Foto: Bildcollage aus Screenshots YT Dr. med. Christof Metzler, Windpocken / Gürtelrose

Wind­pocken ver­hindert, Gür­telrose befördert: Profit auf Einfalt und Ver­schweigen gebaut

Seit 2004 emp­fiehlt das Robert-Koch-Institut eine Impfung gegen Wind­pocken, die von Vari­zella-Viren ver­ur­sacht werden. Wind­pocken gelten nach wie vor als Kin­der­krankheit. 2023 erkrankten 17.836 Kinder und Erwachsene deutsch­landweit an Wind­pocken. In den meisten Fällen ist der Verlauf harmlos, redu­ziert sich auf Fieber und die bekannten Wind­pocken, eklige juckende Pocken, die nach 5 bis 10 Tagen wieder ver­schwinden. Kom­pli­ka­tionen, von Myo­kar­ditis bis Enze­pha­litis können vor allem bei Erwach­senen ein­treten, sind aber – wie heißt es so schön: sehr selten.

Weniger selten ist die Gür­telrose, ein Aus­schlag, der den Wind­pocken sehr ähnlich, aber schmerz­hafter und mit der Gefahr lang­an­hal­tender Schmerzen ver­bunden ist. Zuweilen ist auch das Gesicht, sind Auge oder Innenohr vom Aus­bruch des Vari­zella-Virus betroffen, wobei Herpes Zoster oph­thal­micus Horn­haut­schäden am Auge ver­ur­sachen kann, die im schlimmsten Fall zur Erblindung führen, während Herpes Zoster oticus mit Hör­verlust oder Gleich­ge­wichts­stö­rungen ein­hergeht. Abge­rundet wird das ganze durch Gesicht­spa­resen, also Läh­mungen, die das Gesicht in mehr oder minder großem Umfang stilllegen.

Im Gegensatz zu Wind­pocken ist Gür­telrose eine Erkrankung, die vor­nehmlich ältere Men­schen heim­sucht, rund 400.000 pro Jahr sind es nach Schät­zungen des Robert-Koch-Instituts.

Das ver­bin­dende Glied zwi­schen Wind­pocken und Gür­telrose ist das Vari­zella-Virus. Es ver­ur­sacht beide Erkran­kungen und hat die Fähigkeit, sich nach einer Wind­pocken-Infektion oder Impfung über Jahr­zehnte in den Ner­ven­zellen des Körpers, ins­be­sondere in den Gan­glien des Ner­ven­systems, ein­zu­nisten und dort latent zu bleiben. Konkret siedelt sich das Virus vor allem in den Dor­sal­wur­zel­gan­glien (bei Spi­nal­nerven) und den Gan­glien des Tri­ge­mi­nus­nervs (im Bereich des Kopfes) an. In diesen Ner­ven­zellen bleibt das Virus inaktiv, ver­ur­sacht keine Sym­ptome, bis es durch bestimmte Aus­löser (z. B. Immun­schwäche, Stress, Alter) reak­ti­viert wird und Gür­telrose (Herpes Zoster) auslöst. Bis dahin wird Herpes Zoster mehr oder minder vom Immun­system im Schach gehalten. Erst wenn die Immu­nität der Ner­ven­zellen gegen das Virus schwächer wird, etwa durch die oben ange­ge­benen Fak­toren, bricht es als Gür­telrose aus.

Die fol­gende Abbildung stellt einen Ide­al­ty­pi­schen Verlauf der Inzidenz für beide, Wind­pocken (oben) und Gür­telrose nach Alter (unten) dar: Die Abbildung ent­stammt der Arbeit von Raf­ferty et al. (2018)

Raf­ferty, Ellen, Wade McDonald, Wei­cheng Qian, Nathaniel D. Osgood, and Alex­ander Doros­henko (2018). Eva­luation of the effect of chi­ckenpox vac­ci­nation on shingles epi­de­miology using agent-based modeling. PeerJ 6: e5012.

