In Europa haben wir eine lange Tradition in der Durchführung von Kreuzzügen. So fanden zwischen 1095 und 1270 insgesamt sieben Kreuzzüge ins gelobte Land statt, von denen die Kreuzritter allerdings nur zwei erfolgreich gestalten konnten, nämlich den ersten (1095 – 1099) mit der militärischen Eroberung Jerusalems und den fünften (1228 – 1219) mit einer zehnjährigen christlichen Kontrolle über Jerusalem dank eines ausgehandelten Friedenvertrags. Langfristigen Erfolg hatte jedoch keiner dieser Kreuzzüge.
Bis zum nächsten deutschen Kreuzzug sollte es Jahrhunderte dauern. Er führte die deutschen „Kreuzritter“ im Juni 1941 in ein anderes gelobtes Land, nämlich Russland. Das Kreuz unterschied sich durch ein paar Haken von früher, doch sonst ähnelte vieles. Ein religiös-ideologischer Grund, verbunden mit einer Niederlage am Ende trotz anfänglicher Erfolge.
Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg erfolgte die Entnazifizierung, „die ab Juli 1945 umgesetzte Politik der Vier Mächte, die darauf abzielte, die deutsche und österreichische Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Justiz und Politik von allen Einflüssen des Nationalsozialismus zu befreien.“ Hurra, frei von Nazis! Nun ja, zumindest fast. Durchgerutscht ist wohl Hans Globke. „1949 holt ihn Adenauer ins Bundeskanzleramt. Bis 1953 steigt er als Staatssekretär zu Adenauers engstem Mitarbeiter auf und ist 14 Jahre lang einer der mächtigsten Männer der Bundesrepublik.“ Denn bei Herrn Globke gab es ein klitzekleines Problem: „Er war 1935 an der Erstellung der Nürnberger Rassengesetze beteiligt, die aus den Juden in Deutschlands offiziell Bürger zweiten Ranges machten.“ Wie gesagt, durchgerutscht. Ist halt passiert und lang vorbei. So wie bei Reinhard Gehlen, „den Chef der Wehrmachts-Abteilung Fremde Heere Ost,“ der 1946 die Organisation Gehlen, die Vorgängerbehörde der Bundesbehörde BND gründete. „Mitte der 1950er Jahre war etwa jeder zehnte BND-Mitarbeiter in der NS-Zeit Täter im engeren Sinne gewesen.“ Darunter Carl Schütz, der im März 1944 das SS-Massaker an 335 italienischen Zivilisten bei Rom befehligte, oder Heinrich Schmitz, „einer der Verantwortlichen in der Einsatzgruppe A“, die „im Baltikum kommunistische Funktionäre sowie jüdische Frauen, Männer und Kinder ermorden“ ließ. Wie konnte denn das passieren? Aber vielleicht brauchte man diese „Fachleute“ unbedingt beim Geheimdienst.
Übrigens brauchte man auch beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland solche „Fachleute“. Eine kurze Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Karl Carstens – NSDAP-Mitglied und später Bundespräsident,
- Hans Filbinger – NSDAP- und SA-Mitglied, Nazi-Richter und später Ministerpräsident von Baden-Württemberg,
- Karl Maria Hettlage – SS-Hauptsturmführer und später Vorstand der Commerzbank, Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Mainz, Staatssekretär usw.,
- Kurt Georg Kiesinger — ranghohes Mitglied der NSDAP und später Bundeskanzler,
- Waldemar Kraft — Ehren-Hauptsturmführer der SS und später Bundesminister,
- Theodor Oberländer — SA-Obersturmbannführer und später Bundesminister,
- Karl Schiller – SA- und NSDAP-Mitglied und später Rektor der Universität Hamburg und Bundesminister
- usf.
Wer etwas Zeit mitbringt, kann sich die Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder in der bundesdeutschen Politik ja ansehen. Interessant ist dabei, dass im vierten Bundestag 129 Abgeordnete mit NS-Vergangenheit saßen. Bei insgesamt 521 Mitgliedern macht dies immerhin fast 25%. Eine sehr erfolgreiche Entnazifizierung, vor allen wenn man bedenkt, dass maximal nur ca. 12 — 13% der Deutschen in der NSDAP waren. Ja, die NSDAP hatte 1945 rund 8,5 Mio. Mitglieder, während im Deutschland von 1945 mindestens 67 Mio. Menschen lebten. (Diese Zahl setzt sich einerseits aus 65.137.274 Menschen laut Volkszählung vom 29.10.1946 ohne Saarland plus ca. 750.000 Saarländern zusammen. Zusätzlich kamen viele Deutsche in den letzten Kriegsmonaten ums Leben und weitere „Millionen Flüchtende starben an Kälte und Hunger oder wurden von sowjetischen Truppen misshandelt, vergewaltigt oder ermordet.“ Diese Toten wurden in Höhe von einer Million zu den amtlichen Zahlen addiert.)
