SPD-Konkursverwalterin Andrea Nahles - Foto: Thomas Rodenbücher - https://www.flickr.com/photos/xtranews/4520092805 - CC BY 2.0

Eigentlich keiner Nach­richt wert: SPD zieht positive Bilanz zu 100 Tagen GroKo und lob­huldigt sich selbst

Was sind das für Zeiten, in denen der Still­stand gefeiert und die Kata­strophen bejubelt werden?: Die SPD-Vor­sit­zende Andrea Nahles hat eine positive Zwi­schen­bilanz zur Arbeit ihrer Partei in der Großen Koalition gezogen. „Seit 100 Tagen setzt die SPD den Koali­ti­ons­vertrag Schritt für Schritt um. Denn für uns ist er Auftrag und Richt­schnur“, sagte Nahles der „Welt“ (Don­ners­tags­ausgabe).
Der Vertrag ist mit „Ein neuer Auf­bruch für Europa“ über­schrieben. Die SPD erwarte, „dass alle diese Ver­ant­wortung ernst nehmen“, so Nahles. SPD-Gene­ral­se­kretär Lars Klingbeil ver­buchte die pro­eu­ro­päi­schen Beschlüsse von Meseberg auf das Konto der SPD.
Sie seien „nur mit der SPD im Finanz­mi­nis­terium möglich“, sagte er. Der stell­ver­tre­tende Par­tei­vor­sit­zende Ralf Stegner rügte mit Blick auf die Migra­ti­ons­po­litik des baye­ri­schen Regie­rungs­chefs den Koali­ti­ons­partner CSU: Aus seiner Sicht setze „Trump-Azubi Markus Söder wegen uni­ons­in­terner Macht­kämpfe Europa aufs Spiel“. Dirk Wiese, Sprecher des See­heimer Kreises, zeigte sich wie Stegner unzu­frieden mit dem Koali­ti­ons­partner: „Leider spielt die Union nicht als Mann­schaft“, sagte Wiese.
Juso-Chef Kevin Kühnert merkte an, dass manche Befürchtung über die Große Koalition ein­ge­treten sei. „Man erkennt, dass die Gemein­sam­keiten mit der Union auf­ge­braucht sind“, sagte Kühnert der Zeitung. Erschre­ckend sei für ihn besonders die „Halb­wertszeit“, die Ver­ein­ba­rungen mit der Union inzwi­schen hätten: „Kaum drei Monate, nachdem alle Par­teien den gemein­samen Koali­ti­ons­vertrag unter­schrieben haben, will die CSU etwa in der Migra­ti­ons­po­litik einen ganz anderen Kurs einschlagen.“
Die Minis­te­rinnen Fran­ziska Giffey und Katharina Barley zeigten sich über Fort­schritte bei der Sozi­al­ge­setz­gebung erfreut. Sie habe gerade das „Gute-Kita-Gesetz“ vor­gelegt, sagte Fami­li­en­mi­nis­terin Giffey. „Ich will, dass es jedes Kind in Deutschland packt – egal, ob aus armen oder reichen Eltern­häusern. Dafür sind wir gewählt worden“, so Giffey. Jus­tiz­mi­nis­terin Barley wertete die Mus­ter­fest­stel­lungs­klage, mit der Ver­braucher Unter­nehmen stell­ver­tretend für­ein­ander unbü­ro­kra­tisch auf Scha­dens­ersatz ver­klagen können, und ihr Geset­zes­paket „mit starken Rechten für Mieter“, welches ab 2019 in Kraft treten soll, als Erfolge. (Quelle: dts)
An.d.R.: Noch nie war eine Koalition so zer­stritten, haben sich die ver­ant­wort­lichen Poli­tiker der­maßen blo­ckiert. Wer hier eine positive Bilanz zieht, ver­höhnt den Bürger!
Diese Aussage scheint doch eher rea­lis­tisch zu sein:
