Flüchtlinge 1945 In Richtung Westen bewegen sich die zahllosen Flüchtlinge,Bundesarchiv, Bild 146-1985-021-09 / Unknown author / CC-BY-SA 3.0 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_146-1985-021-09,_Fl%C3%BCchtlinge.jpg#/media/File:Bundesarchiv_Bild_146-1985-021-09,_Fl%C3%BCchtlinge.jpg

„Die Unwill­kom­menen“ – Der Mythos von der „Will­kom­mens­kultur“ deut­scher Vertriebener!

Hiesige Poli­tiker aller Par­teien, allen voran Bun­des­prä­sident Frank-Walter Stein­meier, werden hin­sichtlich der “Flücht­lings­dis­kussion” nicht müde zu betonen, dass hier­zu­lande schon einmal eine Masse von Flücht­lingen auf­ge­nommen worden sei.

Gemeint damit sind jene rund 14 bis 20 Mil­lionen Ver­triebene aus den Ost­ge­bieten nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

Doch war das tat­sächlich so? Schlug den Ver­trie­benen wirklich eine Welle von Soli­da­rität und Hilfs­be­reit­schaft der „ein­hei­mi­schen“ Deut­schen – den soge­nannten „Reichs­deut­schen“ –  ent­gegen, wie es uns heute ange­sichts der Debatte um die Flücht­linge über­wiegend aus dem Nahen Osten und Afrika ver­kauft wird?

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Haben die deut­schen Ver­trie­benen eben­falls eine solche „Will­kom­mens­kultur“ erfahren, mit der Poli­tiker hier­zu­lande so werben?

Eine „Will­kom­mens­kultur“, die anscheinend so ins bun­des­deutsche Kol­lektiv-Bewusstsein ein­ge­froren ist, das wir sie nie mehr ver­gessen sollten.

Ich bin diesen Behaup­tungen nach­ge­gangen, habe Bücher und Archive gewälzt, mit Ver­trie­benen gesprochen. Und bin zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen!

Harte Fakten räumen wahrlich auch mit dem Mythos und der Geschichts­ver­klit­terung der „Will­kom­mens­kultur“ der „Ein­hei­mi­schen“ bezüglich der ver­trie­benen deut­schen Flücht­linge auf, die nicht einmal ihren Auf­ent­haltsort selbst bestimmen konnten, weil dieser von den Alli­ierten fest­gelegt wurde.

Alles war anders. Ganz anders.

Geradezu beschämend.

Zunächst sei an dieser Stelle fest­ge­halten: Tau­sende Ver­triebene, die nach ihrer Flucht endlich im Westen ankamen, starben bereits nach ihrer Ankunft, denn sie fanden weder ein Dach über dem Kopf, erhielten weder medi­zi­nische Hilfe noch aus­rei­chende Nahrung.

(Quelle: Keith Lowe: „Der wilde Kon­tinent – Europa in den Jahren der Anarchie 1943–1950“, Stuttgart 2014, S. 14, 41, 302).

Alleine schon dieser Sach­verhalt unter­scheidet sich frap­pierend von dem der heu­tigen Zustände!

Deutschland verfiel in zwei Schick­sals­ge­mein­schaften, wie der Migra­ti­ons­for­scher Kaus J. Bade beschrieb: In die Ein­hei­mi­schen und in die Ver­trie­benen, die zuein­ander in einer „Opfer­kon­kurrenz“ standen. „Dieser Kon­kur­renz­kampf trug ‚deut­liche Züge eines Natio­na­li­tä­ten­kampfes und eines Klassengegensatzes.‘“

Tat­sächlich sahen sich auch die West­deut­schen im Chaos der Nach­kriegszeit vom Strom der Ver­trie­benen aus dem Osten regel­recht überrollt.

Dabei ging es den Flücht­lingen zwei­fellos noch elender als ihnen selbst, hofften jetzt auf Soli­da­rität oder nur auf Mitgefühl.

