Das Deutsche Kinderhilfswerk hat sicherlich unabsichtlich zu einer Diskussion beigetragen, die in Deutschland nicht gerne geführt wird. Wohlfahrtssicherungssysteme führen dazu, dass Fortpflanzung zu einer Spezialität genau der Bevölkerungsschichten wird, die am wenigsten Human‑, kulturelles und ökonomisches Kapital aufzuweisen haben. Kinder werden vornehmlich zum Gegenstand für diejenigen, die Kinder, ob der mit ihnen verbundenen finanziellen Nutzen, in die Welt setzen, Nutzen, die man im Rahmen von Hartz-IV zum Beispiel sehr klar und auf Euro und Cent angeben kann.
In westlichen Gesellschaften hat sich dagegen der Mythos ausgebreitet, dass mit Kindern vor allem, wenn nicht ausschließlich, ein intrinsischer Wert verbunden sei. Man bekommt die lieben Kleinen, um sich an ihnen zu erfreuen und nimmt die staatliche Bezahlung der Fortpflanzung nur widerwillig entgegen, denn natürlich hat man die eigenen Kinder nicht aus finanziellen oder sonstigen Nutzenerwägungen in die Welt gesetzt.
Charles Murray und Richard J. Herrnstein haben in ihrem Buch, „The Bell Curve“, dieses Märchen erstmals unter dem Stichwort „Down-Breeding“ diskutiert, und zwar im Hinblick auf IQ und seine Verteilung. Das ist indes nicht notwendig. Wenn man weiß, dass Kinder in Deutschland in Familien geboren werden, die kein Humankapital zur Verfügung stellen können, weil die Eltern keines haben, wenn man weiß, dass vornehmlich Hartz-IV-Empfänger Kinder in die Welt setzen, dann weiß man auch, dass diese Kinder es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf eine weiterführende Schule schaffen werden. Alle Statistiken und Studien zeigen die soziale Selektion der Schülerschaft in Deutschland. In keinem anderen Land der Erde hängt der formale Bildungsabschluss so sehr von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland.
Insofern ist „Down-Breeding“, definiert als erhöhter Anteil von Kindern, die in Familien geboren werden, in denen kein Humankapital vorhanden ist und Kinder – ob der mit ihnen verbundenen staatlichen Zahlungen – als finanzielle Assets angesehen werden, sozialer Sprengstoff.
Das Deutsche Kinderhilfswerk hat heute eine Panikmeldung herausgegeben, die da lautet: „Armutsgefährdungsquoten bei Kindern deutlich höher als bei Erwachsenen“. Die ARD, immer empathisch, wenn es darum geht, partikulare Interessen zu bedienen, berichtet treu (und doof), was man beim Deutschen Kinderhilfswerk in die Pressemeldung geschrieben hat, dass nämlich Kinder häufiger von Armut gefährdet sein sollen als Erwachsene.
Armutsgefährdung liegt gemäß der Definition des Statistischen Bundesamts, mit dessen Daten das Kinderhilfswerk gerechnet hat, dann vor, wenn eine Person „mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60% des Bundesmedians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung“ auskommen muss. Im Jahr 2017 waren das 21.920 Euro jährlich an Einkommen.
Nun haben Kinder und auch Jugendliche in der Regel kein eigenes Einkommen, was die Frage aufwirft: Was um aller Götter Willen die Leute beim Deutschen Kinderhilfswerk berechnet haben, und wie sie es berechnet haben. Diese Fragen sind den Pressemeldungs-Durchreichern bei der ARD ganz offensichtlich nicht gekommen. Wären sie ihnen gekommen, sie hätten sicherlich bemerkt, dass man sich beim Kinderhilfswerk in vollkommenes Schweigen darüber hüllt, was da wie berechnet wurde.
Also leisten wir forensische Datenarbeit ausgehend von dieser Tabelle:
Da Kinder kein Einkommen haben, müssen Ihnen die Einkommen ihrer Eltern aus dem Mikrozensus (eine 1%-Stichprobe der deutschen Bevölkerung) zugespielt worden sein, sodass man annehmen kann, die Armutsgefährdung ist auf Basis des dort angegebenen Haushaltseinkommen berechnet worden. Ist dies nicht der Fall, dann stellt sich die Frage, welches Einkommen von angenommen zwei Eltern den Kindern zugespielt wurde, das höhere oder das geringere (oder wurde ein Mittelwert aus beiden berechnet; wenn ja, warum wurde nicht gleich das Haushaltseinkommen genutzt?). Aber, wir nehmen natürlich nicht an, dass das Kinderhilfswerk in manipulativer Absicht, Daten selegiert, bleiben wir also beim Haushaltseinkommen (Es ist mehr als schlechter Stil, irgendwelche Zahlen zur Schau zu stellen, die Zahlen irgendwie zu benennen und jede Form der Nachvollziehbarkeit weitgehend auszuschließen. Das mag bei den Behinderten, die offenkundig in Redaktionen der Tagesschau sitzen und denen nicht einmal etwas Spanisch vorkommt, wenn sie eine Paella essen, funktionieren, beim Normalbürger funktioniert es nicht.).
