Die Mär des struk­tu­rellen Ras­sismus‘ bei der Polizei

Poli­zei­beamte, die exzessive Gewalt anwenden, müssen zur Rechen­schaft gezogen werden. Belege für gras­sie­rende, ras­sis­tische Vor­ur­teile gibt es jedoch nicht.

The Wall Street Journal 2. Juni 2020, „The Myth of Sys­temic Police Racism“, von Heather Mac Donald (Über­setzung und Her­vor­he­bungen von Maria Schneider mit freund­licher Geneh­migung des Man­hattan Institute, in dem Heather Mac Donald Mit­glied ist)

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George Floyds Tod in Min­nea­polis hat das Nar­rativ aus der Obama-Ära wie­der­belebt, dass Ras­sismus inte­graler Bestandteil der Straf­ver­fol­gungs­be­hörden sei. Am Freitag twit­terte Barack Obama, dass es für Mil­lionen schwarzer Ame­ri­kaner „tra­gisch, schmerzhaft, uner­träglich normal“ sei, von der Straf­justiz auf­grund der Ras­sen­zu­ge­hö­rigkeit unter­schiedlich behandelt zu werden. Obama rief die Polizei und die Öffent­lichkeit dazu auf, eine „neue Nor­ma­lität“ zu schaffen, in der Schein­hei­ligkeit nicht länger „unsere Insti­tu­tionen und unsere Herzen vergiftet“.

Joe Biden ver­öf­fent­lichte am selben Tag ein Video, in dem er unter­strich, dass alle Afro­ame­ri­kaner wegen der „schlimmen Polizei“ um ihre Sicherheit fürch­teten und ihren Kinder das Erdulden von Poli­zei­gewalt nahe­legten, damit sie es über­haupt „nach Hause schaffen“. Damit griff er Herrn Obamas Behauptung nach der heim­tü­cki­schen Ermordung von fünf Poli­zei­be­amten im Juli 2016 in Dallas auf. Während des Gedenk­got­tes­dienstes sagte der Prä­sident, dass afro­ame­ri­ka­nische Eltern zu Recht Angst davor hätten, dass ihre Kinder von Poli­zei­be­amten ermordet werden könnten, sobald sie das Haus verließen.

Der Gou­verneur von Min­nesota, Tim Walz, pran­gerte auf einer Frei­täg­lichen Pres­se­kon­ferenz den „Schand­fleck … des alles durch­drin­genden, insti­tu­tio­nellen Ras­sismus‘“ bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden an. Er behauptete, Schwarze hätten Recht, wenn sie ver­spro­chene Poli­zei­re­formen als leeres Geschwätz abtäten.

Dieser Vorwurf der sys­tem­im­ma­nenten Vor­ur­teile der Polizei war schon während Obamas Prä­si­dent­schaft falsch und ist es auch heute noch. So ent­setzlich das Video von Floyds Ver­haftung auch sein mag, ist es dennoch nicht reprä­sen­tativ für die 375 Mil­lionen jähr­lichen Kon­takte, die Poli­zei­beamte mit der Zivil­be­völ­kerung haben. Eine solide Beweislage zeigt, dass sich die Straf­justiz bei Ver­haf­tungen, Straf­ver­folgung oder Urteilen nicht von struk­turim­ma­nenten Vor­ur­teilen leiten lässt. Statt­dessen werden die meisten poli­zei­lichen Maß­nahmen wegen straf­barer Hand­lungen und ver­däch­tigen Ver­haltens ergriffen — und nicht wegen der Rassenzugehörigkeit.

Im Jahr 2019 erschossen Poli­zei­beamte 1.004 Men­schen, von denen die meisten bewaffnet oder ander­weitig gefährlich waren. Afro­ame­ri­kaner machten etwa ein Viertel der Per­sonen aus, die letztes Jahr von der Polizei getötet wurden (235) — dieses Ver­hältnis ist seit 2015 stabil geblieben. Dieser Anteil schwarzer Opfer liegt unter dem, was man von der Kri­mi­na­li­tätsrate Schwarzer erwarten würde, da der Schuss­waf­fen­ge­brauch bei der Polizei davon abhängt, wie oft Beamte auf bewaffnete und gewalt­tätige Ver­dächtige treffen.

