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Die Erde dreht sich schneller und lang­samer zugleich

Von den kel­ti­schen Druiden wird erzählt, dass sie ihre Kennt­nisse nur mündlich und nur an Aspi­ranten wei­ter­ge­geben haben, die über Jahr­zehnte ihre Loya­lität unter Beweis gestellt haben.

Die kel­ti­schen Druiden hatten einen Punkt.
Wenn auch nicht klar ist, welchen, denn: Die kel­ti­schen Druiden haben ihre Kennt­nisse nur mündlich wei­ter­ge­geben, und nun sind sie weg.

Dessen unge­achtet war der Tag, an dem wis­sen­schaft­liche Ergeb­nisse in die Popu­lär­presse Einzug gehalten haben, ein schwarzer Tag für die Wis­sen­schaft. Nicht, weil die Jour­na­listen, die über wis­sen­schaft­liche Ergeb­nisse berichtet haben, zu dumm gewesen wären, das zu erfassen und zu ver­mitteln, was wis­sen­schaft­liches Ergebnis und der Weg dahin waren. Nein, dass Jour­na­listen zu blöd sind, Wis­sen­schaft zu hin­ter­fragen und wis­sen­schaft­liche Ergeb­nisse dar­zu­stellen, ist ein neueres Phä­nomen, dem das „Hijacking“ der popu­lär­wis­sen­schaft­lichen Ver­breitung wis­sen­schaft­licher Ergeb­nisse in Zei­tungen, Magazin, Hörfunk- und Fern­seh­sen­dungen oder im Internet vorausging.

Der feind­lichen Über­nahme von popu­lär­wis­sen­schaft­licher Bericht­erstattung geht voraus, dass inter­es­sierte Kreise den Reiz, der von Wis­sen­schaft ausgeht, für sich nutzbar machen wollten, die Legi­ti­mation, die von „wis­sen­schaft­lichen Ergeb­nissen“ für bestimmte Hand­lungen erreicht werden kann, für sich miss­brauchen wollten, den warm glow wis­sen­schaft­licher Erkenntnis zum eigenen finan­zi­ellen Vorteil ein­setzen wollten.

Da sind wir heute: Im Infor­ma­ti­ons­fa­schismus, der inter­es­sierte Kreise, Leute, die in Regie­rungen, Par­la­menten und Kon­zernen sitzen, sowohl das, was als angeb­liches wis­sen­schaft­liches Ergebnis prä­sen­tiert wird als auch dessen Ver­breitung in Medien und Fach­jour­nalen kon­trol­lieren lässt.

Indes, der Versuch, Kon­su­menten von wis­sen­schaft­lichen Nach­richten so zu mani­pu­lieren, dass sie Nar­rative glauben, die in die Welt gesetzt werden, um den Raub an Steu­er­zahlern zu legi­ti­mieren, hat auch seine lus­tigen Seiten, etwa dann, wenn es um die Rotation der Erde geht.

Die Erde dreht sich bekanntlich im Durch­schnitt alle 23 Stunden, 56 Minuten und vier Sekunden EINMAL um die eigene Achse, was noch zu den 24 Stunden fehlt, ist Rotation um die Sonne. Dabei ist die alte Erde ziemlich ver­lässlich, was die Zeit­dauer einer Rotation um sich selbst angeht. Seit Jahr­hun­derten, oder Jahr­tau­senden oder noch länger, dreht sie sich mehr oder weniger in der­selben Zeit, mehr oder weniger deshalb, weil Ent­wicklung der Mess­me­thoden Zweifel an der Akku­ratheit der Erde, was die eigene Umdrehung angeht, hat auf­kommen lassen.

Ob es nun dem Alter oder anderen Ver­schleiß­erschei­nungen geschuldet ist: Die Erde wird immer lang­samer. Bald ist es soweit, dass wir eine Sekunde ergänzen müssen, weil die Alte sich nicht mehr recht­zeitig um die eigene Achse drehen kann.

Das Ergebnis scheint gut bestätigt, Wis­sen­schaftler von Coper­nicus, dem „Wet­ter­dienst der EU“, haben es für den Zeitraum von 1976 bis 1997 errechnet und sie liefern auch gleich den Grund mit: GLOBAL WARMING, die Men­schen und ihre CO2-Emis­sionen:

„The ten­dency of the atmo­spheric angular momentum (AAM) is inves­ti­gated using a 49-year set of monthly AAM data for the period January 1949–December 1997. This data set is con­s­tructed with zonal wind values from the reana­lyses of NCEP/NCAR, used in con­junction with a variety of ope­ra­tio­nally pro­duced AAM time series with dif­ferent inde­pendent sources and lengths over 1976–1997. In all the ana­lyzed AAM series the linear trend is found to be positive. Since the angular momentum of the atmosphere–earth system is con­served this cor­re­sponds to a net loss of angular momentum by the solid earth, the­r­efore decre­asing the Earth rotation speed and incre­asing the length of day (LOD). The AAM rise is signi­ficant to the budget of angular momentum of the global atmosphere–earth system; its value in milliseconds/century (ms/cy) is +0.56 ms/cy, cor­re­sponding to one-third of the esti­mated increase in LOD (+1.7 ms/cy).

aus:

Del Rio, R. Abarca (1999). The influence of global warming in Earth rotation speed. In Annales Geo­phy­sicae, 17(6): 806–811. Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag, 1999.