Statistisch gesehen saßen im Bundestag also bis zu doppelt so viele Altnazis wie es in der Bevölkerung gab. Wer hat da bei den US-Amerikanern nicht aufgepasst? Vom 02. September 1949 bis 1. August 1952 war John McCloy amerikanischer Hochkommissar in Deutschland. Wer war John McCloy? Als Anwalt repräsentierte er „unter anderem die Rockefellers, den Gründer der US-Zentralbank FED Paul Warburg sowie die JP Morgan Bank … Anschließend lebte er für ein Jahr in Italien und versorgte das diktatorische Regime des italienischen Staatsführers Benito Mussolini mit Krediten. Hauptaufgabe zu dieser Zeit war die Vergabe von umfangreichen Krediten an die Regierungen in Deutschland und Italien, bei der er in Verbindung mit deren faschistischen Führern stand. Neben Morgan und Rockefeller finanzierten DuPont, General Motors, IBM und Ford diese Länder …“ Ein kleiner Nebenpunkt: John McCloys Frau war „die Deutsch-Amerikanerin Ellen Zinsser, eine Cousine von Konrad Adenauers Ehefrau Auguste Adenauer, geborene Zinsser.“ Wie praktisch, ein Mann, der im Auftrag von US-Konzernen die Nazis finanziert hat, wird Hohekommissar in Deutschland. So kannte er wenigstens schon die Leute.
Ein kleiner interessanter Einschub: Während Paul Warburg an der Gründung der FED, der US-Zentralbank, maßgeblich beteiligt war und nach anderen Positionen dort von 1921 bis 1926 Mitglied des Beraterstabs war, war sein Bruder Max Warburg „1924 in den achtköpfigen, für die Geldpolitik mitverantwortlichen Generalrat der Reichsbank berufen, dem er bis zu seiner Auflösung im Herbst 1933 angehörte.“ Er pflegte dabei enge Beziehungen zu John McCloy (ja, die Welt ist klein) und machte als Bänker der Warburg Bank, was sein Hauptberuf neben seiner Tätigkeit im Generalrat der deutschen Zentralbank war, „Geschäfte an der Wall Street mit Hilfe von Leuten wie Alan Dulles“.
Allen Welsh Dulles war auch ein sehr umtriebiger Name. „Im April 1933 trafen Dulles und Norman Davis im Auftrag des Außenministeriums mit Hitler in Berlin zusammen. Nach dem Treffen schrieb Dulles an seinen Bruder Foster und versicherte ihm, dass die Bedingungen unter Hitlers Regime ‚nicht ganz so schlimm‘ seien, wie ein alarmistischer Freund behauptet hatte. … Nach einem Treffen mit dem deutschen Informationsminister Joseph Goebbels erklärte Dulles, er sei von ihm beeindruckt gewesen, und zitierte seine ‚Aufrichtigkeit und Offenheit‘ während ihres Gesprächs.“ Und weiter: „Als sich das Dritte Reich 1944 und 1945 der Niederlage näherte, arbeiteten Dulles und seine Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell mit mehreren deutschen Industriellen zusammen, um Nazi-Gelder aus Deutschland zu transferieren. Heinrich Himmler, Reichsführer der deutschen SS, begann damit, Nazi-Vermögen, einschließlich des von jüdischen Holocaust-Opfern gestohlenen, in andere Länder zu transferieren, um ein Nachkriegs-‚Viertes Reich‘ zu unterstützen. Brigadeführer Kurt Baron von Schröder, der mit Himmler bei seinem Plan zusammenarbeitete, war ein Geschäftspartner von Dulles. Dulles und Schröder gründeten Unternehmen, über die sie Nazi-Vermögen in andere Länder verschoben“
Allen Dulles´ älterer Bruder John Foster Dulles, US-Außenminister vom 26. Januar 1953 – 22. April 1959, hatte als Anwalt während der Nazi-Zeit von seinen juristischen Mitarbeitern in Berlin verlangt, auf der ganzen ausgehenden Post von Sullivan & Cromwells mit ‚Heil Hitler‘ zu unterzeichnen. Übrigens war John Foster Dulles der „amerikanische Generalrepräsentant des damals größten Chemiekonzerns der Welt, der I.G. Farben.“
Und nach dem Krieg? „Das US-Militär, die CIA, das FBI und andere Geheimdienste hätten nach dem Zweiten Weltkrieg ehemalige Nationalsozialisten und Kollaborateure rekrutiert. … Unter den mindestens 1000 deutschen Ex-Nazis soll auch Otto Bolschwig gewesen sein, ein enger Mitarbeiter Adolf Eichmanns, der für die Deportation der Juden zuständig war. Der SS-Offizier spionierte später für die CIA in Europa und wurde von jeglicher Strafverfolgung wegen seiner früheren Kriegsverbrechen ausgenommen.“ Dass Allen Dulles zu dieser Zeit CIA-Chef war, ist natürlich Zufall.
