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Der „Global Compact for Migration“ und die demo­gra­fische Dividende

Von Roger Letsch — Am 18.7.2018 meldete die Bun­des­re­gierung, eine Kom­mission „Gleich­wertige Lebens­ver­hält­nisse“ gebildet zu haben. Dort will man Vor­schläge erar­beiten, wie „…in Zukunft Res­sourcen und Mög­lich­keiten für alle in Deutschland lebenden Men­schen gerecht ver­teilt“ werden können. Was auf den ersten Blick nach einem Werk der Barm­her­zigkeit klingt – es kommt das Zau­berwort „gerecht“ darin vor –, ent­puppt sich in der Kon­se­quenz vor allem als neue Umver­tei­lungs­ma­schine und eine weitere Mög­lichkeit, sich in das Leben jedes ein­zelnen Bürgers ein­zu­mi­schen. Angleichen, umver­teilen, regu­lieren, steuern. Und besteuern. Denn darauf läuft es letztlich hinaus. Und so wird es kommen, dass jemand, der aus einer struk­tur­schwachen Region in eine pro­spe­rie­rende zieht, dort zur Kasse gebeten wird, um den Miss­ständen abzu­helfen, die ihn weg­trieben. Das will man offenbar so lange wei­ter­treiben, bis jede Bewegung erstirbt und es überall gleich ist. Das kann noch etwas dauern und bis auch noch das letzte Kind gut gekämmt zur Schule geht, können noch viele Haar­bürsten umver­teilt werden. Bemer­kenswert ist übrigens auch die For­mu­lierung „alle in Deutschland lebenden Men­schen“, wo es doch um ein Ost-West-Gefälle und um Bürger geht. Diesen Vorgang behalten wir im Sinn und widmen uns einem anderen Poli­tikfeld, in dem man den­selben kol­lek­ti­vis­ti­schen Geist und die Idee einer beliebig form­baren Gesell­schaft wie­der­findet. Denn vom 10.–11. Dezember 2018 wird eine UN-Kon­ferenz in Mar­ra­kesch zwei soge­nannte „Global Com­pacts“ beschließen, einen für Flucht und Ver­treibung, den anderen für Migration.
Wenigstens ist man noch so anständig, diese getrennt zu betrachten. Zum „Global Compact on Refugees“ an dieser Stelle nur so viel: Das Papier befasst sich nur mit der Arbeit des UNHCR, die aus­drücklich darin besteht, Flücht­linge, wenn deren Rückkehr nicht möglich ist, bei deren Neu­an­siedlung zu unter­stützen. Das UNRWA bleibt aus­ge­klammert und darf sich wei­terhin damit befassen, den Flücht­lings­status der paläs­ti­nen­si­schen Araber mit der Gieß­kanne über deren Nach­kommen zu ver­teilen. Ein kom­plett irrer und weltweit ein­ma­liger Zustand.
Gekommen, um zu bleiben – Global Compact for Migration (GCM)
Zu diesem zweiten, weitaus wich­ti­geren Papier ist viel geschrieben worden in den letzten Monaten. Leider auch viel Unsinn. Weder sind Quoten fest­gelegt, noch ist das Abkommen rechtlich ver­bindlich. Man muss sich aber dennoch die Frage stellen, wozu der ganze Aufwand, die vielen Tagungen, die Ver­ab­schiedung des Papiers im Juni und dann noch ein hoch­ka­rä­tiges Treffen im Dezember, wenn es doch nur um unver­bind­liche Absichts­er­klä­rungen geht, die sich wir­kungslos an den jewei­ligen Rechts­sys­temen der betei­ligten Länder brechen werden. Was ist der Zweck der Ver­ein­barung? Da ist zunächst der offi­zielle: Schutz der Migranten in allen Aspekten. Schutz vor Aus­beutung, gesund­heit­liche Betreuung, Sicherung der Migrationswege.
