Prä­si­dent­schafts­wahlen in der Ukraine: Schlamm­schlacht und schmutzige Tricks in Kiew

Vor dem Hin­ter­grund der Krise in Vene­zuela und anderen aktu­ellen Themen, gerät ein Thema ins mediale Hin­ter­treffen, das wesentlich mehr Auf­merk­samkeit ver­dient hätte. Es geht um die Prä­si­dent­schafts­wahlen in der Ukraine, die am 31. März statt­finden und zu einer für euro­päische Ver­hält­nisse nie dage­we­senen Schlamm­schlacht zu werden scheinen.
(Von Thomas Röper)
Die Ukraine ist nach dem Maidan verarmt, das BIP ist um 50% ein­ge­brochen, Löhne und Gehälter um bis zu 70%. Und das obwohl alleine die EU schon elf Mil­li­arden in dem ukrai­ni­schen Fass ohne Boden ver­senkt hat, die Gelder des IWF kommen noch hinzu. Aber große Teile der Gelder ver­schwanden in dunklen Kanälen und während die Bevöl­kerung verarmt, werden die Olig­archen, allen voran der Mil­li­ardär und Prä­sident Poro­schenko, immer reicher.
Ich habe vor einigen Tagen schon in einem Artikel die Kan­di­daten vor­ge­stellt, daher sei hier nur gesagt, dass es derzeit so aus­sieht, als ob drei Spit­zen­reiter das Rennen unter sich aus­machen. Derzeit führt der Comedian Selenski mit etwas über 20% vor der Olig­archin und ehe­ma­ligen Pre­mier­mi­nis­terin Julia Timo­schenko und dem Olig­archen und der­zei­tigem Prä­si­denten Petr Poro­schenko, die beide in den Umfragen zwi­schen 16 und 18% liegen. Es ist also sehr eng. Das ver­wundert insofern, weil Poro­schenko noch vor kurzem abge­schlagen unter 10% lag und die Men­schen in der Ukraine in der Tat wenig Grund haben, mit seiner Arbeit zufrieden zu sein. Und dass ein Komiker derzeit Spit­zen­reiter in den Umfragen ist, macht deutlich, dass die Men­schen von ihrer poli­ti­schen Klasse nicht son­derlich viel halten.
Poro­schenko hat nun einige Kniffe ange­wandt, um seine Wahl­chancen zu ver­bessern. Als erstes unter­sagte er den diplo­ma­ti­schen Ver­tre­tungen in Russland, Wahl­lokale zu eröffnen. Die Ukrainer, die in Russland leben – und das sind ca. 4 Mil­lionen, als ca. 10% der Bevöl­kerung des Landes – sind damit von der Wahl aus­ge­schlossen. Diese Ukrainer haben auch früher schon kaum an Wahlen teil­ge­nommen, aber die Ukrainer in Russland sind sicherlich keine Unter­stützer von Poro­schenko, denn es handelt sich zu einem großen Teil um Flücht­linge aus dem Kriegs­gebiet im Osten des Landes. Sie hätten auch in die west­liche Ukraine fliehen können, was einige auch getan haben. Dass sie aber statt­dessen nach Russland geflohen sind, ist ein deut­liches Zeichen dafür, dass sie nicht zu den Unter­stützern der aktu­ellen Regierung gehören. Das Problem hat Poro­schenko schon mal gelöst, indem er die Wahl­lokale in Russland einfach geschlossen lässt.
Übrigens gilt das auch für die Krim, die die Ukraine ja nach wie vor als ukrai­ni­sches Ter­ri­torium ansieht. Zwar haben viele Bewohner der Krim die rus­sische Staats­an­ge­hö­rigkeit ange­nommen, aber Pflicht war das nicht und es gibt auch viele dort, die ihre ukrai­nische Staats­an­ge­hö­rigkeit behalten haben. Die sind eben­falls von der Wahl ausgeschlossen.
Auch in Polen leben nach Schät­zunge über eine Million Ukrainer, offi­zielle Zahlen sind nicht ver­fügbar. Dabei handelt es sich um mehr oder weniger legale Arbeits­mi­granten, die aus wirt­schaft­licher Not ihr Land ver­lassen haben. Ver­mutlich sind auch sie keine Unter­stützer Poro­schenkos. In Polen wird es vier Wahl­lokale für diese eine Million Wähler geben, bleibt abzu­warten, ob sich dort Schlangen bilden oder die Ukrainer dort frus­triert der Wahl fernbleiben.
Über­haupt wird die Wahl­be­tei­ligung inter­essant sein, früher lag sie stabil bei ca. 60%. Wenn sie nun deutlich geringer aus­fallen sollte, ist das ein wei­teres Zeichen dafür, dass die Men­schen dort den Glauben an ihre poli­tische Führung, egal von welcher Partei, ver­loren haben.
