Nis Thiemeier, ein Bild von einem deutschen Jungmann, 22 Jahre alt, ist ein entschlossener, junger Mann. Blaue Augen, raspelkurzes blondes Haar, leicht stiernackig und viel Freude am Alkoholgenuss und betrunken randalierend. Dem “Abschaum” muss man zeigen, wo’s langgeht, und da darf man auch mal ordentlich zulangen. Klingt nach Jung-NPDler? Aber nein! Nicht doch!
Nis Thiemeier ist Jungsozialist und in der Partei erfolgreich. Der SPD bescheinigte er im Wahlkampf einen Mangel an Visionen. Hätte die alte Tante SPD mehr Visionen gehabt, wäre die Wahl für sie besser ausgegangen, verkündete Thiemeier selbstbewusst.
Als sich SPD-Voritzender und Kanzlerkandidat bei den Jusos artig für die Wahlkampfarbeit bedanke, freute sich der wackere Thiemeier dennoch: „Das Lob war schon ein schönes Gefühl. Es zeigt, dass im Nachhinein wahrgenommen wurde, dass junge Leute auch was reißen können. Aber es zeigt auch, dass wir ihn (Martin Schulz, Anmerk. d. Red.) nicht genug geärgert haben.“
Im „was reißen“ unter Einfluß von „Visionen“ hat das muntere Blondschöpfchen vor Kurzem sein Meisterstück geliefert. Für die Visionen sorgte eine große Menge an Alkohol, und „was gerissen“ hat er an der Frankfurter Goethe-Universität, nämlich die Türe zum Büro des „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“ aus den Angeln.
Man habe, so die unsäglich originelle Ausrede, die Festigkeit der Tür testen wollen, erzählte Nis Thiemeier. Aber, nunja, da man schon – Uppssss!! — unverhofft im Raum stand, sollte doch die Gelegenheit nicht ungenutzt vergehen, und so verwirklichte Herr Thiemeier seine Visionen, indem er das gesamte RCDS-Büro zusammen mit einem Mitvisionär restlos verwüstete. Die beiden betrunkenen Junsozialisten (Die Linke kennt keine Gewalt!) rissen Aktenordner heraus und verstreuten die Papiere im Raum. Darunter durchaus Material, das niemanden etwas angeht. Nun versteht ja unser blondes, blauäugiges Strahlebübchen unter „Ärgern“ etwas Konstruktives. Vielleicht wollte er der Hochschulgruppe damit einen Anreiz geben, Dinge neu zu ordnen, wer weiß.
Dem RCDS deuchte dies alles verwunderlich. Thiemeier habe gesagt, es sei reiner Zufall, dass er den Stabilitätstest an einer X‑beliebigen Tür vollzogen habe, und es hätte auch jede andere Tür einer anderen Hochschulgruppe sein können. Der Visionär und sein Mit-Derilierender seien aber außerstande gewesen, zu erklären, “weshalb er nach diesem völlig misslungenen ‘Stabilitäts-Check’ dennoch unser Büro betreten und es verwüstet hat” wundert sich der RCDS auf Facebook.
Und weiter lesen wir dort: „Da es sich ausgerechnet um den ehemaligen Juso-Gruppen- und stellv. AStA-Vorsitzenden handelt, der unsere Fraktion im Studierendenparlament zuletzt noch als „Abschaum“ bezeichnete und auch in der Vergangenheit stets die alles andere als kollegiale Konfrontation gesucht hat, ist für uns persönlich sämtliches Vertrauen und Glaubwürdigkeit verspielt“
Sieh an, die Toleranzfraktion ist uneins. Denn, wäre dieser Vandalismus gegen so genannte „Rechte“ gerichtet gewesen, dann hätte sich kein Mensch aufgeregt, und die Gewaltaktion wäre noch als Heldentat durch die Presse gegangen. Wahrscheinlich hätte sich auch der RCDS schwergetan, die Tat zu verdammen und sich lieber in Schweigen gehüllt.
Die Jusos haben sich derweil bei dem RCDS entschuldigt. „Beide Personen bereuen den Vorfall zutiefst“, heißt es von Seiten der JusoHochschulgruppe Frankfurt. „Sie halfen bei der Instandsetzung des Büros und werden für jegliche Schäden finanziell aufkommen.“
Dürfen wir ein Tempotaschentuch reichen? Die Zerknirschung und ungewohnte Bußfertigkeit der beiden Vandalen, und die eher doch etwas nachsichtige Reaktion des RCDS lassen die Vermutung keimen, dass die falsche Tür auf Stabilität geprüft worden sein könnte, und man eigentlich die Tür der AfD-Hochschulgruppe „Junge Alternative“ gemeint haben könnte? War das mit dem Zufall doch eher ein Versehen? Haben Herr Thiemeier und sein Kumpan am nächsten Morgen – oh, Shit! – festgestellt, das falsche Schwein geschlachtet zu haben? Wir haben eine Anfrage an die Jungen Alternativen gestellt, ob das denkbar sei, und ob im Studierendenhaus in Bockenheim die Türen auf demselben Flur liegen?
Vor dem Hintergrund des Ringens um eine Groko in Berlin ist ja eigentlich Burgfrieden in der Krähenkolonie angesagt, und das Augen aushacken vorerst beigelegt. Denn Neuwahlen könnten ja der — Gottseibeiuns! — AfD womöglich noch mehr Stimmen bescheren.
Wie dem auch sei, das Zerknirschungtheater ist aufgeführt, und abgehakt. Nis Thiemeier wird, bis auf eine Ausnahme, nicht aus seinen Funktionen entfernt. Er ist und bleibt studentischer Mitarbeiter der Frankfurter Bundestagsabgeordneten Ulli Nissen (SPD). Nissen teilte lediglich mit, Thiemeier erhalte wegen des Vorfalls eine Abmahnung. Also, im Prinzip ein energisches “Du! Du! Das tut man aber nicht!” Das war’s. “Ich erwarte von meiner Mitarbeiterschaft generell ein korrektes und faires Verhalten”, ließ Frau Nissen verlauten. Es sei gut, dass sich Thiemeier “klar zu seinem großen Fehler bekennt, sich auch direkt beim RCDS entschuldigt und deren Büro wieder mit aufgeräumt” habe. Eigentlich ist sie schon fast stolz auf ihn. So ein guter Junge.
Immerhin trat Nis Thiemeier von seiner Funktion als Landeskoordinator der Juso-Hochschulgruppen Hessen zurück.
Auch die Jusos bemühen sich um Schadensbegrenzung. Sie entschuldigten sich auf Facebook für den “äußerst bedauerlichen Vorfall”. Die beiden betrunkenen Randalierer hätten in eigener Verantwortung gehandelt “und auf keinen Fall im Sinne unserer Hochschulgruppe”.
Der RCDS ist trotzdem vergrätzt. Er zeigte die beiden Randalierer bei der Polizei an, wie ein Sprecher der Frankfurter Polizei auf Nachfrage bestätigte. Sonst leistet möglicherweise auch die Versicherung nicht. Gegen die beiden „mutmaßlichen Täter laufe nun ein Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung“, sagte der Polizei-Sprecher.
Nur einmal als Gedankenexperiment gewagt: Man stelle sich einmal vor, die “Jungen Alternativen” hätten die Tür der Juso-Hochschulgruppe eingetreten und deren Büro verwüstet. Empörung allenthalben, die Republik hätte sofort einen Engpass an Fackeln wegen all der Solidaritäts- und Trauermärsche erlitten. Herr Nis Thiemeier wird dagegen sicher einen Richter finden, der die kleine Bagatelle schnell erledigt hat.
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