Die Sprachpolizei schläft nicht. Das Wort „Migrationshintergrund“ sei vor 15 Jahren eingeführt worden, inzwischen habe sich die Gesellschaft aber stark geändert, sagte die Staatsministerium für Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU). Da hat sie Recht. Insbesondere ab 2015 durch die starke Zuwanderung von Migranten mit Migrationsvordergrund hat sich die Gesellschaft stark verändert. In vielen Dingen, sowohl zum Nach- als auch durchaus in einigen zum Vorteil. Nun ist wieder ein Etappenziel erreicht und man kann das nächste Ziel ansteuern: Es gibt keinen „Migrationshintergrund“ mehr.
Was haben wir schon alles an Euphemismen (schönfärberischen Bezeichnungen) erlebt. „Schwangerschaftsunterbrechung“ statt Abtreibung, als ob das Kind einfach nur mal Pause macht und nachher doch zur Welt kommen dürfte. Migration klingt natürlich unklarer als „Einwanderung“, es hat so etwas Neutrales. Und „Flüchtlinge“ hat unser Mitleid und unsere Hilfsbereitschaft geweckt, forderte eben doch eher zur Unterstützung auf als „ungeregelte Masseneinwanderung“.
„Nun sind sie eben da“, bügelte die stählerne Kanzlerin das unqualifizierte Gemaule der Bürger ab, die die Kehrseite der Einwanderung kennengelernt hatten, wie deutlich steigende Kriminalitätszahlen. Außerdem war es Zeit, den Begriff „Flüchtlinge“ und „Asyl“ in den Hintergrund zu drängen, denn darin schwingt ja so im Subtext mit, dass es sich nur um einen begrenzten Aufenthalt im Gastland handelt, bis es wieder gefahrlos ist, zurück ins Heimatland zu ziehen. Das war aber von vorneherein nicht vorgesehen. Deshalb hören wir diese Bezeichnungen auch nicht mehr. Jetzt ist der bisher unbescholtene „Migrationshintergrund“ dran.
Ich bin mit einigen Leuten gut bekannt oder befreundet, die vor vielen Jahren selbst oder mit deren Eltern als Migranten hierher gekommen sind, und die gute Mitbürger und liebenswerte Leute sind, genauso arbeiten, genauso gute Nachbarn und hilfsbereite und engagierte Mitmenschen sind wie alle anderen auch. Wen interessiert da der „Migrationshintergrund“? Das ist einfach kein Thema, weil es keins sein muss. Da braucht man keine oberlehrerhafte Dame aus dem Ministerium für Migration, die einem sagt, welche Begriffe noch erlaubt sind und welche nicht, weil nicht mehr politisch korrekt.
Die Begriffe spiegeln das Denken wieder. „Migrationshintergrund“ enthält: Derjenige ist nicht von hier, er ist aus der Fremde gekommen. Er ist anders. Was ist schlimm daran? Derjenige hat einen anderen Blick auf die Dinge – und genau das kann sehr interessant und inspirierend sein und zur Selbstreflexion anregen.
Und ja, der Blick auf die Dinge kann auch so anders sein, dass derjenige Schwierigkeiten hat und auch macht. Es kann eben schon sein, dass sich seine Sicht nicht mit den Gesetzen und Wertevorstellungen hier verträgt. Kinderehen zum Beispiel. Männliche Aggression und Gewaltanwendung als Recht des Mannes. Unterdrückung der Frau. Ehrenmorde. Qualvolles Schächten von Tieren. Man kann wegsehen – für eine Weile. Aber dadurch ermöglicht man das Entstehen einer Parallelgesellschaft, die wir mittlerweile in ganzen Stadtvierteln sehen. Diese Stadtteile werden oft „gesetzlos“ genannt, aber das sind sie nicht. Sie gehorchen vollkommen anderen Gesetzen, sehr brutalen Gesetzen sogar.
Wir hätten uns damit viel früher auseinandersetzen müssen. Klare Linien ziehen, und dabei allen Seiten so gerecht zu werden, dass man das miteinander leben kann. Dänemark hat das schon vor einiger Zeit verstanden und die sozialdemokratische Regierung greift seitdem härter durch. Dort nennt man die Stadtviertel der Parallelgesellschaften knallhart „Ghettos“ und löst sie auf. Da wird Druck hinter die Integrationsbemühungen gesetzt, damit es eine echte Integration gibt. Damit die Nachfahren der Migranten eine Chance haben, in ihrer neuen Heimat ein gutes Leben führen zu können, ihren Weg erfolgreich gestalten zu können. In Dänemark gibt es zwar harte Worte, konsequente Strafen und deutliche Bezeichnungen, aber ein durchdachtes, konstruktives Handeln, die Neubürger auch wirklich zu integrieren. Das scheint auch zu gelingen.
