Eva Herman
Es ist kein Geheimnis, dass wir längst auf dem Weg in eine SinÂgleÂkultur sind. Sehen wir uns die Zahlen an: Das StaÂtisÂtische BunÂdesamt verÂöfÂfentÂlichte 2006 eine StaÂtistik, der zufolge jeder fĂĽnfte EinÂwohner DeutschÂlands allein lebt, insÂgesamt sind es 8,7 MilÂlionen Frauen und 7,1 MilÂlionen Männer. 46 Prozent der Frauen sind verÂwitwet, was bedeutet, dass 54 Prozent, also mehr als die Hälfte der allein lebenden Frauen, ledig oder geschieden ist oder in BezieÂhungen ohne gemeinsame Wohnung lebt. Ob sie gern allein leben? Ob sie etwas vermissen?
AusÂgehen kann man davon, dass die Fähigkeit zu engen BinÂdungen allÂmählich abhanÂdenÂkommt, obwohl die SehnÂsucht danach unverÂmindert groĂź ist. Das SinÂgleÂleben ist nicht so lustig und aufÂregend, wie uns manche BĂĽcher oder ZeitÂschriften weisÂmachen wollen. MilÂlionen sind auf der Suche, sonst gäbe es nicht den Boom der SinÂgleÂbörsen und Internet-Partnervermittlungen.
Die Online-PartÂnerÂagentur »Parship« verÂöfÂfentÂlichte vor kurzem eine Studie, fĂĽr die sie mit einem DĂĽsÂselÂdorfer MarktÂforÂschungsÂinÂstitut 1000 Singles interÂviewt hatte. In der UnterÂsuÂchung ging es um die Frage der KomÂproÂmissÂbeÂreitÂschaft. Das Ergebnis: Bei nahezu allen PartÂnerÂschaftsÂbeÂlangen zeigten sich die Männer komÂproÂmissÂbeÂreiter als die Frauen. Nur 36 Prozent der Frauen waren bereit, eine VerÂbindung mit einem Mann einÂzuÂgehen, der noch nie eine feste Beziehung hatte, während 63 Prozent der Männer im umgeÂkehrten Fall keine ProÂbleme damit hatten. Deutlich weniger Frauen als Männer wollten ĂĽbrigens den KinÂderÂwunsch des Partners akzepÂtieren oder dem Partner mehr Raum geben als dem Freundeskreis.
Daraus könnte man schlieĂźen, dass Frauen weit wähÂleÂriÂscher sind, was ja begrĂĽÂĂźenswert wäre. Doch viel näher liegt ein anderer Schluss: Dass sie erheblich skepÂtiÂscher geworden sind und genaue, mögÂliÂcherÂweise auch unreaÂlisÂtische VorÂstelÂlungen von einer Beziehung und den dazuÂgeÂhöÂrenden Männern haben. Das Kölner MarktÂforÂschungsÂinÂstitut »Rheingold« schreibt denn auch den Frauen eine »enorme ErwarÂtungsÂhaltung« zu.
Keine KomÂproÂmisse! Oder so wenige wie möglich! Spontan fĂĽhlte ich mich an Birgit erinnert, als ich das las, an ihren AusÂspruch, sie bleibe lieber einsam, als ZugeÂständÂnisse zu machen. Da muss man sich nicht wundern, wenn diese Frauen vielÂleicht ein Leben lang verÂgeblich auf den TraumÂpartner warten, den sie sich in Gedanken zusamÂmenÂgeÂbastelt haben.
Die wahrhaft unheilÂvolle KonÂseÂquenz des FemiÂnismus ist die FrontÂstellung, in die sich viele Frauen oft unbeÂwusst begeben haben. Der Mann erscheint als Feind, der erst einmal beweisen muss, ob er nicht doch zum Freund werden könnte. Ăśberall scheint UnterÂdrĂĽÂckung zu lauern, UnterÂwerfung, SklaÂverei. Jeder, der in einer festen Beziehung lebt, weiĂź, dass ohne VerÂhandÂlungsÂbeÂreitÂschaft und KomÂproÂmissÂbeÂreitÂschaft keine langÂjährige Bindung zu haben ist. Wer immer nur aufÂrechnet; wer darauf wartet, welches Unrecht sich als Nächstes ereignen könnte, ist von MissÂtrauen gesteuert. Keine gute Basis.
Die JourÂnaÂlisÂtinnen Angela und Juliana von GatÂterburg wenden sich deshalb in ihrem Buch “Liebe, Drama, Wahnsinn” gegen den perÂmaÂnenten VerÂdacht, den Frauen den Männern entÂgeÂgenÂbringen. Frauen seien heute »in stänÂdiger EmpöÂrungsÂbeÂreitÂschaft«, was die Fehler der Männer betrifft. Die MutÂmaÂĂźungen ĂĽber die grundÂsätzÂliche SchlechÂtigkeit der Männer sei irgendwann »ins borÂnierte VorÂurteil« und in »erstaunÂliche IntoÂleranz« umgekippt.
NatĂĽrlich wĂĽrden FemiÂnisÂtinnen in Talkshow-AufÂtritten heute jede MänÂnerÂfeindÂlichkeit weit von sich weisen. Ob das wirklich der Wahrheit entÂspricht? Als 1994 die AmeÂriÂkaÂnerin Lorena Bobbit ihrem schlaÂfenden Ehemann den Penis mit einem KĂĽchenÂmesser abtrennte, als Rache fĂĽr seine Untreue, jubelte Alice Schwarzer in ihrem Emma-Artikel »Beyond Bitch« (2/1994): »Sie hat ihren Mann entÂwaffnet.« Und folÂgerte daraus, dass von nun an Frauen das Recht zur GewaltÂtäÂtigkeit hätten: »Eine hat es getan. Der Damm ist gebrochen, Gewalt ist fĂĽr Frauen kein Tabu mehr. Es kann zurĂĽckÂgeÂschlagen werden. Oder gestochen. AmeÂriÂkaÂnische HausÂfrauen denken beim Anblick eines KĂĽchenÂmessers nicht mehr nur ans PeterÂsiÂlieÂhacken.« Dies zu komÂmenÂtieren, in neuÂtraler Haltung, gelingt mir nicht.
