Der Streit wogt hin und her. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hatte alle Vorwürfe eines Plagiats weit von sich gewiesen und auch die Universität Hamburg, die die Arbeit ihres Doktoranden („Die Natur der Literatur. Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität“) begutachtete, bestand darauf, dass alles mit der Doktorarbeit in Ordnung sei. Aber da haben sie nicht mit dem Großwildjäger Stefan Weber gerechnet. Der steckte nicht zurück. Er bestand darauf, dass die Doktorarbeit Habecks nicht so in Ordnung sei, dass seine Zitate aus philosophischen Werken nicht astrein sind und kündigte an, auch die Doktorarbeit von Minister Habecks Ehefrau genauer unter die Lupe zu nehmen.
Da zeigte Herr Habeck dann doch Nerven und bat, seine Familie außen vor zu lassen. Er selbst spürt nun den heißen Atem des Jägers im Nacken. Mit Verweis auf den Persilschein seiner Uni schien er sich absolut sicher zu fühlen und meinte Frohgemut im ZDF, dass sich die Sache erledigt habe. Aber, ganz so scheint es nicht zu sein – und nun gerät die Universität in den Ruch, vom Minister korrumpiert worden zu sein – oder aus Gefälligkeit oder Ehrpusseligkeit alles abzustreiten. Noch ist nichts bewiesen, aber …
Tauziehen der Behauptungen
Am Montag, den 10 Februar 2025 gegen halb zwölf gab Minister Habeck selbst auf dem Medium X eine Erklärung ab, um dem unvermeidlichen Mediengewitter zuvor zu kommen. Das ist ihm gelungen, hat ihm aber nichts geholfen:
Ich rechne damit, dass heute, wenige Tage vor der Bundestagswahl, Vorwürfe gegen meine Doktorarbeit, die ich vor 25 Jahren in Hamburg geschrieben habe, veröffentlicht werden. Ich habe mich entschieden, das Ganze transparent zu machen. Denn ich kenne die Vorwürfe – und konnte sie… pic.twitter.com/DhVvgB7Tuu
— Robert Habeck (@roberthabeck) February 10, 2025
Die Kontrahenten schenken sich nichts. Da folgt Argument auf Gegenargument in einem wahrhaften Trommelfeuer. Der österreichische „Plagiatsjäger“ Dr. Stefan Weber lässt sich nicht abwimmeln und nicht einschüchtern. Er wischt auch die Begutachtung der Uni Hamburg vom Tisch, dass das alles seine Richtigkeit habe und besteht darauf dass der grüne Hoffnungsträger die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis als Doktorand missachtet hat. Und es kann nur einen Sieger geben, der Verlierer ist zerstört. Eine klassisches Thema in der Literatur. Eine Einigung, einen Kompromiss kann es nicht mehr geben. Die beiden Gladiatoren im Ringen müssen beide Gewinnen, aber für Robert Habeck steht am meisten auf dem Spiel.
Es hängt sehr viel an Robert Habeck: Das Ergebnis kann weitreichende Folgen haben
Eine Einigung, einen Kompromiss kann es nicht mehr geben. Die beiden Gladiatoren im Ringen müssen beide Gewinnen, aber für Robert Habeck steht am meisten auf dem Spiel.
Denn Herr Stefan Weber, der „Plagiatsjäger“, kann auch dann, wenn er nicht durchdringen kann, weiter auf seiner Sichtweise beharren und behaupten, man habe eben einen Minister schützen wollen. Umgekehrt wäre es nicht nur für Minister Habeck das Ende seiner politischen Karriere, wie es auch anderen hochrangigen Politikern erging. Es hätte auch unwägbare Aussichten auf die Wahl und könnte die Grünen schwer beschädigen.
In der Tat kommt diese Anschuldigung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt und man könnte auch aus dem linksgrünen Lager insinuieren, dass „gewisse Leute“ gerade deswegen ausgerechnet jetzt diesen Plagiatsskandal hochkochen wollen. Das Vertrackte: Auch die verzweifelte Abwehr der Anschuldigung wäre dann mehr, als nur den Menschen Habeck zu schützen und reinzuwaschen. Es wäre ein Kampf um die linksgrüne Moralhoheit und die Sitzverteilung im Parlament. Dazu kommt noch, dass Robert Habeck der einzige Grünenpolitiker ist, er irgendwie noch ernst genommen wird, ein anderer Kanzlerkandidat ist weit und breit nicht in Sicht. Oder kann sich jemand Frau Baerböck als Kanzler vorstellen?