Wenn die Tabelle auf dem Haushaltseinkommen basiert, dann folgt daraus zwingend, dass die „Einkommen“ von Kindern und Jugendlichen eine Teilmenge der Einkommen der Erwachsenen sind, denn die Erwachsenen erhalten das Einkommen, das wiederum den Kindern zugerechnet wird. Des weiteren folgt daraus zwingend, dass dasselbe Haushaltseinkommen mehrfach vorkommt.
Aus einer Familie mit zwei Erwachsenen und drei Kindern und einem Einkommen von 18.000 Euro im Jahr, werden im Datensatz des Kinderhilfswerks, ein Erwachsenenhaushalt mit 18.000 Euro und drei Kinder mit je 18.000 Euro Einkommen. Mit anderen Worten, die Spalte, die mit „Kinder und Jugendliche“ überschrieben ist, enthält für Geschwister dieselben Einkommen, was man als manipulative Mehrfachzählung auffassen kann, wenn man das will.
Wir wollen das (ausnahmsweise einmal) nicht.
Viel interessanter ist, dass die Daten in der Tabelle Aufschluss darüber geben, in welchen Bundesländern „Down-Breeding“ am weitesten verbreitet ist, in welchen Bundesländern Kinder besonders häufig in Haushalte geboren werden, die kein oder wenig Humankapital haben, die von arbeitslosen Eltern geführt werden, für die Kinder ein willkommenes finanzielles Zubrot darstellen, in das es sich zu investieren lohnt. Die Tabelle gibt nicht nur darüber Aufschluss, sie gibt auch darüber Aufschluss, in welchen Bundesländern diese Spezialisierung, operationalisiert als Kinderanzahl, am häufigsten zu finden ist.
Und in Führung liegt, wie könnte es anders sein, das sozialistische Musterländle: Bremen. Hier ist der Anteil der Kinder, die in Familien geboren werden, die aufgrund ihrer sozialen Lage sicherstellen, dass die entsprechenden Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einer Förder- oder Hauptschule mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit auf einer Realschule oder einem Gymnasium, geschweige denn einer Hochschule landen, am höchsten. Dieser Zusammenhang ist bekannt. Die OECD berichtet ihn jährlich. Die PISA-Studien zeigen ihn in regelmäßigen Abständen, und in Bremen wird sichergestellt, dass er auch bestehen bleibt.
Um zu verdeutlichen, dass alles, was wir hier beschrieben haben, auch tatsächlich der Realität entspricht, haben wir die Anteile der Haushalte, die in den Bundesländern soziale Mindestsicherung beziehen mit der Differenz der vermeintlichen Armutsgefährdung zwischen Eltern und Kindern korreliert. Das ist dabei herausgekommen:
Die Abbildung beschreibt einen fast perfekten Zusammenhang (r =.78). D.h. je höher die Differenz zwischen der vermeintlichen Armutsgefährdung von Kindern und der von Eltern, desto höher der Anteil der Hartz-IV-Bezieher in dem jeweiligen Bundesland.
In der sozialen Hierarchie sind Haushalte von Hartz-IV-Beziehern unten.
Kinder aus dem, was Pädagogen und Sozialhanseln „sozialschwache Haushalte“ nennen, haben so gut wie keine Chance auf einen Bildungsaufstieg. Sie bleiben auf der Strecke und sorgen entweder für eine „Hartz-IV-Transmission“, münden also in Arbeitslosigkeit oder sie bleiben in der für sie wohl vorgesehenen Schiene der Erwerbstätigkeit, vom Verkäufer bis zum Hilfsarbeiter im Lager.
Die Berechnungen des Kinderhilfswerks zeigen mehr oder weniger eindeutig, dass in diesen Haushalten Kinder akkumuliert werden, was letztlich nichts anderes ist, als das hier beschriebene Down-Breeding.
Wie moralisch es ist, mit Transferzahlungen sicherzustellen, dass Kinder in Lebenslagen geboren werden, die ihnen wenig Aussicht auf eine erfolgreiche Biographie lassen, ist eine andere Frage.
Quelle: sciencefiles.org
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