Das klingt toll, ist aber bereits hin­rei­chend dekla­riert in der all­ge­meinen Erklärung der Men­schen­rechte und die lokalen Gesetze haben – wie ja immer wieder betont wird – ohnehin Vorrang! Daraus ergibt sich der erste Schwach­punkt des GCM: er möchte bei­spiels­weise vor Gewalt und Ver­sklavung schützen, obgleich in nicht wenigen der Länder, die ihn unter­zeichnen werden, die Scharia gilt. Diese Wider­sprüche zwi­schen Anspruch und Wirk­lichkeit in vielen Unter­zeich­ner­staaten ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Papier. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, wer genau da mit wem am Tisch sitzt und solche Papiere aus­ar­beitet. Das sind ja nicht nur die Ver­treter Nor­wegens und der Schweiz, die Rezepte für Käse­fondue aus­tau­schen. Die große Mehrheit der Mit­glieder der UN sind Des­poten, Put­schisten und Wahl­be­trüger – ganz zu schweigen von den meisten Ver­tretern afri­ka­ni­scher Staaten. Die Frage muss deshalb immer lauten: Cui bono – wem nützt es. Und da mit Aus­nahme der USA, Ungarns und Däne­marks offenbar alle gewillt sind, den GCM zu unter­schreiben, scheinen sich alle etwas davon zu versprechen.
Eis­hauch und Migrations-Dividende
Als ich tiefer in die ver­füg­baren Texte ein­ge­taucht war, hat sich mir ein Ein­druck ganz besonders fest ein­ge­prägt. Es ist die unge­heure Kälte, die der gesamte Text aus­strahlt. Da ist von Nach­hal­tigkeit die Rede und von Triple-Win-Situa­tionen, von Migra­ti­ons­zyklus und Migra­tions-Divi­dende. Es läuft einem eiskalt den Rücken her­unter, wenn die UN-Büro­kraten einem nach und nach ein Bild vor Augen führen, das eine per­fekte, kalte Welt der drei Ströme dar­stellt. Nach den freien Strömen von Waren und Dienst­leis­tungen soll nun ein koor­di­nierter, uti­li­ta­ri­sierter Strom von Arbeits­kräften die Kon­ti­nente durch­ziehen. Zitat (kursive Her­vor­he­bungen durch den Autor)*:
Nach­haltige Ent­wicklung: Der Global Compact ist in der Agenda 2030 für nach­haltige Ent­wicklung ver­ankert und baut auf der Erkenntnis auf, dass Migration eine mul­ti­di­men­sionale Rea­lität von großer Relevanz für die nach­haltige Ent­wicklung von Herkunfts‑, Transit- und Ziel­ländern ist […]. Migration trägt zur posi­tiven Ent­wicklung und zur Ver­wirk­li­chung der Ziele der Agenda 2030 für nach­haltige Ent­wicklung bei, ins­be­sondere wenn sie ord­nungs­gemäß ver­waltet wird. Der Global Compact zielt darauf ab, das Potenzial von Migration für die Errei­chung aller Ziele nach­hal­tiger Ent­wicklung sowie die Aus­wir­kungen auf die Migration in der Zukunft zu nutzen.“
Nachdem in der Prä­ambel zwei Behaup­tungen wie Pflöcke ein­ge­schlagen wurden, nämlich erstens „Migration hat es immer gegeben“ und zweitens „Migration ist gut“, orga­ni­siert man nun deren ordent­liche Ver­waltung und sorgt dafür, dass alle was davon haben. Für mich klingt das wie „Her­stellung“, „Transport“ und „End­ver­braucher“ und alle in dieser per­versen Ver­wer­tungs­kette sollen an einem neuen großen Heer bil­liger Wan­der­ar­beiter ver­dienen. In den „Zielen“ wird der GCM dazu noch sehr deutlich.
Mit der Umsetzung des Global Compact gewähr­leisten wir die effektive Aner­kennung, den Schutz und die Ein­haltung der Men­schen­rechte aller Migranten, unab­hängig von ihrem Migra­ti­ons­status und über alle Phasen des Migra­ti­ons­zyklus hinweg. Wir bekräf­tigen auch die Ver­pflichtung, alle Formen von Dis­kri­mi­nierung, ein­schließlich Ras­sismus, Frem­den­feind­lichkeit und Into­leranz gegenüber Migranten und ihren Familien, zu beseitigen.“
Nichts als Lip­pen­be­kennt­nisse, denn wie schon fest­ge­stellt bricht natio­nales Recht – und sei es das der Scharia – diese unver­bind­liche Erklärung. Inter­essant ist hier der Begriff „Migra­ti­ons­zyklus“, was ein wei­terer Hinweis darauf ist, dass hier ein per­ma­nentes System geschaffen werden soll.
