Innere Sicherheit: Mes­ser­verbot für Trach­ten­verein in Bayern

Eine Gabel mit zwei Zinken und ein Brot­zeit­messer mit einer Klinge von etwa zehn Zen­ti­metern Länge gehören seit jeher zur Aus­stattung der Amper­taler Tracht. Im Rahmen der Sicher­heits­vor­keh­rungen wurde jedoch dem Trach­ten­verein “D´ Amper­taler”, wie schon im letzten Jahr, das Mit­führen des kunstvoll gestal­teten Bestecks beim Umzug vor dem Dachauer Volksfest und auf dem Fest­platz ver­boten. Über blinde Gleich­ma­cherei. Der Kommentar.
Von Max Erdinger

Foto: Screenshot/Youtube

Die Griffe der Messer sind oft mit frommen Sprüchen ver­ziert, wie etwa dem hier: “Dem Herrn sei für Speis und Trank, für alles Gute Lob und Dank”. In über hundert Jahren ist auf dem Dachauer Volksfest noch nie jemand mit einem Amper­taler Trach­ten­messer erstochen worden. Denoch hat die Stadt Dachau im Rahmen ihres “Sicher­heits­kon­zepts” für das Volksfest das Mit­führen des Amper­taler Trach­ten­de­tails erneut ver­boten. Einige Mit­glieder des Trach­ten­vereins haben deshalb aus Protest nicht mehr am Fest­umzug teil­ge­nommen. In einer Rundmail des Ver­eins­vor­sit­zenden an die etwa 450 Mit­glieder war darauf hin­ge­wiesen worden, daß mit­ge­führte Trach­ten­messer von Polizei und Sicher­heits­per­sonal kon­fis­ziert werden würden.
Freilich hat es seit dem Ende des Ersten Welt­krieges immer wieder mal Tote auf dem Volksfest gegeben. Die meisten haben im Streit einen Maßkrug über den Schädel gezogen bekommen. Maß­krüge sind aber wei­terhin erlaubt. Der Wahnsinn hat Methode.
Zwar wird niemand unter­stellen, daß die Amper­taler mit ihren volks­tüm­lichen Brot­zeit­messern damit begonnen hätten,  andere Volks­fest­be­sucher zu ermorden, aber es gibt natürlich seit einiger Zeit ver­mehrt Mit­bürger von weit außerhalb des Amper­tales, die weit weniger zim­perlich sind, was den Umgang mit Messern ganz all­gemein betrifft. Die dürfen nicht mehr von den Alt­ein­ge­ses­senen unter­schieden werden, weil die Unter­scheidung nämlich Dis­kri­mi­nierung wäre. Es gilt: Vor dem Sicher­heits­be­auf­tragten sind alle “die Men­schen” gleich. Und nicht nur vor dem. Daß es evident anders ist, will man nicht wahr­haben, obwohl es z.B. jeder merken kann, der  mit der S‑Bahn nach Dachau fährt. Dort gibt es nämlich solche und solche Schwarzfahrer.
Der Schwarz­fahrer, der schon rein optisch aus­sieht wie ein Schwarz­fahrer und evtl. ein Messer ein­stecken haben könnte, das kein Trach­ten­messer ist, wird bei der Fahr­schein­kon­trolle ganz anders behandelt als der Amper­taler Trachtler, der zwar einen Fahr­schein hat, aber kein Trach­ten­messer mit sich führt. Ers­terer darf fol­genlos Schwarz­fahrer bleiben, weil er schon gar nicht kon­trol­liert wird; Zwei­terer wird auf jeden Fall kon­trol­liert und müsste ein erhöhtes Beför­de­rungs­entgelt ent­richten, sollte er zum Schwarz­fahrer geworden sein.
So sieht es also aus in einem Land, in dem alle Men­schen Zwangs­brüder werden — und die Schwes­ter­lichkeit mit der Brü­der­lichkeit gleich­ge­stellt wurde von den linken Gebrüdern und Geschwestern. Daß es in Dachau keinen grö­ßeren Auf­stand gegeben hat, sondern nur miß­mu­tiges Gemurre, liegt an der Vokabel “Sicherheit”. Wenn man dem Deut­schen erzählt, daß man ihm zur Sicherheit die Hand abhacken muß, damit er sich kein Trach­ten­messer ein­stecken kann, schaltet sein Gehirn um auf ein Not­lauf­pro­gramm zur Auf­recht­erhaltung der absolut uner­läß­lichen Vital­funk­tionen, er setzt sich ein Fahr­rad­helmchen auf und seufzt: “Na, wenn´s der Sicherheit dient”, — und beißt die Zähne zusammen. Schließlich hat er ein Ver­ant­wor­tungs­be­wußtsein. Sicherheit schlägt im Lande des Bau­spar­ver­trages und der Lebens­ver­si­cherung einfach alles.
Um zuletzt noch einen alten ´68er-Spruch zu zitieren: “Wer sich nicht wehrt, der lebt ver­kehrt.” Umkehr­schluß: Wer ver­kehrt lebt, der wehrt sich auch nicht. Der Trach­ten­verein “D´Ampertaler” und die Volks­fest­be­sucher in Dachau leben ver­kehrt. Ändern müssten sie das selber, etwa, indem sie das Dachauer Volksfest geschlossen boy­kot­tieren. Das haben sie aller­dings auch dieses Jahr nicht getan. Es gilt folglich: Alles wird gemacht mit dem­je­nigen, mit dem man alles machen kann. Auf baye­risch — und umge­kehrt: “Wer ko, der ko” (Wer kann, der kann). In Dachau “ko” der Sicher­heits­aus­schuß für das Volksfest.

zuerst erschienen auf Jou­watch