Schwarzers ResĂĽmee: »Es bleibt den Opfern gar nichts anderes ĂĽbrig, als selbst zu handeln. Und da muss ja FrauÂenÂfreude aufÂkommen, wenn eine zurĂĽckÂschlägt. Endlich! »FrauÂenÂfreude« – was fĂĽr ein Wort. Und ganz nebenbei wird den Männern jedes Recht auf eine zivilÂrechtÂliche Justiz abgeÂsprochen. SelbstÂjustiz ist das Gebot der Stunde, das Feuer wird eröffnet.
Dies war keine EntÂgleisung. Denn Schwarzer hatte sich auch vorher schon fĂĽr Autorinnen wie die AmeÂriÂkaÂnerin Andrea Dworkin stark gemacht, die dem FemiÂnismus zwar durchaus kriÂtisch gegenÂĂĽberÂstand, aber einen ungeÂbremsten MänÂnerhass preÂdigte. In ihrem Buch “PorÂnoÂgraphie. Männer beherrÂschen Frauen” hatte sie festÂgeÂstellt: »Terror strahlt vom Mann aus, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein LebensÂzweck.« Bei der von Schwarzer nachÂdrĂĽcklich empÂfohÂlenen Autorin findet sich auch der Satz: »Ich möchte einen Mann zu einer bluÂtigen Masse geprĂĽgelt sehen, mit einem hochÂhaÂckigen Schuh in seinen Mund gerammt wie ein Apfel in das Maul eines Schweins.«
Die verÂdeckte oder offene MänÂnerÂfeindÂlichkeit ist kein extreÂmisÂtiÂsches RandÂphäÂnomen, sondern hat sich längst ins Bewusstsein vieler Frauen geschlichen. Und auch die Männer bleiben davon nicht unbeÂrĂĽhrt. Die Autoren Paul Nathansori und Katherine K. Young warnten in ihrer UnterÂsuÂchung ĂĽber MänÂnerhass (SpreÂading MisÂandry: TeaÂching ConÂtempt for Men in Populär Culture) davor, dass Männer die negaÂtiven KliÂschees, die ihnen zugeÂsprochen werden, sie seien emoÂtiÂonskalt und gewaltÂtätig, am Ende tatÂsächlich ĂĽberÂnehmen könnten. Frei nach dem Motto: »Ist der Ruf erst ruiÂniert, lebt es sich ganz ungeniert.«
Immer wieder begegnet uns der Typ Frau, fĂĽr die das KriÂtiÂsieren, wenn nicht VerÂächtÂlichÂmachen von Männern eine Art Sport oder gar LebensÂinhalt geworden ist. Ganz gleich, ob sie als kämpÂfeÂrische Emanze, als gesittet erscheiÂnende NadelÂstreifen-ManaÂgerin oder als VeteÂranin und harmlos-lustige Talkshow-Oma des deutÂschen FemiÂnismus aufÂtritt, die in WirkÂlichkeit den gezĂĽckten Dolch unter der schwarzen Kutte trägt, stets ist es erschreÂckend, wie weit verÂbreitet und konÂseÂquent rĂĽckÂsichtslos dieses VerÂhalten ist. Frust verÂbirgt sich dahinter, manchmal auch eine reale schlechte Erfahrung. Eine RechtÂferÂtigung fĂĽr verbale Angriffe ist das alles jedoch nicht.
Die größte Gefahr liegt darin, dieses VerÂhalten in einen Topf mit der »gesunden« EmanÂziÂpation zu werfen. Mir scheint es dringend notÂwendig, die gewaltÂtäÂtigen Wurzeln dieser Haltung zu erkennen, um sie ĂĽberÂdenken zu können.
Wir sollten uns nicht damit abfinden, im KriegsÂzuÂstand zu leben. MissÂtrauen, GeringÂschätzung und Hass sind eine Quelle des Unfriedens und verÂsperren nur zu oft den Weg zur VerÂsöhnung. Mit WeibÂlichkeit haben sie auf jeden Fall gar nichts zu tun.
VerÂabÂschieden wir uns von solchem FrontÂverÂhalten. Legen wir die Waffen nieder. Wir alle sind fehlbar, Männer wie Frauen. Geben wir uns die Chance, zu lernen, zu reden, zu verÂhandeln. Die perÂfekte Beziehung gibt es nicht, genauso wenig wie den perÂfekten Mann. Aber welche Frau wĂĽrde sich schon anmaĂźen, sich selbst als fehÂlerlos zu bezeichnen?
Es ist höchste Zeit, dass wir das Gift krieÂgeÂriÂscher Gedanken aus unseren Köpfen und Herzen verÂbannen. Sonst werden wir niemals wahre Frauen und MĂĽtter, und die Männer haben genauso wenig wie wir die MögÂlichkeit, an einer Beziehung und am Vatersein zu wachsen.
Die wahren Frauen haben viele Jahre lang geschlafen und das Feld den schwarzen StreiÂteÂrinnen ĂĽberÂlassen. Doch nun bricht ihre Zeit an, die Zeit der Weiblichkeit.
Auszug aus dem BestÂseller Das Eva-Prinzip von Eva Herman, erschienen 2006
Quelle: Eva Herman