Gesamt­staat­licher Ansatz: Nach Ansicht des Global Compact ist Migration ein mul­ti­di­men­sionale Rea­lität, die nicht von einem ein­zelnen Poli­tik­be­reich allein bewältigt werden kann. Um wirksame Migra­ti­ons­po­li­tiken und ‑prak­tiken zu ent­wi­ckeln und umzu­setzen, ist ein gesamt­staat­licher Ansatz erfor­derlich, um eine hori­zontale und ver­tikale Poli­tik­ko­härenz zwi­schen allen Sek­toren und Regie­rungs­ebenen zu gewährleisten.“
Ganz­heit­licher Ansatz: Der Global Compact fördert die Part­ner­schaft breiter Inter­es­sen­gruppen zur Bewäl­tigung der Migration in all ihren Dimen­sionen durch Ein­be­ziehung von Migranten, Dia­spora, lokalen Gemein­schaften, der Zivil­ge­sell­schaft, der Wis­sen­schaft, des Pri­vat­sektors, Par­la­men­ta­riern, Gewerk­schaften, natio­nalen Men­schen­rechts­in­sti­tu­tionen, Medien und anderen rele­vanten Akteuren der Migrationssteuerung.“
Gesamt­staatlich und ganz­heitlich – was dies bedeutet, konnten wir bereits 2016 in einem Impuls­papier von Staats­mi­nis­terin Özoguz sehen. Alle Insti­tu­tionen, Minis­terien, Firmen, Vereine, Medien, ja, selbst jeder Bürger soll auf die aktive Unter­stützung von Migration ver­pflichtet werden. Migration und Inte­gration als „gesamt­ge­sell­schaft­liche Aufgabe“ wie Steuern zahlen (das sowieso, irgendwer muss die Sache ja finan­zieren) oder Ein- und Aus­atmen. Diesmal eben nicht als SPD-Plan, sondern als pla­netare Initiative und Bestandteil der täg­lichen Daseins­für­sorge für alle und jeden. Ein feuchter Traum aus dem Reich der Fünf­jah­res­pläne und der „gesamt­ge­sell­schaft­lichen” Hau-Ruck-Auf­gaben aus dem Wir-schaffen-das-Arsenal.
Die wahren Ziele
Ich möchte meine Leser nicht mit wei­teren detail­lierten Über­set­zungen lang­weilen, ver­weise dazu inhaltlich auf einen Artikel von Norbert Häring und kon­zen­triere mich lieber auf die wirk­lichen Ziele des GCM, welche in fol­gendem Satz besonders klar hervortreten:
För­derung eines schnel­leren, siche­reren und bil­li­geren Transfers von Über­wei­sungen und schnellere finan­zielle Inklusion von Migranten.“
Das ist nämlich der Knochen, den man den Ländern hin­ge­halten hat, aus denen die Migranten sich auf den Weg machen! Schnelle finan­zielle Inklusion bedeutet ver­kürzt, schnell im Zielland ein Konto zu haben, um „billige Transfers“ von Geld in die Her­kunfts­länder zu ermög­lichen. Die „Triple-Win-Situation“ sieht dann insti­tu­tio­na­li­siert in etwa so aus. Die Her­kunfts­länder schicken Men­schen, die Tran­sit­länder kas­sieren Gebühren, die Ziel­länder sorgen für anhei­melnde Atmo­sphäre und pas­sende Arbeits­plätze, die Migranten schicken Geld nach Hause – fertig ist der Migra­ti­ons­zyklus. Nur, wie die Ziel­länder bei der­ar­tigem Kapi­tal­ab­fluss ihre Sozi­al­systeme auf­recht­erhalten sollen, zu denen die Migranten laut GCM gleich­zeitig mög­lichst unge­hin­derten Zugang erhalten müssen, wo doch zur Stützung dieser Systeme unsere Poli­tiker das ganze per­verse Migra­ti­ons­mo­nopoly über­haupt erst ver­an­stalten und befür­worten, erwähnt der GCM mit keinem Wort. Dem Tschad oder dem Sudan zum Bei­spiel würde die Öffnung ihrer Sozi­al­systeme indes nicht schwer fallen – die haben ja keine!
