Exorzismus – die „Austreibung“ oder das „Hinausbeschwören“ von Dämonen oder gar des Teufels selbst – ist ein uraltes Ritual. Nahezu jede Kultur kennt Formen spiritueller Reinigung, in denen böse Mächte aus einem Körper oder Ort verbannt werden sollen. In der christlichen Tradition geschieht dies meist durch Gebete, das Auflegen der Hände und Symbole wie das Kreuz.
Als Symptome einer angeblichen Besessenheit gelten: unbeherrschte Wutanfälle, epileptische Krämpfe, übermenschliche Kräfte, religiöse Aggression und teils auch körperliche Krankheiten oder sexuelle Fantasien. Was einst als dämonisch galt, wird heute oft medizinisch oder psychologisch erklärt – und doch lebt das Ritual weiter.
Noch immer werden weltweit Menschen in sogenannten Teufelsaustreibungen gefoltert, misshandelt, psychisch zerstört oder gar getötet. Nicht etwa, weil sie von Dämonen oder dem Satan höchstpersönlich besessen wären, sondern weil sie krank sind. Psychisch instabil durch Schizophrenie oder Psychosen. Oder physisch hilfsbedürftig aufgrund von Epilepsie und in die Hände von religiösen Fanatikern geraten.
Doch für viele Gläubige ist der Teufel real. In der römisch-katholischen Kirche. In charismatischen Freikirchen. In fundamentalistischen Gemeinschaften. Und dieser Glaube hat Folgen: In Italien allein arbeiten rund 400 Exorzisten, bei denen jährlich über 500.000 Anfragen eingehen – von Menschen, die glauben, besessen zu sein.
Selbst im Vatikan hat der „Teufel“ eine neue Renaissance erfahren.
Die Katholische Kirche veranstaltet Exorzismus-Seminare, bekräftigt ihren Glauben an dämonische Kräfte und tut damit genau das, wovor Psychiater und Kritiker seit Jahren warnen: Sie zementiert ein Weltbild, das krank macht.
Denn dieser „Teufelsglaube“ ist nicht nur mittelalterlich – er ist gefährlich, begünstigt Psychosen, schürt Angststörungen und kann zur ekklesiogenen Neurose führen – eine aus einer besonders gearteten, übersteigerten religiöser Gläubigkeit entspringende Neurose.
Der Exorzismus-Glaube liefert psychisch labile Menschen einem System aus, das sie nicht heilt, sondern zerstört.
Wer übernimmt Verantwortung für die Opfer? Für die Toten? Kriminalfälle wie der von Anneliese Michel, die 1976 nach mehreren Exorzismen an Entkräftung starb, werden oft als bedauerliche Einzelfälle dargestellt – dabei sind sie Teil eines globalen Problems, das systematisch verschwiegen wird. Hollywood hat das Thema populär gemacht, etwa mit William Peter Blattys „Der Exorzist“ oder aktuellen Neuverfilmungen.
Doch hinter der Fiktion steht eine Realität, die schockiert: Die Quintessenz aus dem „Rituale Romanum“, dem katholischen Regelwerk zur Teufelsaustreibung von 1614 und seiner Novellierung, hat überlebt.
Nicht nur der verstorbene Papst Johannes Paul II. soll persönlich eine besessene Frau exorziert haben – auch sein Nachfolger Benedikt XVI. begrüßte das Ritual offen. Selbst Mutter Teresa, Ikone der Nächstenliebe, soll sich einst einer Austreibung unterzogen haben.
Durchführung von Exorzismen in Deutschland: Dies geschieht hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, im Rahmen der katholischen Kirche. Die Regeln und Genehmigungsverfahren für einen „Großen Exorzismus“ (der die förmliche Austreibung eines Dämons beinhaltet) sind jedoch sehr streng und erfordern die Zustimmung des zuständigen Bischofs nach sorgfältiger Prüfung des Falles.
„Kleine Exorzismen“ und Gebete um Befreiung: Neben dem förmlichen „Großen Exorzismus“ gibt es auch „kleine Exorzismen“ oder Befreiungsgebete, die häufiger im seelsorgerischen Kontext gesprochen werden, ohne die formale Feststellung einer Besessenheit.
Unterscheidung zwischen Krankheit und Besessenheit: Die offizielle Lehre der katholischen Kirche unterscheidet klar zwischen natürlichen Krankheiten (körperlicher oder psychischer Natur) und echter dämonischer Besessenheit. Bevor ein förmlicher Exorzismus genehmigt wird, wird in der Regel eine gründliche medizinische und psychiatrische Untersuchung gefordert, um organische oder psychische Ursachen für die beobachteten Symptome auszuschließen.
„Heilungsdienste“ und freikirchliche Kontexte: Diese finden sich eher in bestimmten freikirchlichen oder evangelikalen Gemeinschaften und charismatischen Bewegungen. Dort wird oft ein direkter Zusammenhang zwischen Krankheit und spirituellen Belastungen (bis hin zu dämonischen Einflüssen) gesehen. Gebete um Heilung und Befreiung spielen in solchen Gottesdiensten eine wichtige Rolle.
Kritische Perspektive: Die Durchführung von Exorzismen und „Heilungsdiensten“, bei denen Krankheiten dämonisiert werden, ist in der breiten Öffentlichkeit und unter Medizinern oft umstritten. Kritiker bemängeln, dass dadurch Menschen mit tatsächlichen medizinischen oder psychischen Problemen möglicherweise von einer angemessenen Behandlung abgehalten werden könnten. Es besteht die Gefahr, dass Leiden spirituell fehlinterpretiert und dadurch die notwendige professionelle Hilfe verzögert oder verweigert wird.
Rechtliche Aspekte: In Deutschland ist die körperliche und seelische Unversehrtheit ein hohes Gut. Wenn im Rahmen von „Heilungsdiensten“ oder Exorzismen Handlungen vorgenommen werden, die zu Schäden führen oder die freie Willensentscheidung der Betroffenen beeinträchtigen, können dies rechtliche Konsequenzen haben.
LESEN SIE HIER, WIE ICH MIR SELBST BEI EINER UNDERCOVER-RECHERCHE SCHEINBARE TEUFEL UND DÄMONEN AUSTREIBEN LIESS
Der Artikel erschien zuerst bei GuidoGrandt.de.
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