Ent­spre­chende Daten dieser Art wurden das letzte Mal im Jahr 2018 ver­öf­fent­licht: Damals wurden 53% der bekannten Tötungs­de­likte und etwa 60% der Raub­über­fälle in den USA von Afro­ame­ri­kanern verübt, obwohl Afro­ame­ri­kaner 13% der Bevöl­kerung stellen.

Laut einer Datenbank der Washington Post hat die Polizei im Jahr 2019 neun unbe­waffnete Schwarze und 19 unbe­waffnete Weiße erschossen. Dem gegenüber stehen jeweils 38 Schwarze und 32 Weiße im Jahr 2015. Die Post defi­niert „unbe­waffnet“ sehr weit, um Fälle wie einen Ver­däch­tigen in Newark, New Jersey, mit­ein­zu­be­ziehen, der während einer Ver­fol­gungsjagd mit der Polizei eine geladene Faust­feu­er­waffe in seinem Auto hatte. Im Jahr 2018 wurden 7.407 Schwarze Opfer eines Mordes. Geht man für das letzte Jahr von einer ver­gleich­baren Opferzahl aus, so stellen die genannten neun unbe­waff­neten, schwarzen Opfer, die von der Polizei erschossen wurden, 0.1% aller 2019 getö­teten Afro­ame­ri­kaner dar. Es ist daher 18,5 Mal wahr­schein­licher, dass ein Poli­zei­be­amter von einem Schwarzen getötet wird, als dass ein unbe­waff­neter Schwarzer von einem Poli­zei­be­amten getötet wird.

Allein am Wochenende des Memorial Day2 wurden in Chicago 10 Afro­ame­ri­kaner bei soge­nannten „Drive-by-Shoo­tings“ durch Schüsse aus vor­bei­fah­renden Fahr­zeugen getötet. Die Gewalt setzte sich nach alt­be­kannter Manier fort:  Ein Schütze feuerte ungefähr ein Dutzend Schüsse in ein Wohnhaus ab und traf dabei einen 72-jäh­rigen Mann im Gesicht; ein paar Stunden davor wurden zwei 19-jährige Frauen auf der South Side in einem geparkten Auto erschossen; ein 16-jäh­riger Junge wurde am selben Tag mit seinem eigenen Messer erstochen. Letztes Wochenende feu­erten Schützen in vor­bei­fah­renden Fahr­zeugen auf 80 Chi­cagoer, 21 von ihnen starben, bei fast allen Opfern han­delte es sich um Schwarze. Dass Schwarze achtmal so häufig wie Weiße und His­panier zusam­men­ge­nommen ermordet werden, liegt nicht am Schuss­waf­fen­ge­brauch der Polizei, sondern an Straf­taten unter Gewaltanwendung.

Neueste Erkennt­nisse einer Stu­di­en­reihe, die im August 2019 in der wis­sen­schaft­lichen Fach­zeit­schrift „Pro­cee­dings of the National Academy of Sci­ences“ ver­öf­fent­licht wurden, wider­legen die Behauptung, dass Vor­ur­teile tief bei Poli­zei­be­hörden ver­wurzelt seien. Die Wis­sen­schaftler stellten fol­gendes fest: Je häu­figer Poli­zei­beamte auf gewalt­be­reite Ver­dächtige einer bestimmten Ethnie treffen, desto wahr­schein­licher wird ein Mit­glied dieser Ethnie von einem Poli­zei­be­amten erschossen. Es gibt „keinen signi­fi­kanten Hinweis darauf, dass bei Per­sonen, die von Poli­zei­be­amten tödlich getroffen werden, Schwarze über­wiegen würden,“ schluss­fol­gerten sie.

Eine vom Jus­tiz­mi­nis­terium 2015 bei der Poli­zei­be­hörde in Phil­adelphia durch­ge­führte Unter­su­chung ergab, dass weiße Poli­zei­beamte weniger dazu neigen auf unbe­waffnete, schwarze Ver­dächtige zu schießen als ihre schwarzen oder his­pa­ni­schen Kol­legen. Auch der Harvard-Wirt­schafts­wis­sen­schaftlers Roland G. Fryer Jr. konnte in seiner Unter­su­chung keine Ras­sen­dis­kri­mi­nierung beim Schuss­waf­fen­ge­brauch durch Poli­zei­beamte nach­weisen. Etwaige Gegen­be­weise berück­sich­tigen weder die Kri­mi­na­li­täts­raten noch das Ver­halten von Zivi­listen vor und während der Inter­aktion mit der Polizei.