Doch auch die NATO war an „hervorragenden“ Offizieren interessiert. So wurde der Nazi-Offizier Hans Speidel „als General der Bundeswehr Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa bei der NATO.“ Doch was qualifizierte Hans Speidel für diesen Posten? „Der Berufssoldat war nach der Teilokkupation des Landes durch deutsche Truppen im Sommer 1940 zum Stabschef des Militärbefehlshabers in Frankreich avanciert und in dieser Funktion maßgeblich für die Exekution des deutschen Besatzungsterrors gegen die französische Zivilbevölkerung verantwortlich.“ Wie konnte Frankreichs Präsident de Gaulle bei dieser „Qualifikation“ nur damals seine vorzeitige Entlassung durchsetzen? Ein weiterer Fachmann war Adolf Heusinger, Nazi- und Bundeswehrgeneral und zuletzt Vorsitzender des NATO-Militärausschusses.
Doch auch Interpol brauchte „Profis“. So wurde der SS-Offizier Paul Dickopf nach einer Anstellung im Bundesministerium des Innern und beim Bundeskriminalamt, mit dessen Aufbau er befasst war, Chef des deutschen Interpol-Zentralbüros. Übrigens kam er mit einer Empfehlung eines Mitarbeiters von Allen Dulles (OSS – Vorgängerorganisation der CIA) nach Deutschland zurück.
Aber Gott sei Dank waren wir relativ kurz nach dem Krieg in das Friedensprojekt EU bzw. deren Vorgängerorganisation, die EWG, eingebunden. 1948 gründete man auf Initiative von Richard Coudenhove-Kalergi, immerhin erster Träger des Karlspreises 1950 und Autor des 1925 erschienenen Buches „Praktischer Idealismus“, in dem er Sätze wie „Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein.“ oder „Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse … wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen.“ verfasste, das American Committee on United Europe (ACUE; deutsch Amerikanisches Komitee für ein vereintes Europa). „Es wurde von der Ford Foundation, der Rockefeller-Stiftung und von regierungsnahen Unternehmensgruppen finanziert.“ Von Nazi-Financiers zu Geldgebern für ein geeintes Europa. Das kann man sich eigentlich nicht ausdenken. Stellvertreter des Geschäftsführers William J. Donovan war übrigens CIA-Direktor Allen Welsh Dulles. Irgendwas sagt mir dieser Name, nur erinnere ich mich momentan nicht daran. Oder will es nicht.
Doch zurück zur Gründung der EWG. Einer der auf deutscher Seite Verhandelnden war mit Dr. Walter Hallstein ein politisches Schwergewicht. „1950 brachte er es zum persönlichen Berater Konrad Adenauers und zum wichtigsten Koordinator von dessen Außenpolitik. Er zählte zu den 12 Unterzeichnern der Römischen Verträge 1957, dem Fundament der Brüsseler EU. Ein Jahr später hatte er die Ehre, der erste Präsident der ursprünglichen Inkarnation der EU-Kommission zu werden und dies auch 10 Jahre lang zu bleiben.“ Die Wahl von Dr. Walter Hallstein erfolgte sicherlich aufgrund einer immensen Erfahrung in solchen Verhandlungen: Im Mai 1938 besuchte Hitler das faschistische Italien. Dabei sollte u. a. die Basis für ein diktatorisches gemeinsames Rechtssystem in ganz Europa gelegt werden, das nach Eroberung des Kontinents in Kraft treten sollte. Dazu „wurde eine bi-nationale Kommission mit dem Namen ‚Arbeitsgemeinschaft für deutsch-italienische Rechtsbeziehungen‘ gegründet. … Vom 21. bis 25. Juni 1938 vertrat Hallstein die Nazi-Regierung bei Verhandlungen mit dem faschistischen Italien über die rechtliche Grundlage einer europaweiten Diktatur.“ Auch war die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung geplant. Übrigens fanden auch diese Verhandlungen, man glaubt es kaum, in Rom statt.