Doch sie erfuhren etwas ganz anderes: Ablehnung und Aus­grenzung als „uner­wünschte Fremde“. Gerade auf dem Land, wo mehr als siebzig Prozent von ihnen unter­ge­bracht wurden.

Auf Anordnung der Sie­ger­mächte erhielten sie sogar „Zuzugs­sperre“ in die Städte. (Kossert, S. 53).

Auch dieser Fakt wird hier­zu­lande oft und gerne verschwiegen!

Deutschland verfiel in zwei Schick­sals­ge­mein­schaften, wie der Migra­ti­ons­for­scher Kaus J. Bade beschrieb:

In die Ein­hei­mi­schen und in die Ver­trie­benen, die zuein­ander in einer „Opfer­kon­kurrenz“ standen. „Dieser Kon­kur­renz­kampf trug ‚deut­liche Züge eines Natio­na­li­tä­ten­kampfes und eines Klassengegensatzes.‘“

(Quelle: Klaus J. Bade: „Homo migrans – Wan­de­rungen aus und nach Deutschland – Erfah­rungen und Fragen“, Essen 1994, S. 45).

Dabei wurden die Ver­trie­benen als „Polacken“ oder „daher­ge­lau­fenes Gesindel“ (und Schlim­meres, wie noch auf­zu­zeigen sein wird) beschimpft.

„Die erlit­tenen Traumata während der Ver­treibung, ‚soziale Iso­lation und Deklas­sierung sowie das nach­fol­gende Ringen um eine Iden­tität zwi­schen Hier und Dort‘ machte das Hei­mi­schwerden in der fremden Umgebung oft geradezu unmöglich. Es ist an der Zeit, deutsche Ver­triebene endlich als Opfer zu begreifen, die nicht nur unter Flucht und Ver­treibung gelitten haben, sondern auch unter der Hart­her­zigkeit ihrer eigenen Lands­leute“, meint der deutsche His­to­riker Andreas Kossert.

„Dass die Auf­nahme der 14 Mil­lionen ‚nicht zur poli­ti­schen Dau­er­ma­laise wurde, die Radi­ka­li­sierung aus­blieb‘ dafür zahlten die Ver­trie­benen mit Ver­leugnung ihres Schmerzes und kul­tu­reller Selbst­aufgabe, Schlesier, Ost­preußen, Pommern, Deutsch­böhmen und Banater Schwaben, die über Jahr­hun­derte bei­getragen haben zur Vielfalt der deut­schen Iden­tität, hatten fern der Heimat nichts mehr zu melden.

Sie mussten sich anpassen im Westen ihres Vater­landes, das ihnen zur kalten Heimat werden sollte.“

(Quelle: Andreas Kossert: „Kalte Heimat – Die Geschichte der deut­schen Ver­trie­benen nach 1945“, München 2009, S. 12–16)

Oft kamen die Ver­trie­benen in Vieh­waggons im Westen an, wurden an den Ziel­orten wie auf Sklaven- oder Vieh­märkten verteilt.

Die Alli­ierten hatten sich auf bestimmte Kon­tin­gente geeinigt und brachten sie dort unter, wo noch Kapa­zi­täten vor­handen waren. Aber erst nach büro­kra­ti­schen Pro­ze­duren, Regis­trie­rungen, medi­zi­ni­schen Unter­su­chungen, Imp­fungen und Entlausungen.

Die ört­lichen deut­schen und kirch­lichen Für­sor­ge­stellen küm­merten sich danach um die weitere Ver­teilung und Unterbringungen.

Aller­dings gab es für die West­deut­schen keine Mög­lichkeit, die „Annahme“ zu „ver­weigern“.

Dabei schlug den Ver­trie­benen, die alles ver­loren hatten und denen fast alles fehlte, von den Ein­hei­mi­schen Ver­achtung und Abwehr entgegen…


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de