Das falsche Nar­rativ struk­turell begrün­deter Vor­ur­teile bei der Polizei führte während Obamas Prä­si­dent­schaft zu gezielten Ermor­dungen von Poli­zei­be­amten. Womöglich wie­derholt sich nun dieses Muster. Poli­zei­beamte werden bei dem Versuch, Ver­dächtige wegen uner­laubten Waf­fen­be­sitzes fest­zu­nehmen oder die wach­senden Unruhen ein­zu­dämmen, ange­griffen und beschossen. Poli­zei­re­viere und Gerichts­ge­bäude wurden zer­stört, ohne dass irgend­jemand dafür zur Rechen­schaft gezogen wurde, was die destruktive Gewalt in der Gesell­schaft noch weiter anheizen wird. Wenn der Fer­guson-Effekt3, bei dem Poli­zei­beamte in Stadt­teilen mit Min­der­heiten auf das Durch­setzen von Recht und Ordnung ver­zichten, diesmal als Min­nea­polis-Effekt wie­der­auf­tritt, werden Tau­sende geset­zes­treuer Afro­ame­ri­kaner, die sich auf die Polizei als Schutz­macht ver­lassen, wieder einmal die Opfer sein.

Die Poli­zei­be­amten in Min­nea­polis, die George Floyd ver­haftet hatten, müssen für ihre exzessive Gewalt­an­wendung und herzlose Gleich­gül­tigkeit, die sie ange­sichts seiner Notlage gezeigt haben, zur Rechen­schaft gezogen werden. Die Poli­zei­aus­bilder müssen ihre Bemü­hungen bei der Ver­mittlung von Dees­ka­la­ti­ons­tak­tiken ver­doppeln. Dennoch sollte Floyds Tod nicht dazu führen, dass die Auto­rität der ame­ri­ka­ni­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hörden unter­graben wird, da wir uns sonst unseren Weg ins Chaos fort­setzen werden.

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Frau Mac Donald ist Fellow am Man­hattan Institute und Autorin von „The War on Cops“ (Krieg den Poli­zisten) (Encounter Books, 2016).

1 Anmerkung der Über­set­zerin (AdÜ): Die fünf Poli­zisten wurden vom afro­ame­ri­ka­ni­schen Vete­ranen Micah Xavier Johnson in einen Hin­terhalt gelockt und erschossen. Neun weitere Poli­zisten wurden ver­letzt. Als Motiv gab Johnson an, dass er „Weiße töten wolle“ weil es ihn rasend gemacht hätte, dass schwarze Männer durch die Polizei getötet worden seien.

2 AdÜ: Am letzten Mai­montag wird jährlich der gefal­lenen Sol­daten gedacht. Außerdem werden alle Uni­for­mierten (Poli­zisten, Feu­er­wehr­männer etc.) und ihre Familien gewürdigt.

3 AdÜ: Fer­guson-Effekt: Nachdem der 18-jährige Michael Brown 2014 von einem weißen Poli­zei­be­amten in Fer­guson, Mis­souri, erschossen worden war, nahm das Miss­trauen gegenüber der Polizei zu. Dies soll zu einer erhöhten Kri­mi­na­li­tätsrate in US-ame­ri­ka­ni­schen Groß­städten geführt haben, weil die Polizei — laut einer Theorie — bei bestimmten Situa­tionen aus Angst vor nega­tiven Reak­tionen (Anzeigen, Klagen etc.) weniger kon­se­quent vorgeht, als sie es nor­ma­ler­weise täte.

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Maria Schneider ist freie Autorin und Essay­istin. In ihren Essays beschreibt sie die deutsche Gesell­schaft, die sich seit der Grenz­öffnung 2015 in atem­be­rau­bendem Tempo ver­ändert. Darüber hinaus ver­fasst sie Rei­se­be­richte. 

Kontakt: Maria_Schneider@mailbox.org

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