Die deut­schen Fami­li­en­un­ter­nehmen sind unzu­frieden mit der bis­he­rigen Arbeit der Großen Koalition. Das berichtet das „Han­dels­blatt“ (Don­ners­tags­ausgabe) unter Berufung auf eine Umfrage des Ver­bandes „Die Fami­li­en­un­ter­nehmer“ zu den ersten 100 Tagen der Bun­des­re­gierung. Darin gaben die befragten Unter­neh­merder Großen Koalition im Durch­schnitt die Schulnote 4,2. Zehn Prozent bewer­teten die bis­herige Arbeit der Bun­des­re­gierung sogar mit der Note 6, 28 Prozent mit der Note 5 und 36 Prozent immerhin noch mit einer 4. An der aktuell geführten Befragung nahmen 647 Unter­nehmen teil.
„Von Auf­bruch, Dynamik und Zusam­menhalt – so wie es im Koali­ti­ons­vertrag steht – ist nach fast 100 Tagen GroKo nichts zu spüren“, kri­ti­sierte Reinhold von Eben-Worlée, Chef des Ver­bandes. „Bau­stelle Nummer eins ist und bleibt der Büro­kra­tie­abbau, besonders im Arbeits- und Steu­er­recht. Vor allem das Bun­des­ar­beits­mi­nis­terium ersinnt immer neue Infor­ma­tions- und Aus­kunfts­pflichten.“ „Die Regierung erscheint mir wie unsere Jungs beim ersten WM-Spiel: stehend k. o., ohne Spielplan“, sagte Martin Her­ren­knecht, Vor­standschef der Her­ren­knecht AG, der Zeitung.
„Deutschland braucht endlich eine belastbare Agenda 2040, mit klar gesetzten, visio­nären Zielen bei Bildung, Digi­ta­li­sierung, innerer Sicherheit, Infra­struk­tur­ausbau, ein modernes Ein­wan­de­rungs­gesetz und klare Pro­zesse bei der Inte­gration Asyl­su­chender“, for­derte er. Darauf ange­sprochen, ob die Große Koalition in den ersten 100 Tagen die rich­tigen Weichen für die Zukunfts­fä­higkeit Deutsch­lands gestellt habe, ver­neinten dies 93 Prozent der befragten Unter­nehmen. „Deutschland steht wirt­schaftlich derzeit her­vor­ragend da und hat im inter­na­tio­nalen Ver­gleich eine füh­rende Position inne. Dies wird seit einiger Zeit leicht­fertig aufs Spiel gesetzt, indem sich die Rah­men­be­din­gungen für die Wirt­schaft suk­zessive ver­schlechtern“, kri­ti­sierte Ange­lique Renkhoff-Mücke, geschäfts­füh­rende Gesell­schaf­terin des Son­nen­schutz­spe­zia­listen Warema, im „Han­dels­blatt“. So werde bei­spiels­weise die Agenda 210 Stück für Stück zurück­ge­dreht und die derzeit gute kon­junk­tu­relle und wirt­schaft­liche Lage nicht genutzt, um sich struk­turell für die anste­henden Her­aus­for­de­rungen vor dem Hin­ter­grund der Digi­ta­li­sierung und der glo­balen Unsi­cher­heiten zu rüsten, so Renkhoff-Mücke.
Die Poli­tik­wis­sen­schaft­lerin Andrea Römmele bezweifelt, dass der Riss zwi­schen CDU und CSU in der Flücht­lings­frage noch zu kitten ist. „Sollte Frau Merkel nicht mit kon­struk­tiven und hand­festen Ergeb­nissen vom EU-Gipfel zurück­kommen, sehe ich die Sache skep­tisch“, sagte Römmele dem „Mann­heimer Morgen“ (Don­ners­tags­ausgabe). Das Ver­hältnis zwi­schen der Kanz­lerin und Innen­mi­nister Horst See­hofer (CSU) bezeichnete sie als „absolut zerrüttet“.
Auf ihre Richt­li­ni­en­kom­petenz zu pochen, emp­fiehlt sie Merkel nicht. „Das wäre ein klares Zeichen von Schwäche. Das muss sie im Vorfeld, im nicht-öffent­lichen Raum, klären“, so Römmele.
Dafür gebe es den Koali­ti­ons­aus­schuss. „Aber die Keule der Richt­li­ni­en­kom­petenz zu ziehen, wäre eine öffent­liche Kriegs­er­klärung an Seehofer.“
 


Quelle: Jou­Watch