Am Montagabend hatten sowohl Weber als auch Habeck ihre Standpunkte gegenüber Fernsehjournalisten dargelegt. Der Österreicher Dr. Stefan Weber hält weiter an seiner Überzeugung fest, dass der grüne Hoffnungsträger die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis als Doktorand missachtet habe.
Öffentliche Rechtfertigung und retten, was zu retten ist
Robert Habeck war natürlich dann beim ZDF zu Gast, wo er sich relativ sicher fühlen konnte. In der Sendung „Was nun, Herr Habeck?“ spielte er die ganze Sache herunter, tat sich aber nicht wirklich einen Gefallen damit: Er wisse sehr wohl, dass schon sein vielen Jahren seine Doktorarbeit überprüft werde, ob denn da alles stimme, was er geschrieben – oder eben abgekupfert – hat. Und natürlich zieht er die Trumpfkarte: Er habe zwar keine Anhaltspunkte, ob hinter den neuesten Vorwürfen nur Zufall oder tatsächlich eine gezielte Wahlkampfaktion stehe. Er gehe aber davon aus, dass Der Plagiatsträger einen bezahlten Auftrag bekommen habe, seine Arbeit „unter die Lupe zu nehmen“.
Dann räumt er aber überraschend ein, dass die Hamburger Uni seine Doktorarbeit auf seinen ausdrücklich eigenen Wunsch hin geprüft und „ein paar Ungenauigkeiten“ in den Fußnoten festgestellt habe, die man „vielleicht nachträglich auch ein bisschen besser machen“ könnte, Dann versichert er: „Aber das hat nichts mit der Qualität der Arbeit zu tun.“ Aus seiner Sicht ist der Plagiatsvorwurf „haltlos“, was die Prüfung der Hamburger Uni bewiesen habe. Und in Verkennung der Sachlage setzte er hinzu: „Und damit ist die Sache schon wieder erledigt.“
Das ist sie eben nicht. Die Uni Hamburg fängt das Eiern an. Zwar bestätigte sie, Herrn Habeck „zusätzlich Empfehlungen zur Überarbeitung einzelner Zitate und Fußnoten“ gegeben zu haben, die sich aber – laut Universität – auf neue, heutige Regeln beziehe, aber dass diese Regeln damals, als Habeck die Arbeit geschrieben hat, „zum Teil noch nicht in gleicher Weise formalisiert waren“. Ein „wissenschaftliches Fehlverhalten“ könne man nicht erkennen. Etwas windelweich, möchte man da sagen. Kritiker sehen in diesem Statement einen Ansatz zum Rückzug. Denn dann heißt es von der Universität Hamburg, dass sie nach der genannten Empfehlung zur Überarbeitung, neue Hinweise zu dieser Arbeit bekommen habe. Diese Hinweise würden „aktuell (…]) ebenfalls sorgfältig begutachtet und fachlich eingeordnet“.
Das hört sich so an, als sei das Kind noch lange nicht in trockenen Tüchern.
Plagiatsjäger Weber hatte ebenfalls einen Fernsehauftritt
Verschiedene Manegen, derselbe Kampf. Herr Weber hatte ein interessantes Gespräch auf dem Fernsehkanal der „Welt“, die sich seit einiger Zeit leistet, ein wenig gegen den Zeitgeist zu agieren. Hier stellte Dr. Stefan Weber ziemlich knallhart fest, dass es vor 25 Jahren, als Herr Habeck seine Dissertation verfasste, keine anderen Zitierregeln gegeben habe als heute. Diese seien seit 40 Jahren gültig. Herr Habeck „schwindelt die Bevölkerung schon wieder an“. (Das ist nicht ganz richtig, das hat die Universität Hamburg gesagt. Und wenn sich die Uni hier zum Schwindeln genötigt fühlt, dann wurde da möglicherweise ein riesiger Druck auf die Uni aufgebaut.)