Raf­ferty et al. (2018) haben in ihrer Arbeit etwas ver­sucht, was es bis zu ihrem Versuch nicht gegeben hat: Die Effekte einer Beför­derung des Aus­bruchs des Vari­zella Virus als Gür­telrose (Herpes Zoster), sei sie extern (durch Stress etc.) oder durch eine nach­las­sende Immun­abwehr gegen das Vari­zella-Virus in den Ner­ven­zellen, die es beher­bergen, sowie die Effekte eines nach­las­senden Impf­schutzes gegen Wind­pocken zu schätzen und vor diesem Hin­ter­grund zu ana­ly­sieren, ob die Zuführung von Vari­zella-Viren durch eine Impfung gegen Wind­pocken dazu führt, dass die Gefahr für Gür­telrose im Alter erhöht wird. Das Modell, das Raf­ferty et al. (2018) zu diesem Zweck ent­wi­ckelt, ist ela­bo­riert und gut kali­briert und besteht aus sechs unter­schied­lichen Sze­narien, die sich in Tests als reliabel erwiesen haben und in denen die Wahr­schein­lichkeit externer oder „interner“ Booster, die das Vari­zella-Virus im Körper akti­vieren und der nach­las­sende Impf­schutz (waning) variiert werden:

Des­wei­teren berück­sich­tigen die Autoren Variablen, die eine Über­tragung des Vari­zella-Virus beein­flussen, also Kon­takt­häu­figkeit, Bevöl­ke­rungs­dichte usw., Variablen, die den Mecha­nismus beschreiben, den Vari­zella benutzt, um sich im Körper des Befal­lenen zuerst als Wind­pocken zu äußern und dann in Zellen ein­zu­nisten, Variablen, die die Impf­dichte gegen Vari­zella und die Wahr­schein­lichkeit, an Wind­pocken zu erkranken, zum Gegen­stand haben und vieles mehr. Ins­gesamt ist diese Studie eine der Studien, deren Ergebnis man als valide und vor allem reliabel erachten kann, d.h. andere Wis­sen­schaftler sind in der Lage, das­selbe Ergebnis mit den­selben Variablen zu erzielen. Es war kein Fluke.

„We cali­brated our model to the age-spe­cific inci­dence of shingles and chi­ckenpox prior to vac­ci­nation to derive optimal com­bi­na­tions of duration of boosting (DoB) and waning of immunity…“

Und das Ergebnis ist einmal mehr eines, das die schöne heile Welt der „Impfung“, die nur Gutes zur Folge hat, erschüttert, denn: Zwar können Raf­ferty et al. (2018) zeigen, dass die Inzidenz von Wind­pocken von 1.254 per 100.000 Per­so­nen­jahre auf 193 per 100.000 Per­so­nen­jahre innerhalb von 10 bis 25 Jahren redu­ziert wird. Gleich­zeitig steigt jedoch die Inzidenz von Gür­telrose nach Impfung erheblich an:

Die Daten, auf deren Grundlage die Autoren ihre Modelle berechnet haben, stammen aus Alberta, Kanada. In Alberta ist seit 2002 eine Ein­mal­dosis gegen Wind­pocken bei Erreichen des ersten Lebens­jahres mehr oder minder „Pflicht“, seit 2012 ist eine zweite Dosis, die 4 bis 6jährigen ver­passt wird, ergänzt worden. In Deutschland findet sich eine Impfung gegen Wind­pocken (zwei Dosen für Kinder ab 11 Monaten) seit 2004 im Impf­ka­lender des RKI.

Die Daten von Raf­ferty et al. erlauben nicht wirklich Aus­sagen über die gesamten 75 Jahre, die sie beob­achten, aber Aus­sagen über bis zu 50 Jahre kann man durchaus machen und für 5 von 6 Sze­narien fest­stellen, dass die Inzidenz von Gür­telrose durch oder nach Wind­po­cken­impfung im Kin­des­alter erheblich gestiegen ist, zwi­schen 41,1 bis 99,7 pro 100.000 Per­so­nen­jahren nach 10 Jahren bis 23,9 und 185,7 pro 100.000 Per­so­nen­jahren nach 50 Jahren.