Dafür ver­spricht man groß­mäulig, „Brain Drain“ zu ver­meiden und den „Brain Gain“ in den Her­kunfts­ländern zu ver­bessern und nennt das dann zynisch „demo­gra­fische Divi­dende“. Das Wasser soll also gleich­zeitig bergauf und bergab fließen. Den „Brain Gain“, also die Ver­bes­serung der Bildung in den Her­kunfts­ländern, hofft man offen­sichtlich mit den­selben Mitteln zu erreichen, mit denen man schon seit fünfzig Jahren Ent­wick­lungs­hilfe in den Sand setzt. Die Men­schen fließen von Süd nach Nord, Geld von Nord nach Süd. Bis…ja bis wann eigentlich? Bis was erreicht ist? Was ist das Ziel? Die finale und end­gültige Anglei­chung der Lebens­ver­hält­nisse, wie die Kom­mission der Bun­des­re­gierung sie für Ost und West erreichen will? Den Kollaps der Sozi­al­systeme des Nordens, die Kan­ni­ba­li­sierung des Nied­rig­lohn­sektors? Muss man beim Ein­schalten einer solchen Maschine nicht jedes Ergebnis und jedes Sze­nario durchdenken?
Die absolute Harmonie
In den „Stern­ta­ge­bü­chern“ (1961!) des hell­sich­tigen Sta­nisław Lem gibt es einen Pla­neten, dessen Men­schen voller Neid und Miss­gunst waren. Über nichts wurden sie sich einig, immerzu stritten sie und führten Kriege. Schließlich bauten sie eine gigan­tische intel­li­gente Maschine, die sie mit der Her­stellung abso­luter Har­monie beauf­tragten. In Gruppen ließ die Maschine die Bewohner des Pla­neten ein­treten, um ihnen die Har­monie zu bringen…und hinter dem Gebäude lagen sie dann, gepresst zu glän­zenden, perfekt runden Scheiben in perfekt har­mo­ni­schen Mustern auf der Wiese – die denkbar per­fek­teste Har­monie ist leider auch die denkbar inhumanste.
Nicht anders verhält es sich mit den „Triple-Win-Lösung“ der UN, die weit ent­fernt von der Lebens­rea­lität der Men­schen aus­ge­heckt wurde. Einmal mehr zeigt sich, dass der Ort, an dem über das Schicksal eines Men­schen ent­schieden wird, zwingend auch der Ort sein sollte, an dem die Ver­ant­wortung für diese Ent­scheidung liegt. Man kann aber nicht einfach nach New York fliegen, ins UN-Gebäude gehen und dem ver­ant­wort­lichen Beamten das GCM-Papier um die Ohren schlagen, nur weil eines nicht mehr fernen Tages der eigene Tau­ben­züch­ter­verein für die Nicht­ein­haltung eines UN-inspi­rierten natio­nalen Migra­tions- und Inte­gra­ti­ons­zieles mit dem Verlust der Gemein­nüt­zigkeit bestraft wurde.
Das führt uns auch gleich dazu, dass der GCM keine Geset­zes­kraft habe. Er kann sie jederzeit bekommen, dazu braucht es nicht unsere Lokal­po­li­tiker oder den Bun­destag. Das kann man gut und fern vom Bürger an einem anderen Ort der Ver­ant­wor­tungs­lo­sigkeit erle­digen: in Brüssel. Denn wenn das Papier im Dezember so durch­ge­wunken wird und alle seine Inhalte „in Ordnung“ sind…warum dann nicht den nächsten Schritt gehen? An den Her­kunfts- und Tran­sit­ländern wird die Inkraft­setzung dieses neuen Stromes nicht scheitern. Das „Human­ka­pital“ (O‑Ton GCM) steht bereit und wartet auf seine Abreise! Spä­testens unter diesem Aspekt wird die Ablehnung der ost­eu­ro­päi­schen EU-Staaten, sich an einer Quo­ten­re­gelung der Migration zu betei­ligen, über­deutlich. Ebenso die Wut der Brüs­seler Büro­kratie über die reni­tenten Ost­eu­ropäer aus Polen, Ungarn oder der Slo­wakei, sich Migranten nicht wie Primeln zuweisen lassen zu wollen. Das passt so gar nicht zur schönen neuen Welt der glo­balen Migra­ti­ons­för­derer! Aber man arbeitet bei unseren Grünen ja bereits an Plänen, diese Ablehnung zu „unter­laufen”, indem man jedem Migranten einen Geld­betrag anheften möchte, um die klammen Kom­munen in Polen oder Ungarn zu bestechen. Ein Bumerang, wie ich fürchte. Denn wenn man Men­schen wie Primeln behandelt wird man sie auch wie Primeln ein­pflanzen müssen, um sie daran zu hindern, dorthin zu ziehen, wo sie ihre Freunde, Ver­wandten und bessere Bedin­gungen finden. Das kann man einem grünen Par­tei­funk­tionär, der „Europäer” und überall zu Hause ist und für den die Wurst überall nach Tofu schmeckt, kaum erklären.