Stefan Weber, der Alptraum aller Dissertationsschwindler legt noch ein Brikett nach: Robert Habeck habe überdies „vorgetäuscht“, dass er selbst „Kant, Hölderlin, Novalis und viele andere Geistesgrößen“ im Original gelesen hat und setzt hinzu: „In Wahrheit hat er die Zitate aus ungenannten Büchern geklaut“, wirft Stefan Weber ihm vor. Weber zitiert in diesem Zusammenhang seinen eigenen Blog-Artikel, in dem er 128 „Quellen‑, Zitats- und Textplagiate“ zusammengetragen hat. Einen derer, von dem Robert Habeck abgeschrieben haben soll, hat Stefan Weber als Zeugen namentlich benannt: Den deutschen Philosophen Günter Wohlfahrt.
Und überhaupt und außerdem sei die gesamte Doktorarbeit Habecks „eine methodische Täuschung seiner Leser“ und eine „Wissenschaftssimulation“.
(Also, den Ausdruck sollte man sich merken: „Wissenschaftssimulation“. Eine tolle Wortschöpfung, Applaus, Herr Weber!)
Spielte die Universität Hamburg hinter den Kulissen bei einer Vertuschungsaktion mit?
Und nun holt der Plagiats-Großwildjäger zu einem vernichtenden Schlag aus:
Er berichtet in dem Welt-Gespräch, er habe einem Journalisten der FAZ einen „Vorbericht“ zu dem Plagiatsvorwurf gegen Habeck zukommen lassen. Und Weber vermutet weiter, dass dieser Journalist diesen Bericht den Grünen oder gleich Robert Habeck durchgereicht hat. Stefan Weber hat nämlich nur einem, und zwar diesem FAZ-Journalisten das Papier das zugeschickt und das am 21. Januar. Weber vermutet, dass man sich dann mit der Universität Hamburg zusammengesetzt hat und einvernehmlich beschloss, „das Ganze so glattzubügeln“. Hier das Gespräch:
Jetzt ist Stefan Weber ein bisschen verärgert über seine Blauäugigkeit, dem FAZ-Journalisten die Papiere des Vorberichts gegeben zu haben, denn es ist ja ganz offensichtlich und wird auch nicht bestritten, dass die Hamburger Uni schon die beanstandeten Stellen geliefert bekamen – und das kann nur durch das Leak des Faz-Journalisten geschehen sein.
Übrigens: Der #CDU-nahe #FAZ-Journalist hat vorher auch schon Serienplagiator Mario #Voigt entlastet, auch auf Basis lediglich erster Funde von mir. Mein Fehler war, mit ihm zusammenzuarbeiten.
— „Plagiatsjäger“ (@SprachPhilo) February 10, 2025
Die Seite NIUS hat aus der Arbeit von Stefan Weber acht Beweis-Stellen herausgeholt, an denen man sehen kann, dass Rober Habeck wirklich „gefuddelt“ hat und einfach Stellen aus anderen Büchern mehr oder weniger abgeschrieben hat, dabei aber auch Fehler mit übernommen oder falsche Quellen angegeben hat oder eine Seitenzahl der Quelle, die weit höher liegt, als die Quelle Seiten hat. Und davon gibt es massenhaft. Das sind nicht nur „Ungenauigkeiten“. Es ist das Zusammenbasteln von Texten aus Sekundärliteratur, die aber als Primärliteratur ausgegeben wird. Robert Habeck hat die Bücher, aus denen er zitiert, gar nicht gelesen.
Es ist – obwohl das Dissertationsthema selbst ziemlich dröge ist – hochinteressant, wie die Passagen, nebeneinander gestellt, vollkommen klar zeigen, dass da abgeschrieben, leicht umformuliert und aus den Büchern wie mit Legosteinen ein Konstrukt zusammengesteckt wurde, das so aussieht, wie aus einem Guss selbst erarbeitet, unter Druck aber zerbröckelt, weil es eben dürftig zusammengenagelt war.
Die beiden NIUS Artikel sind sehr erhellend, weil sie die originalen Gegenüberstellungen des Dissertationstextes von Robert Habeck und der Quelle, von der Herr Habek eindeutig abgekupfert hat, aus der Arbeit von Stefan Weber abbilden.