Und die Presse nimmt es auf:

Natürlich kann man, wenn es um so wichtige Dinge, wie das Ver­dienst all der Kli­ma­wan­del­pro­fi­teure geht, die Bewertung der Ver­lang­samung nicht denen über­lassen, deren Hys­terie sich als hilf­reich erwiesen hat, wenn es darum geht, ihnen Steu­er­gelder unter aber­wit­zigen Vor­wänden aus der Tasche zu ziehen:

Wie kommt es dazu?

Nun, das ganze ist einmal mehr kom­plexer als gedacht und die ein­fache Idee, dass Schmelz­wasser die Mas­sen­ver­hält­nisse zwi­schen Ozeanen und Kon­ti­nenten so aus dem Ruder schießt, dass die Rotation der Erde sich ver­langsamt, sie ist naiv in einer Weise, wie sie nur aus der Kli­ma­wan­del­fraktion kommen kann. Denn:

„New com­pi­la­tions of records of ancient and medieval eclipses in the period 720 BC to AD 1600, and of lunar occul­ta­tions of stars in AD 1600–2015, are ana­lysed to inves­tigate varia­tions in the Earth’s rate of rotation. It is found that the rate of rotation departs from uni­formity, such that the change in the length of the mean solar day (lod) increases at an average rate of +1.8 ms per century. This is signi­fi­cantly less than the rate pre­dicted on the basis of tidal friction, which is +2.3 ms per century. Besides this linear change in the lod, there are fluc­tua­tions about this trend on time scales of decades to centuries.

Ste­phenson, F. Richard, Leslie V. Mor­rison, and Catherine Y. Hohenkerk (2016). Mea­su­rement of the Earth’s rotation: 720 BC to AD 2015. Pro­cee­dings of the Royal Society A: Mathe­ma­tical, Phy­sical and Engi­neering Sci­ences 472(2196): 20160404.

Ste­phenson et al. (2016) haben die Rota­ti­ons­ge­schwin­digkeit der Erde über 2.740 Jahre ver­folgt, model­liert heißt das, und die heutige Geschwin­digkeit gegen ihre Modell­vor­hersage gerechnet. Ergebnis: In 2.740 Jahren hat die Erde pro Jahr­hundert im Durch­schnitt 1.78 Mil­li­se­kunden an Geschwin­digkeit ver­loren, 6 Stunden über den gesamten Zeitraum von etwas mehr als einer Million Tage. Indes, sie hätte viel mehr Zeit ver­lieren müssen, wenn nur die Inter­aktion zwi­schen Ozeanen und Kon­ti­nenten und deren Ein­fluss auf die Rota­ti­ons­ge­schwin­digkeit betrachtet wird.

Irgend etwas geht vor, was nicht in den Modellen erfasst ist.

Die Erde erholt sich aus der letzten Eiszeit. Der Druck der Eis­massen auf die Erd­kruste lässt nach, was in oberen Brei­ten­graden dazu führt, dass sich die Erd­kruste dehnt, während in nie­deren Brei­ten­graden eine Art Kon­traktion ein­tritt, und beides führt dazu, dass sich die Erd­ro­tation beschleunigt, gerade so sehr beschleunigt, dass die geringere Ver­lang­samung, die ins­gesamt gemessen wurde, erklärt werden kann. Kurz: Während sich die Geschwin­digkeit der Erd­um­drehung seit langem redu­ziert, sorgen lokale Effekte dafür, dass diese Ver­lang­samung nicht so langsam ausfällt …

Mit Kli­ma­wandel, den Men­schen ver­ur­sacht haben sollen, hat das alles über­haupt nichts zu tun.

Indes, was man in die eine Richtung miss­ver­stehen kann, kann man auch in die andere Richtung missverstehen:

Und so kommen wir zu dem absurden Ergebnis, dass in popu­lär­wis­sen­schaft­lichem Miss­ver­ständnis, die Erde sich gleich­zeitig schneller und lang­samer um die eigene Achse dreht.

Ein wirklich erstaun­licher Planet.

Der Artikel erschien zuerst bei ScienceFiles.org.

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