Die deutsche Linke in der selbst­ge­stellten Falle
Das Ganze erscheint wie ein per­fider Plan, um einen nie abrei­ßenden Strom von bil­ligen Arbeits­kräften mit einer Art inter­na­tional über­wachten Pumpe von Süd nach Nord zu drücken. Erklär­ter­maßen will man bei der UN den Schleppern das Handwerk legen, nur um es dann selbst und unter Kon­trolle der klep­to­kra­ti­schen Her­kunfts- und Tran­sit­staaten zu orga­ni­sieren, die damit endlich zu Pro­fi­teuren ihres neuen „Export­gutes“ Migrant werden. Da meldet sich der letzte Rest meines linken Gewissens, das sich ver­stört und zäh­ne­klap­pernd in einem Hin­ter­stübchen mit ver­hängten Spiegeln, ver­ram­melten Fenstern und ver­gilbten Marx-Por­träts ver­bar­ri­ka­diert hat und spricht von Ent­rechtung, Aus­beutung und moderner Skla­verei. Doch kaum rufe ich ihm linke Parolen wie „Soli­da­rität ist die Zärt­lichkeit der Völker“ und „nieder mit dem Natio­na­lismus“ zu, schon trollt es sich beschämt und gibt Ruhe. So auch die Linken und die Grünen. Natürlich sieht man auch dort, dass eine auf diese Weise in Gang gesetzte Zuwan­derung nicht ihre Lehr­stühle für Gen­der­for­schung oder ihre Bun­des­tags­mandate gefährdet, sondern in aller­erster Linie die pre­kären und schlecht bezahlten Arbeits­plätze ihrer Cla­queure. Nicht die Villa im Tessin oder das Grün­der­zeit­häuschen im Gru­newald stehen unter Druck, sondern preis­werte Sozi­al­woh­nungen. Die staat­liche Alters­rente brö­ckelt, während der Putz auf den Pen­sionen der Abge­ord­neten golden glänzt.
Man ist bei den Linken einem dif­fusen Inter­na­tio­na­lismus ver­pflichtet, hinter den man ideo­lo­gisch einfach nicht zurück­findet. Man glaubt „nur an euro­päische Lösungen“, fordert „UN-Mandate“ und behauptet, Pro­bleme ließen sich im „natio­nalen Kontext“ nicht lösen. Merken Sie was? Links hat es dies­be­züglich schon weit über die Mitte hinaus geschafft, denn längst klingen die Laut­sprecher der Union und der FDP genauso und über­nehmen die ideo­lo­gische Sülze des bedin­gungs­losen Inter­na­tio­na­lismus. Eine Ent­scheidung in Brüssel erscheint da immer als die schönere und höhere Wolke als eine vor Ort in Hamburg oder Pusemuckel. Sub­si­dia­rität, die als oberstes Prinzip in den EU-Ver­trägen ver­ankert ist, kommt immer stärker unter die Räder. Und inter­na­tional ist natürlich noch viel viel besser, meint die inter­na­tio­na­lis­tische Linke, die seit hundert Jahren von der einen ver­einten Welt träumt, in der es keinen Kapi­ta­lismus mehr gibt und in der in UN-Kom­mission 2345/23a die Ver­treter des Tschad, Tadschi­ki­stans und Tibets über die Abwas­ser­ver­ordnung in Tötensen entscheiden.
