „Technostalgie“ zu bekämpfen und die „Geschichte gegen den Strich zu bürsten“.
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