Doch Gott sei Dank sind diese Zeiten lange vergangen. Seine derzeitige Nachfolgerin Ursula von der Leyen ist doch eine echte Demokratin und hat nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun. Auch Ihre Großeltern waren keine Nazis. Das ist nur russische Propaganda. Und wie kann ein linkes Magazin nur behaupten, dass ihr Vater Ernst Albrecht, 1976 bis 1990 Ministerpräsident von Niedersachsen, „einen ausgeprägten Hang zu elitärem und braunem Gedankengut hatte.“ Frechheit, denn so was findet man doch ausschließlich bei den Rechten von der AfD. So waren die Großväter von Alice Weidel und Beatrix von Storch Nazis. Einen Nazi-Großvater findet man auch bei Ex-Rechten wie Friedrich Merz von der CDU. Doch die CDU geht noch weiter. Ihr Auslandsexperte Roderich Kiesewetter sagte in einem Interview zum Ukraine-Krieg mit der Deutschen Welle, „der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden.“ Ja, es geht wieder gegen das gelobte Land Russland. Und aus diesem Grund verlangte Verteidigungsminister Boris Pistorius in der Regierungsbefragung im Bundestag am 05.06.2024: „‚Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein‘“. Damit steht er in der Tradition von Dr. Joseph Goebbels, der das deutsche Volk in der nationalsozialistischen Wochenzeitung Das Reich vom 09.07.1944 aufforderte, „‚Kriegstüchtig wie nur je‘“ zu sein. Dies konnte er natürlich straffrei sagen im Gegensatz zu Björn Höcke, der für die Aussage „Alles für D…“, die ursprünglich von der SPD stammte und die sich die Nazis angeeignet hatten, bestraft wurde.
Doch Gott sei Dank gibt uns SPD-Politiker Sigmar Gabriel Hoffnung, der sich doch so sehr von seinem Nazi-Vater distanzierte. Zur Sicherung des Friedens wurde er Aufsichtsrat beim Rüstungshersteller Rheinmetall sowie schon vorher Nachfolger von Friedrich Merz bei der Atlantik-Brücke, einem „Verein mit dem Ziel gegründet, eine wirtschafts‑, finanz‑, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland zu schlagen.“ Deren Initiator war übrigens unser altbekannter John McCloy. Nein? Doch! Oh, so ein Zufall.
Da lobe ich mir unsere pazifistischen Grünen. Dass Gründungs- oder frühe Mitglieder der Partei wie Herbert Gruhl, August Haußleiter, Baldur Springmann, Bernhard Grzimek oder Werner Vogel direkte Nazi-Vergangenheit oder zumindest (Haußleiter) ideologische Nähe aufwiesen, sollte man doch nicht überbewerten. Denn „passte nicht vieles vom grünen Weltbild in die Weltanschauung ihrer Jugend: die Natur als geistiger Bezugspunkt, das Unbehagen an der Moderne, die Zurückweisung des Fortschritts, das Misstrauen gegen die Technik sowie der alte deutsche Wunsch nach einer Erziehungsdiktatur?“
Dass Jürgen Trittins Vater und Robert Habecks Großvater SS-Führer sowie Annalena Baerbocks Großvater „‚bedingungsloser Nationalsozialist‘“ waren, zeigt keine Überrepräsentanz von Nazi-Vorfahren bei Toppolitikern. Nein, hier gehen wir von einer Läuterung aus. Diese Politiker haben sich vielmehr einem Meer aus Pride-Flaggen wie in London 2022 verschrieben. Ähnlichkeiten zu den Flaggenparaden der Nazis sind nur zufällig. Böse Menschen könnten behaupten, die alten Nationalsozialisten haben sich in Internationalsozialisten gewandelt, deren neues Pride-Symbol Sie hier sehen:
Freuen wir uns schon auf unseren nächsten Ausflug gen Moskau!
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