Aus diesem Dilemma der kol­li­die­renden Para­digmen, der ange­maßten Anwalt­schaft der „kleinen Leute“ einer­seits und der Befeuerung der Kon­kur­renz­si­tuation ande­rer­seits suchen die Linken einen Ausweg. Sie glauben ihn in der Bildung gefunden zu haben, der nach­träg­lichen Qua­li­fi­kation derer, die aus ihren Jobs ver­drängt werden. Ein Wettlauf nach unten ist wegen des Min­dest­lohns nicht möglich, ein Wettlauf nach oben kann aber erst recht nicht statt­finden, weil nicht nach Belieben neue Jobs ent­stehen und die Qua­li­fi­zier­teren im Zwei­felsfall nach­legen werden, um sich nicht ver­drängen zu lassen. Was man da los­treten will, ist im Zweifel nichts als ein zeitlich sehr begrenztes Schnee­ball­system, denn binnen weniger Jahre hätten wir zwar tau­sende geeignete Kanz­ler­kan­di­daten (was ein Segen wäre), aber keine geeig­neten Pfle­ge­kräfte, Mon­teure oder Flie­sen­leger mehr. Es wird leider Jahre dauern, bis die Linken diesen Irrweg erkennen und sich einen neuen suchen – bis auf Sarah Wagen­knecht, die heute schon auf der Suche nach dem nächsten Irrtum ist.
Kein glo­bales Problem
Es stellt sich die Frage, ob Deutschland in Mar­ra­kesch unter­schreiben sollte. Von mir dazu ein klares NEIN! Aber wird Deutschland unter­schreiben? Ich fürchte, ja! Rüdiger König, ehe­ma­liger Bot­schafter Deutsch­lands in Afgha­nistan, der die Ver­hand­lungen maß­geblich begleitete und bei der Vor­be­rei­tungs­kon­ferenz im Juni eine Note an die Ver­sammlung richtete, stellt Migration als „glo­bales Problem dar“ – was eigentlich nicht sein kann, denn zuvor betonte er die Bin­sen­weisheit, Migration hätte es schon immer gegeben und sei etwas prin­zi­piell posi­tives. Ein posi­tives Problem womöglich? Unsinn!
Migration ist kein glo­bales Problem und war nie eines. Migration ist die indi­vi­duelle Ent­scheidung eines Men­schen, den Ort seines Lebens­zu­sam­men­hangs, seine Heimat, zu ver­lassen und sein Glück mög­lichst dau­erhaft anderswo zu suchen. Migration war einst, wenn man sagen konnte „etwas Bes­seres als den Tod finden wir überall“ und nach Bremen zog. Im Mit­tel­alter bedeutete Migration, der Frohn und der Leib­ei­gen­schaft zu ent­fliehen und in den Städten über Jahr und Tag (also nach einem Jahr und einem Tag) frei zu sein. Migration ist es, von Köln nach Düs­seldorf zu ziehen, eine Pro­fessur in Yale anzu­treten oder nach dem Studium in London nicht nach Kenia zurück­zu­kehren. Die Mög­lichkeit zur Migration ist Teil einer frei­heit­lichen Gesell­schaft, solange sie auf Eigen­in­itiative und Eigen­ver­ant­wortung beruht. Tritt Migration als Mas­sen­phä­nomen auf, stimmt etwas grund­sätzlich im Her­kunftsland nicht und deshalb sollte man auch dort ansetzen, anstatt ihr den Cha­rakter der Nor­ma­lität zu ver­passen. Wenn Migration kein Aus­nah­me­zu­stand, sondern Nor­ma­lität ist, zer­reißt sie Her­kunfts- und Zielland!
Wenn aus der Migration des einen noch dazu eine zwin­gende Ver­pflichtung des anderen ent­steht, ist die Freiheit beider in Gefahr. Staaten, die durch Kor­ruption, ideo­lo­gische Ver­blendung, Tri­ba­lismus, klep­to­kra­tische Regie­rungen, man­gelnde Bildung und Über­be­völ­kerung zu spru­delnden Migra­ti­ons­quellen werden, sollte man für dieses Ver­halten nicht noch mit der Insti­tu­tio­na­li­sierung des selbst­ge­machten Men­schen­handels belohnen, sondern unter Zwangs­ver­waltung stellen! Inter­na­tionale Orga­ni­sa­tionen, die sich anmaßen, regelnd in die Abläufe mensch­lichen Strebens nach Glück ein­zu­greifen, sollte man in die Schranken weisen, statt ihnen Gruß­bot­schaften und Geld zu schicken.
