Was sind das für Zeiten, in denen der Stillstand gefeiert und die Katastrophen bejubelt werden?: Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles hat eine positive Zwischenbilanz zur Arbeit ihrer Partei in der Großen Koalition gezogen. „Seit 100 Tagen setzt die SPD den Koalitionsvertrag Schritt für Schritt um. Denn für uns ist er Auftrag und Richtschnur“, sagte Nahles der „Welt“ (Donnerstagsausgabe).
Der Vertrag ist mit „Ein neuer Aufbruch für Europa“ überschrieben. Die SPD erwarte, „dass alle diese Verantwortung ernst nehmen“, so Nahles. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verbuchte die proeuropäischen Beschlüsse von Meseberg auf das Konto der SPD.
Sie seien „nur mit der SPD im Finanzministerium möglich“, sagte er. Der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner rügte mit Blick auf die Migrationspolitik des bayerischen Regierungschefs den Koalitionspartner CSU: Aus seiner Sicht setze „Trump-Azubi Markus Söder wegen unionsinterner Machtkämpfe Europa aufs Spiel“. Dirk Wiese, Sprecher des Seeheimer Kreises, zeigte sich wie Stegner unzufrieden mit dem Koalitionspartner: „Leider spielt die Union nicht als Mannschaft“, sagte Wiese.
Juso-Chef Kevin Kühnert merkte an, dass manche Befürchtung über die Große Koalition eingetreten sei. „Man erkennt, dass die Gemeinsamkeiten mit der Union aufgebraucht sind“, sagte Kühnert der Zeitung. Erschreckend sei für ihn besonders die „Halbwertszeit“, die Vereinbarungen mit der Union inzwischen hätten: „Kaum drei Monate, nachdem alle Parteien den gemeinsamen Koalitionsvertrag unterschrieben haben, will die CSU etwa in der Migrationspolitik einen ganz anderen Kurs einschlagen.“
Die Ministerinnen Franziska Giffey und Katharina Barley zeigten sich über Fortschritte bei der Sozialgesetzgebung erfreut. Sie habe gerade das „Gute-Kita-Gesetz“ vorgelegt, sagte Familienministerin Giffey. „Ich will, dass es jedes Kind in Deutschland packt – egal, ob aus armen oder reichen Elternhäusern. Dafür sind wir gewählt worden“, so Giffey. Justizministerin Barley wertete die Musterfeststellungsklage, mit der Verbraucher Unternehmen stellvertretend füreinander unbürokratisch auf Schadensersatz verklagen können, und ihr Gesetzespaket „mit starken Rechten für Mieter“, welches ab 2019 in Kraft treten soll, als Erfolge. (Quelle: dts)
An.d.R.: Noch nie war eine Koalition so zerstritten, haben sich die verantwortlichen Politiker dermaßen blockiert. Wer hier eine positive Bilanz zieht, verhöhnt den Bürger!
Diese Aussage scheint doch eher realistisch zu sein:
Die deutschen Familienunternehmen sind unzufrieden mit der bisherigen Arbeit der Großen Koalition. Das berichtet das „Handelsblatt“ (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf eine Umfrage des Verbandes „Die Familienunternehmer“ zu den ersten 100 Tagen der Bundesregierung. Darin gaben die befragten Unternehmerder Großen Koalition im Durchschnitt die Schulnote 4,2. Zehn Prozent bewerteten die bisherige Arbeit der Bundesregierung sogar mit der Note 6, 28 Prozent mit der Note 5 und 36 Prozent immerhin noch mit einer 4. An der aktuell geführten Befragung nahmen 647 Unternehmen teil.
„Von Aufbruch, Dynamik und Zusammenhalt – so wie es im Koalitionsvertrag steht – ist nach fast 100 Tagen GroKo nichts zu spüren“, kritisierte Reinhold von Eben-Worlée, Chef des Verbandes. „Baustelle Nummer eins ist und bleibt der Bürokratieabbau, besonders im Arbeits- und Steuerrecht. Vor allem das Bundesarbeitsministerium ersinnt immer neue Informations- und Auskunftspflichten.“ „Die Regierung erscheint mir wie unsere Jungs beim ersten WM-Spiel: stehend k. o., ohne Spielplan“, sagte Martin Herrenknecht, Vorstandschef der Herrenknecht AG, der Zeitung.
„Deutschland braucht endlich eine belastbare Agenda 2040, mit klar gesetzten, visionären Zielen bei Bildung, Digitalisierung, innerer Sicherheit, Infrastrukturausbau, ein modernes Einwanderungsgesetz und klare Prozesse bei der Integration Asylsuchender“, forderte er. Darauf angesprochen, ob die Große Koalition in den ersten 100 Tagen die richtigen Weichen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands gestellt habe, verneinten dies 93 Prozent der befragten Unternehmen. „Deutschland steht wirtschaftlich derzeit hervorragend da und hat im internationalen Vergleich eine führende Position inne. Dies wird seit einiger Zeit leichtfertig aufs Spiel gesetzt, indem sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sukzessive verschlechtern“, kritisierte Angelique Renkhoff-Mücke, geschäftsführende Gesellschafterin des Sonnenschutzspezialisten Warema, im „Handelsblatt“. So werde beispielsweise die Agenda 210 Stück für Stück zurückgedreht und die derzeit gute konjunkturelle und wirtschaftliche Lage nicht genutzt, um sich strukturell für die anstehenden Herausforderungen vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der globalen Unsicherheiten zu rüsten, so Renkhoff-Mücke.
Die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele bezweifelt, dass der Riss zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingsfrage noch zu kitten ist. „Sollte Frau Merkel nicht mit konstruktiven und handfesten Ergebnissen vom EU-Gipfel zurückkommen, sehe ich die Sache skeptisch“, sagte Römmele dem „Mannheimer Morgen“ (Donnerstagsausgabe). Das Verhältnis zwischen der Kanzlerin und Innenminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete sie als „absolut zerrüttet“.
Auf ihre Richtlinienkompetenz zu pochen, empfiehlt sie Merkel nicht. „Das wäre ein klares Zeichen von Schwäche. Das muss sie im Vorfeld, im nicht-öffentlichen Raum, klären“, so Römmele.
Dafür gebe es den Koalitionsausschuss. „Aber die Keule der Richtlinienkompetenz zu ziehen, wäre eine öffentliche Kriegserklärung an Seehofer.“
Quelle: JouWatch