Mit anderen Worten: Schutz­impfung gegen Wind­pocken redu­ziert das Auf­treten von Wind­pocken bei Kindern und erhöht das Auf­treten von Gür­telrose bei Erwach­senen und Alten. Der Teufel wird mit dem Beel­zebub ausgetrieben.

Einmal mehr besprechen wir auf Sci­ence­Files eine Studie, die nicht in das Nar­rativ passt, das von offi­zi­ellen Stellen ver­breitet wird. Die Erzählung der sicheren und effek­tiven Impf­stoffe, die nur eine kleine Zahl umfassend bekannter und ultra-sel­tener Neben­wir­kungen bei ganz wenigen Geimpften zur Folge haben, während alle anderen ein Leben in vollem Impf­schutz genießen können.

Diese ein­fältige Erzählung wird von Phar­mafia seit Jahren ver­breitet, ganz so, als könne man bei medi­zi­ni­schen Inter­ven­tionen immer genau sagen, welche Folgen sie zei­tigen werden. Zulas­sungs­be­hörden unter­stützen diesen Unfug, indem sie auf kli­nische Trials ver­weisen, in denen gezeigt worden sein soll, wie effektiv die Impf­stoffe, die sie zulassen, sind und dass es nur wenige, über­schaubare, in der Regel harmlose Neben­wir­kungen gibt.

Indes, die Rea­lität sieht voll­kommen anders aus.

Jede Handlung, jeder Ein­griff, jede Inter­vention zeitigt nicht nur die beab­sich­tigten Folgen. Sie hat auf unbe­ab­sich­tigte Folgen, die in der Regel nicht nur unbe­ab­sichtigt, sondern zum Zeit­punkt von Handlung oder Ein­griff oder Inter­vention voll­kommen unbe­kannt waren, zur Folge. Die ein­fältige Erzählung in kli­ni­schen Trials aus­ge­schlos­sener Neben­wir­kungen ist ein grobes Mittel der Täu­schung, denn nahezu alle kli­ni­schen Trials redu­zieren durch gezielte Auswahl der Teil­nehmer die Mög­lichkeit von Neben­wir­kungen und selbst wenn sie das nicht täten, wären die meisten kli­ni­schen Trials nicht einmal ansatz­weise in der Lage, die Neben­wir­kungen zu erfassen, die sich im zeit­lichen Verlauf und als Ergebnis nicht kon­trol­lierter und häufig nicht kon­trol­lier­barer, weil z.B. unbe­kannter Ein­fluss­fak­toren ein­stellen. Die Behauptung, ein Impf­stoff sei sicher und effektiv, ist eine unbe­legte und unbe­legbare Behauptung, die oft genug schon zum Zeit­punkt, zu dem sie auf­ge­stellt wird, nach­weislich falsch ist, schon weil die berechnete Effek­ti­vität auf rela­tiven Risiko-Indizes basiert, die die Wirkung so massiv über­treiben, dass sie ins Irrele­vante gesteigert ist.

Phar­mafia und Zulas­sungs­be­hörden machen sich bei ihren Täu­schungen die Hoffnung der­je­nigen, die auf Heilung warten, zunutze, Leute, die nur zu bereit sind, auf der Basis einer affek­tiven Hingabe an die erhoffte Heilung, kei­nerlei negative Effekte in Betracht zu ziehen.

Phar­mafia ist in erster Linie ein großes Geschäft. Die erfolg­reiche Ver­marktung der Pro­dukte das A und O für Umsatz, Gewinn und Rendite. Die­je­nigen, die für Umsatz, Gewinn und Rendite sorgen, werden in diesem Kalkül immer mehr zu Mitteln zu eben diesen Zwecken, Umsatz, Gewinn und Rendite. Die Erzählung, Phar­mafia gehe es mit ihren Pro­dukten um die Gesundheit „der Men­schen“, ist der nächste Aus­druck der Einfalt, durch deren Ver­breitung man heute reich werden kann.


Zuerst erschienen bei ScienceFiles.org.

 

  • Top Artikel

  • Service-Hotline:
    0179-6695802

  • Servicezeiten:
    Mo. und Do.: 10:00 - 12:00 Uhr
    Mi.: 15:00 - 18:00 Uhr