Der pan­eu­ro­päische Altru­ismus, auf den der GCM mit voller Absicht zielt, könnte sich, wenn er erst ver­festigt und in Bahnen ist, als das ent­schei­dende Momentum für den Untergang des Europas erweisen, das wir heute in all seiner Wider­sprüch­lichkeit und seinen bewah­rens­werten Facetten kennen. F. A. Hayek schrieb einst in „Die Ver­fassung der Freiheit“: „Ein all­ge­meiner Altru­ismus ist aber sinnlos. Niemand kann sich wirklich um alle anderen kümmern. Die Ver­ant­wortung, die wir über­nehmen können, müssen immer par­ti­kulär sein, sie können nur jene betreffen, von denen wir kon­krete Tat­sachen wissen und mit denen wir uns ent­weder durch Wahl oder besondere Umstände ver­bunden fühlen. Es gehört zu den fun­da­men­talen Rechten und Pflichten eines freien Men­schen, zu ent­scheiden, welche und wessen Bedürf­nisse ihm am wich­tigsten erscheinen.“
Dieses Prinzip der Mensch­lichkeit, auch Nächs­ten­liebe genannt, taugt seit Men­schen­ge­denken zur Defi­nition gesell­schaft­licher Bezie­hungen zwi­schen Indi­viduen, eine Blau­pause für inter­na­tionale Bezie­hungen ist es nicht. De Gaulle sagte einst, Staaten hätten keine Freunde, sondern nur Inter­essen und Hayek bringt es noch klarer auf den Punkt wenn er sagt:
Wollten wir die unver­än­derten, unein­ge­schränkten Regeln des Mikro­kosmos (Familie, Gruppe, Gemeinde) auf den Makro­kosmos (die Zivi­li­sation im Großen) anwenden, wie unsere Instinkte und Gefühle es uns oft wün­schen lassen, so würden wir ihn zer­stören. Würden wir aber umge­kehrt immer die Regeln der erwei­terten Ordnung auf unsere klei­neren Grup­pie­rungen anwenden, so würden wir diese zermalmen**.“ 
Fazit
Meine Bitte an meine Leser lautet: Glauben Sie mir kein Wort, sondern lesen und bewerten Sie den Inhalt des GCM selbst. Wenn Sie am Ende auch nur annä­hernd meiner Meinung sein sollten, schreiben Sie Ihrem Bun­destags-Abge­ord­neten und fordern Sie ihn oder sie auf, ent­spre­chenden Ein­fluss auf die Bun­des­re­gierung zu nehmen. Beschränken Sie ihre Bemü­hungen auf die direkt gewählten Abge­ord­neten der Regie­rungs­par­teien, denn nur die werden erfah­rungs­gemäß den Mut haben, etwas gegen einen Main­stream des Lau­fen­lassens und der Kanz­le­rin­nen­treue zu unter­nehmen – von den Schwe­fel­buben der AfD einmal abge­sehen, die jedoch immer noch das Verdikt des Ver­bo­tenen umschwebt, was die Regie­rungs­par­teien im Zusam­menhang mit dem Trig­gerwort „Migration” eher in eine Trotz­haltung ihnen gegenüber als zur Ver­nunft bringen dürfte.
Mein Aufruf an die Ver­treter der EU, die im Dezember zur Kon­ferenz nach Mar­ra­kesch auf­brechen werden, lautet deshalb klipp und klar: Unter­schreiben Sie den Global Compact of Migration nicht, es handelt sich um ein tro­ja­ni­sches Pferd!

* Ich gebe hier im Text aus Platz­gründen nur meine Über­set­zungen des eng­li­schen Ori­ginals wieder, eine offi­zielle und voll­ständige deutsche Über­setzung gibt es anscheinend noch nicht. Wer im Ori­ginal nach­lesen möchte und die Über­setzung selbst prüfen will, sollte dies hier tun.
** (The Fatal Conceit: The Errors of Socialism. F.A. von Hayek, 1988. Deutsche Über­setzung in „F.A. von Hayeks kon­sti­tu­tio­neller Libe­ra­lismus“, Pies/Leschke, Mohr Siebeck 2003)