Die offi­zi­ellen Zahlen der Ukraine zur Bevöl­kerung im Land sind derzeit nicht allzu zuver­lässig. Vor kurzem las ich, dass der Brot­ver­brauch in Europa bei ca. 50 Kilo pro Perons im Jahr liegt, in der Ukraine ist es nur die Hälfte. Das düfte jedoch weniger daran liegen, dass die Ukrainer weniger Brot essen, sondern daran, dass Mil­lionen Men­schen das Land wegen Per­spek­tiv­lo­sigkeit ver­lassen haben und ihr Brot nun woanders essen, aber eben in den Sta­tis­tiken noch als in der Ukraine lebend geführt werden.
Um hier einen Witz von Volker Pispers anzu­passen: Wenn Sie in der Fuss­gän­gerzone in Kiew jemandem eine Pistole an die Schläfe halten und fragen „Wen wählst Du, Poro­schenko oder Timo­schenko?“ wird er wahr­scheinllich ant­worten „Ach, drück ab!“
Poro­schenko aber will mit aller Macht Prä­sident bleiben und das hat wahr­scheinlich ganz prak­tische Gründe: Es gibt reichlich Berichte, dass im Falle seiner Abwahl die Staats­an­wälte auf ihn los­ge­lassen werden, die gerne mal über­prüfen möchten, wie und warum sein Ver­mögen während der Prä­si­dent­schaft so gewachsen ist. Daher greift er nun zu allen Tricks. Die Aus­land­sukrainer von der Wahl aus­zu­schließen, ist nur einer. Ein wei­terer ist der Kauf von Wäh­ler­stimmen. Diesen Vorwurf machen ihm zwei seiner Kon­kur­renten: Timo­schenko hat belas­tendes Material bei der Staats­an­walt­schaft ein­ge­reicht, die auch bereits ermittelt. Auch ein anderer Kan­didat will dazu Material haben und fordert eben­falls staats­an­walt­liche Ermitt­lungen. Nach seinen Vor­würfen hat Poro­schenko zu diesem Zweck 74 Mil­lionen Dollar aus der Staats­kasse zweckentfremdet.
Ein wei­terer Trick ist, dass Poro­schenko eine Abge­ordnete aus dem Par­lament gedrängt haben soll, sich eben­falls als Kan­di­datin zu regis­trieren. Pikant dabei ist, dass sie den gleichen Namen trägt, wie seine wich­tigste Kon­kur­rentin: Julia Timo­schenko. Das kann dazu führen, dass Wähler ihr Kreuz aus Ver­sehen bei der fal­schen Julia machen, was Poro­schenko natürlich in die Karten spielt. Timo­schenko hat gefordert, diese Kan­di­datur der unbe­kannten Hin­ter­bänk­lerin zu untersagen.
Eine weitere Pro­vo­kation ist, dass die Ukraine ein Gesetz beschlossen hat, dass rus­si­schen Wahl­be­ob­achtern die Ein­reise ver­bietet. Die OSZE hatte schon in der ersten Dele­gation auch zwei Russen als Beob­achter ein­ge­plant. Dieses Verbot von Seiten der Ukraine ver­stößt gegen die Grund­sätze der OSZE, die aber nichts dagegen tun kann. Sie teilte lediglich mit, dass sie über diese Ent­scheidung der Ukraine „ent­täuscht“ ist. Nachdem Russland zunächst gefordert hatte, die Beob­achter ein­reisen zu lassen, ist der aktuelle Stand der, dass Russland keine Beob­achter mehr schicken möchte, weil es auf­grund der auf­ge­heizten anti-rus­si­schen Stimmung in der Ukraine um ihre Sicherheit besorgt ist.
Diese Ent­scheidung der Ukraine ist so unge­heu­erlich, dass sogar der deutsche Regie­rungs­sprecher, der der Ukraine sonst so ziemlich alles durch­gehen lässt, hier vor­sichtige Kritik äußerte: „Zur Vor­be­reitung von freien und trans­pa­renten Wahlen gehören Wahl­be­ob­achter. Das sind die Stan­dards innerhalb der OSZE und damit fällt diese Ent­scheidung aus dem Rahmen dieser Stan­dards.“ Auch Rainer Breul, Ver­treter des deut­schen Außen­mi­nis­te­riums, zeigte sich irri­tiert und teilte mit, man suche den Dialog mit der ukrai­ni­schen Führung. Selbst aus Brüssel gab es Kritik.
Nur wird das an der Ent­scheidung kaum mehr etwas ändern und wahr­scheinlich würde Russland aus Sicher­heits­gründen wohl keine Beob­achter mehr schicken, selbst wenn Kiew seine Meinung noch ändert.
Man muss die Frage stellen, wie legitim Wahlen sind, bei denen Teile der Bevöl­kerung von der Wahl aus­ge­schlossen werden und bei der mit den genannten Tricks gear­beitet wird. Man darf gespannt darauf warten, was als nächstes kommt und wie am Ende der Bericht der OSZE aus­fallen wird.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru