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Ist Ter­ro­rismus ein Monopol der Islamisten?

Die Fest­legung, ob es sich um Ter­ro­rismus, Auf­stände gegen Dik­ta­toren oder gar um einen “gerechten” Krieg handelt, liegt im Auge des Betrachters. Wertfrei kann man wohl sagen, dass es Ter­ro­rismus ist, wenn Zivi­listen in grö­ßerer Anzahl heim­tü­ckisch durch einen Anschlag ermordet werden. Die Moti­vation zur Tat kann das nicht rela­ti­vieren, auch keine religiöse.

Terror ganz all­gemein soll etwas bewirken. Er soll etwas ver­ändern. Er soll Gesell­schaften ver­un­si­chern, indem er eine unscharfe Angst erzeugt, derent­wegen dann Ver­än­de­rungen in den internen Regeln und der Befind­lichkeit der betrof­fenen Gesell­schaft aus­gelöst werden. Rich­teten sich in frü­heren Jahr­hun­derten erste Ter­ror­an­schläge noch intern gegen grausame Herr­schafts­systeme, so wurden in den letzten Jahr­zehnten diese Akte ver­mehrt religiös ver­brämt und inter­na­tio­na­li­siert. Terror kann aber auch Aus­druck einer hilf­losen Wut sein, der kein anderes Ventil zum Protest gegen erlit­tenes Unrecht gestattet wird. Groß­zügig bewertet kann diese Art von Terror so auch als “gerechter” Aus­druck einer asym­me­tri­schen “Ver­geltung” gesehen werden, wie jeder andere “gerechte” Krieg. Wie­derum liegt es im Auge des Betrachters, welche Defi­nition als die “Richtige” pro­pa­giert wird.

Die Bedrohung durch isla­mis­ti­schen Terror wird eher abs­trakt empfunden 

Oftmals wird die Wahr­schein­lichkeit, im Westen Opfer eines (isla­mis­ti­schen) Ter­ror­an­schlags zu werden, als ver­schwindend, als ver­nach­läs­sigbar gering bezeichnet. Sta­tis­tisch gesehen ist das die Rea­lität. Dass die Gefähr­dungslage indi­vi­duell anders emp­funden wird, ist nach­voll­ziehbar und das ist auch ein Ziel von Ter­ror­an­schlägen. Tat­sache ist, dass grob geschätzt in den letzten Jahr­zehnten keine Tausend Men­schen im Westen Ter­ror­an­schlägen zum Opfer gefallen sind, wenn man die Zer­störung des World Trade Centers in New York aus­nimmt. Das darf man tun, denn nach wie vor ist nicht gerichtsfest geklärt, wer für dieses trau­ma­tische Ereignis letztlich ver­ant­wortlich ist, das als Begründung für den “Krieg gegen den Terror” benutzt wurde und in dessen Folge diverse Kriegs­hand­lungen und Ein­schrän­kungen der indi­vi­du­ellen Frei­heiten als gerecht und not­wendig erklärt worden sind.

Unser prak­ti­sches Leben und Lebens­gefühl im Westen wird durch Ter­ro­rismus nur wenig berührt. Ja, mancher hat zwar ein mul­miges Gefühl im Bauch, wenn er bestimmte Orte oder Ver­an­stal­tungen besucht, die schon eimal von Anschlägen betroffen waren. Dennoch leiden Weih­nachts­märkte und anderes kaum unter einem dra­ma­ti­schen Besu­cher­schwund. Die Bedrohung wird eher als abs­trakt emp­funden, denn, wie gesagt, die Wahr­schein­lichkeit selbst betroffen zu sein, ist ver­schwindend gering. Wie aber muss das Lebens­gefühl sein, wenn man in einem Land lebt, über dem Drohnen kreisen und man niemals sicher sein kann, nicht jederzeit aus hei­teren Himmel von einer “Hellfire-Rakete” ins Jen­seits befördert zu werden?

Ame­ri­ka­nische Drohnen und Bomben haben viel mehr Tod und Zer­störung verursacht 

Sta­tis­tische Zahlen können nur wenig hilf­reich sein, wenn es um die Bewertung indi­vi­du­eller Befind­lich­keiten und Ängste geht. Dennoch sind sie ziel­führend, wenn all­ge­meine Ver­gleiche der Lebens­um­stände in ver­schie­denen Regionen vor­ge­nommen werden sollen. Obwohl es keine offi­zielle Sta­tistik darüber gibt, wie viele Men­schen in ara­bisch-isla­mi­schen Ländern durch ame­ri­ka­nische Drohnen oder krie­ge­rische Bom­ben­an­griffe ums Leben gekommen sind, muss deren Anzahl in mehr als einer Million gerechnet werden. Nicht nur das. Die Zer­störung der Lebens­grund­lagen in einigen ara­bi­schen Ländern durch feige Bom­bar­de­ments aus zehn Kilo­meter Höhe, gegen die sich diese Ländern nicht ansatz­weise wehren konnten, hat nicht nur Mil­lionen das Leben gekostet, sondern auch den Übrig­ge­blie­benen ein Leben in Chaos, Armut und Gewalt beschert.

Ist es zulässig, eine krie­ge­rische Handlung ohne vor­her­ge­hende Kriegs­er­klärung als ter­ro­ris­ti­schen Akt zu bezeichnen? Einen Angriff, der auf Lügen auf­gebaut ist? Einen Angriff, mit Bomben, Embargos, Sank­tionen oder der Finanz­waffe, der immer einen Wechsel der poli­ti­schen Struktur zum Ziel hat? Wie sonst sollte man das nennen, wenn unschuldige Zivi­listen dar­unter leiden und diese kei­nerlei Mög­lichkeit haben, sich dem zu ent­ziehen, es sei denn durch Flucht? Wie müssen sich Men­schen fühlen, die in Afgha­nistan eine Hochzeit feiern wollen im Bewusstsein, dass vor Kurzem alle Teil­nehmer einer solchen Freu­den­ver­an­staltung durch einen Droh­nen­an­griff kom­plett aus­ge­löscht worden sind? Ohne Vor­warnung? Im Bewusstsein, dass so etwas jederzeit wieder geschehen kann? Muss man sich da nicht “ter­ro­ri­siert” fühlen?

Ein “Eco­nomic Hitman” der US-Regierung hat gestanden, dass auf Befehl Washingtons innerhalb von drei Wochen zwei demo­kra­tisch gewählte Staats­chefs (Panama und Ecuador) umge­bracht worden sind, durch mani­pu­lierte Flug­zeug­ab­stürze, weil sie Washington den Befehl ver­weigert haben. Ist das nicht die höchste Stufe von Ter­ro­rismus, wenn unliebsame Staats­chefs in “James-Bond-Manier” einfach ermordet werden? Wie ist es zu bewerten, wenn zu Ter­ro­risten erklärte Per­sonen ohne rechts­staat­liches Ver­fahren zur Jagd und Ermordung aus­ge­schrieben werden und nach Vollzug der Mod an ihnen mit Freu­den­be­kun­dungen beklatscht wird? Hat das noch etwas mit “west­lichen Werten”, Demo­kratie oder Rechts­staat­lichkeit gemein? Ist das nicht eher bru­talster Ter­ro­rismus, aus­geübt mit dem Recht des Stärkeren?

Und ihr wagt es, uns Ter­ro­risten zu nennen?! 

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Diesen Satz durfte ein ara­bi­scher Ter­rorist schon 1994 im Hol­ly­woodfilm “True Lies” sagen, nachdem er ange­klagt hatte, dass ara­bische Frauen und Kinder von ame­ri­ka­ni­schen Flug­zeugen und Bomben mas­sen­weise umge­bracht worden sind.

Ver­gleicht man die Anzahl an Mus­limen, die während der letzten Jahr­zehnte durch christ­liche Hand, durch Bomben, die angeblich Demo­kratie bringen sollten, ums Leben gekommen sind, mit der­je­nigen von Christen, die durch isla­mis­ti­schen Terror umge­kommen sind, fällt die Bilanz ver­heerend aus. Mit einer groben Schätzung, dass pro Ter­ror­opfer im Westen etwa 1.000 Muslime ihr Leben lassen mussten, liege ich wahr­scheinlich nicht weit daneben. Vor allem dann, wenn die Toten ein­ge­rechnet werden, die nur dadurch ent­standen sind, weil will­kür­liche Embargos und Sank­tionen die lebens­not­wendige Ver­sorgung mit Medi­ka­menten und Lebens­mitteln unter­brochen haben. Ist es nicht auch eine Son­derform des Ter­ro­rismus, wenn weltweit Men­schen einfach ent­führt und ohne Prozess auf unbe­stimmte Zeit in Guan­tanamo weg­ge­sperrt werden, unter unmensch­lichen Bedingungen?

In einem meiner letzten Artikel habe ich geschrieben, dass das Böse nicht in Moskau, Peking oder Pjöngjang seine Heimat hat, sondern in Washington und London. Bezüglich Ter­ro­rismus füge ich an, dass die Städte, von denen Ter­ro­rismus in Masse ausgeht, nicht Teheran, Tri­polis, Bagdad oder Damaskus heißen, sondern eben­falls von Washington und London mit weitem Abstand über­troffen werden. Wie­derum kommt es auf den eigenen Stand­punkt an, was als Ter­ro­rismus bezeichnet wird. Terror erzeugt Gegen­terror. Ich habe Ver­ständnis für Men­schen, die einen unstill­baren Hass ent­wi­ckeln, wenn ihre Liebsten grundlos ermordet worden sind. Die keine Mög­lichkeit haben, Gerech­tigkeit oder gar Genug­tuung zu finden, indem sie ein (inter­na­tio­nales) Gericht anrufen. Die fest­stellen müssen, dass Ter­rorakte gegen sie in den Medien der west­lichen Welt nicht einmal als solche bezeichnet werden. Wenn sich der ame­ri­ka­nische Prä­sident nach der Zer­störung des Irak mit einem simplen “Mission accom­plished” von eben­diesen Medien feiern lassen darf.

Afgha­nistan, Irak, Libyen und Iran: Keines dieser Länder hat jemals einen west­lichen Staat ange­griffen, geschweige denn die USA direkt. Wie gesagt, 9/11 nehme ich hier aus, weil die Täter nicht gerichtsfest ermittelt wurden. Wie viele Umstürze, die von den USA initiiert wurden, gab es in Mittel- und Süd­amerika? Wie­viele Tote und Elend hat das ver­ur­sacht? Hat der Westen mit seinen “west­lichen Werten” jemals auch nur ansatz­weise ver­sucht, diese Ver­brechen anzu­klagen? Nein, man darf sich wirklich nicht wundern, wenn aus diesen geschun­denen Ländern der ver­zwei­felte Versuch unter­nommen wird, auf die eigene hoff­nungslose Lage mit Gegen­terror hin­zu­weisen oder gar Rache zu üben. Dass das natürlich genauso zu ver­dammen ist, muss nicht extra erwähnt werden. Aber eines muss klar sein: Die Welt wäre fried­licher, sicherer, wenn die USA auf­hörten, die Welt mit Terror zu über­ziehen, um ihren unver­dienten Luxus durch kolo­niale Aus­beutung auf­recht­zu­er­halten. Nein, Ter­ro­rismus ist kein isla­mis­ti­sches Monopol. Was von dort zurück­kommt, ist ein müder Abklatsch dessen, was sie selbst erleiden müssen.


Quelle: www.anderweltonline.de