Wenn Frau Annette Widmann-Mauz (CDU) aus dem Staatsministerium für Integration nun bei der Vorstellung des Abschlussberichtes der Kommission davon redet, dass „Migrationshintergrund“ kein passender Begriff mehr sei, weil seine Aussagekraft dadurch geschmälert sei, dass dieses Wort so viele verschiedene Menschen einschließe: Geflüchtete, Kinder und Enkelkinder der Gastarbeitergeneration wie auch Menschen, die seit Generationen hier lebten, dann fragt man sich, was das dumme Gerede eigentlich soll. Ja, es gibt auch das Wort „Deutsche“ oder „Franzosen“ oder Frauen, Kinder, Autos und Tiere. Es gibt Elefanten und Mücken, die man zu Elefanten macht. Es gibt so viele verschiedene Franzosen … Bretonen sind ein anderer Menschenschlag als die Pariser Intellektuellen. Ein Bayer ist im Allgemeinen ein anderer Typ als ein Friese.
Wir merken es schon noch, wenn wir für blöd gehalten werden.
Wenn es zum Beispiel darum geht, Gender-Spielarten jeweils nuanciert genau zu unterscheiden – es gibt 60 davon – kann gar nicht genug differenziert und begrifflich definiert werden:
Androgyner Mensch, Androgyn, Bigender, Weiblich, Frau zu Mann, Gender variabel, Genderqueer, Intersexuell (oder auch inter*), Männlich, Mann zu Frau, Weder-noch, Geschlechtslos, Nicht-binär, Weitere, Pangender, Trans, Transweiblich, Transmännlich, Transmann, Transmensch, Transfrau, Trans*, Trans* weiblich, Trans* männlich, Trans* Mann, Trans* Mensch, Trans* Frau; Transfeminin, Transgender, Transgender weiblich, Transgender männlich, Transgender Mann, Transgender Mensch, Transgender Frau, Transmaskulin, Transsexuell, Weiblich-transsexuell, Männlich-transsexuell, Transsexueller Mann, Transsexuelle Person, Transsexuelle Frau, Inter*, Inter* weiblich, Inter* männlich, Inter* Mann, Inter* Frau, Inter* Mensch, Intergender, Intergeschlechtlich, Zweigeschlechtlich, Zwitter, Hermaphrodit, Two-Spirit (Drittes Geschlecht), Viertes Geschlecht, XY-Frau, Butch, Femme, Drag, Transvestit, Cross-Gender.
Na, dann googeln Sie mal schön.
Natürlich wissen wir, welche Absicht hinter der Abschaffung des „Migrationshintergrundes“ steckt: Die jährlichen Kriminalitätsberichte des BKA sorgen jedes Jahr für krampfige Artikel in den Leitmedien, deren Redakteure sprachliche Klimmzüge machen müssen, um irgendwie zu verschleiern, dass mit vielen guten und tüchtigen und liebenswerten Neubürgern auch eine Menge rücksichtsloser Glücksritter und schlicht auch Kriminelle, die daheim vor dem Gefängnis davongelaufen sind, hier ankamen und Straftaten begehen – und schnell herausgefunden haben, dass sie damit oft ungeschoren davonkommen, weil die Polizei überfordert ist und viele Richter keinen Ärger haben wollen. Sie werden nicht mal abgeschoben.
Wenn also die Kommission eine Veröffentlichung unter dem Titel „Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten“ herausgibt, dann ist es nicht damit getan Wörter und Begriffe abzuschaffen, pflichtgemäß Rassismus, Hasskriminalität und Terrorismus zu geißeln, aber nicht energisch genug einzufordern, dass auch von ALLEN Einwanderern aktiv Integration geleistet werden muss, wenn sie hierbleiben wollen. Wer sich darum ernsthaft bemüht, dem soll gern geholfen werden.
JA! Es gibt sehr viele Einwanderer, die das vorbildlich und wunderbar meistern. Aber auch die brauchen und wollen keine Sprachpolizei – und das ist deren eigene Eigen-Einschätzung. Dazu braucht es keine Sprachpolizei, die die Schon-länger-hier-Lebenden immer weiter umerzieht.
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